Annabeth

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Nachdem ich eine gefühlte Ewigkeit die Wangen des Jungen getätschelt hatte und ihm irgendwann verzweifelt die ganze Feldflasche mit Wasser über den Kopf geleert hatte begannen seine Augenlider schwach zu zucken.

Vor Erleichterung fiel mir ein Stein vom Herzen und ich seufzte hörbar auf als sich seine Augenlieder schließlich ganz öffneten. Schnell musterte ich seine Augen und stellte fast enttäuscht fest, dass diese einfach nur langweiligen braun waren. An so einem Schönling hätte ich mir weiß Gott eine wesentlich auffälligere Augenfarbe vorgestellt, ich meine, er hat sogar gezupfte Augenbrauen, da ist es ja schon fast eine Beleidigung langweilige matschbraune Augen zu haben.

Als zum zweiten Mal an diesem Tag dem Jungen am Boden ein schmerzvolles Stöhnen entwich schreckte ich aus den Gedanken an die Augen des Jungen auf.

Krampfhaft presste der Blonde die Augenlieder zusammen und ballte seine Hände zu Fäusten. Seine schwachen Atemzüge wurden zu einem unnatürlich klingenden Röcheln und sein gesamter Körper verkrampfte sich unter den scheinbar enormen Schmerzen.

„Ganz ruhig. Hilfe ist schon unterwegs" versuchte ich ihn zu beruhigen und berührte ihn vorsichtig und unbeholfen am Arm. Erschrocken zuckte er daraufhin zusammen und riss seine Augen panisch auf. Was hatte er denn nun schon wieder? War er am Arm etwa auch verletzt?

„Hast du Schmerzen?" fragte Cara prompt und sah dem Jungen mit ruhigem und tiefem Blick  in die Augen. Ich tat es ihr gleich und zog verwundert eine Augenbraue hinauf. Irgendetwas stimmte mit den Augen des Jungen nicht. Irgendwie hatten sie sich von einem langweiligen Matschbraun zu einem glänzenden, bernsteinfarbenen und golden Gemisch verändert. Sie sahen unmenschlich, nein, unnatürlich aus, aber auch irgendwie wunderschön und unwiderstehlich. Ich hatte noch nichts mit solch einer Augenfarbe gesehen und das muss etwas heißen, bei den ganzen Monstern die ich in meinem Leben schon erledigt hatte.

„Ja ach nee" meinte der Junge auf einmal wütend durch zusammengepresste Lippen, verkrampfte sich nach diesem Kraftaufwand jedoch nur noch umso stärker. Wie versteinert saß ich neben dem Jungen während mein Gehirn auf Hochtouren arbeitete. Er hatte eine leicht raue Stimme und, was mich im Moment jedoch mehr beschäftigte, einen leichten, jedoch für mich unbekannten Akzent. Ich ging alle Sprachen durch, doch mir viel nicht ein ob und wo ich diesen Akzent schon einmal gehört hatte.

Bevor ich jedoch noch länger über die Herkunft des Jungen nachdenken konnte kamen auch schon fünf Camper mit einer Trage angerannt. Schnell machte ich ihnen Platz und stellte mich immer noch grübelnd etwas abseits an einen Baum.

„Er ist vor circa zwei Minuten wieder zu Bewusstsein gekommen und ist ansprechbar. Wir wissen jedoch nicht ob er ein Halbgott oder etwas Ähnliches ist, also gebt ihm vorerst keinen Nektar und kein Ambrosia" meinte Cara gerade sachlich zu ihren Geschwistern. Gemeinsam hoben sie den Jungen auf die Trage wobei mir auffiel das der Dolch immer noch in seiner Seite steckte.

Leicht musste ich grinsen. Cara war zwar erst vor fünf Tagen mit Julian aus der Ares Hütte, welcher gerade dabei war mit den Anderen die Umgebung zu sichern und einem Mädchen, ich glaube sie heißt Lucy, hier angekommen. Doch sie verstand ihr Handwerk schon jetzt ausgezeichnet. Die Götter hatten die drei zwar noch nicht anerkannt, doch Cara war wie gemacht für die Apollo Hütte mit ihrem enormen Wissen über Krankheiten, Kräuter und Pflanzen im Allgemein.

Genauso war es bei Julian. Er hatte sich als  einer der besten Kämpfer des Camps entpuppt, wenn man bedenkt, dass er vor dem Camp noch nie ein Schwert geschwungen hatte.

Nur Lucy passte in keine Hütte und wohnte deshalb immer noch bei den Hermes-Leuten, wo sie sich scheinbar nicht sehr wohl fühlte. Aber wer kann es ihr verübeln? Die Hermes Kinder spielten anderen immer Streiche und in Lucy schienen sie ein neues Lieblingsopfer gefunden zu haben.

Schnell riss ich mich von meinen Gedanken los als ich bemerkte das der Junge sicher auf der Trage lag und die Apollo Leute samt Cara in Richtung Camp aufbrachen. Nur Will Solace, der Anführer der Apollo Leute blieb derweil mit mir an Ort und Stelle stehen um auf die anderen Acht zuwarten, die gerade noch die Umgebung sicherten und nach anderen dunklen Gestalten Ausschau hielten.

„Es sieht nicht gut für ihn aus oder?" betreten sah ich auf den Boden. Dieser Junge durfte nicht sterben. Ich hatte keine Lust auf weitere Kämpe und Kriege, weshalb meiner Meinung nach jede Gefahr im Keim erstickt werden musste. In diesem Fall müssten wir unbedingt herausbekommen was diese dunklen Gestalten von uns wollten und das wiederum konnte uns derzeit nur dieser Junge sagen.

„Nein" lautete die kurze aber bittere Antwort von Will. „Wenn wir nicht herausbekommen ob er Nektar und Ambrosia verträgt oder zufällig außerordentlich gute Selbstheilungskräfte besitzt, was ich nicht glaube, wird er morgen wahrscheinlich nicht mehr unter uns weilen."

Das war ein Schlag ins Gesicht. Nicht das ich etwas anderes erwartet hätte oder mir etwas an diesem Jungen liegt ... okay, vielleicht ein bisschen... aber wenn durch ihn eine potentielle Gefahr von meinen Freunden und dem Camp abgewendet werden konnte musste er unbedingt überleben.


Das Vermächtnis der Götter (Percy Jackson FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt