Annabeth

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Gerade war ich auf Geheiß Chirons auf dem Weg zu unserem Gefangenen. Seit zwei Tagen war Blondie, wie ihn nun alle nannten, schon in Nicos Hütte angekettet und erholte sich langsam von seiner Verletzung. Ich hatte mich, seit er mir einen Dolch an die Kehle gedrückt hatte, jedoch nicht mehr in seine Nähe gewagt. Percy hätte das wahrscheinlich auch gar nicht zugelassen. Er verabscheute den Jungen seit diesem Zwischenfall noch mehr, als er es vorher schon getan hatte und trotzdem hatte ich das Gefühl, dass er den Kerl für seine Sturheit und Standfestigkeit bewunderte.

Blondie hatte bisher noch immer keinen Ton von sich gegeben und auch sonst keinerlei Reaktionen wie ein erschrockenes Zucken oder ein müdes Gähnen gezeigt. Er schien sich die ganze Zeit bestens unter Kontrolle zu haben und war sehr bemüht uns keine Anhaltspunkte zu seiner Herkunft, dem Grund seines Hierseins oder sonstigen nützliche Fakten zu geben.

Gemächlich lief ich über den Platz zwischen den Hütten und steuerte langsam auf Nicos schwarze, mit einem Schädel und grün brennenden Fackeln geschmückte Behausung zu. Kurz lief mir ein eisiger Schauer über den Rücken und ich fragte mich, wie man in solch einer dunklen Hütte überhaupt leben oder gar schlafen konnte.

Vor der schwarzen Holztür angekommen klopfte ich einmal kräftig, hielt jedoch kurz darauf verwundert inne. Die Türe war nur angelehnt gewesen und erst jetzt viel mir auf, dass keiner von Nicos Skelettkriegern auf meinem Weg hier her um die Hütte geschlurft war und Wache gehalten hatte.

Mit einer bösen Vorahnung drückte ich gegen die Türe, welche sich leise knarzend öffnete. Durch die Fenster und die nun geöffnete Tür wurde der sonst dunkle Innenraum mit der provisorischen Deckentrennwand für Hazel, erhellt. Erschrocken erkannte ich jedoch sofort, dass das Bett, in welchem Blondie eigentlich liegen sollte leer war. Nur die magische Fußfessel die ihn an Ort und Stelle hatte halten sollen lag noch als Bestätigung seiner Anwesenheit auf dem Bett.

Leise und darauf bedacht meine ganze Umgebung im Blick zu behalten schlich ich vorsichtig in das Innere der Hütte. Schnell betätigte ich den Lichtschalter um auch die dunkelsten Winkel nach diesem Typen, Nico und auch Cara absuchen zu können.

Frustriert seufzte ich auf, als ich nach einer genauen Inspektion der Hütte und lautem Rufen, keinen der drei finden konnte. Was war hier nur geschehen? Hatte Blondie die beiden überwältigt und als Geiseln mit auf seine Flucht genommen? Oder hatten ihn vielleicht seine Verbündeten befreit und Cara und Nico aus dem Weg geräumt?

... Nein, dass durfte nicht sein. Die Skelettkrieger hätten die Eindringlinge doch sicher abgeschlachtet. Haare raufend lief ich noch einmal durch die gesamte Hütte, konnte jedoch immer noch niemanden finden.

Die leere Hütte und das plötzliche Verschwinden der Skelette machte mich stutzig und ließ mich kurz darauf innehalten während mein Verstand auf Hochtouren arbeitete. Irgendjemand aus den angrenzenden Hütten hätte doch bei Kampfgeschrei sofort nachgesehen was los war und hätte doch sicherlich auch Verstärkung geholt, hätte die Situation nach einem Angriff oder einer Entführung ausgesehen.

Nachdem ich innen keine Kampfspuren wie Blut, Schrammen in den Wänden oder gar liegengebliebene Waffen gefunden hatte, verließ ich gehetzt die Hütte und umrundete sie einmal. Doch auch draußen war, außer plattgetrampeltes Gras das in gleichmäßigem Abstand um die Hütte verlief und auf den Weg der Skelettpatrouille schließen ließ, nichts Auffälliges zu erkennen.

Noch einmal umrundete ich die Hütte um wirklich sichergehen zu können auch ja nichts übersehen zu haben. Tatsächlich entdeckte ich noch eine weitere, plattgetretene Spur welche Richtung Wald verlief, doch ich war mir nicht sicher ob diese wirklich von Blondie und seinen Gehilfen oder gar Cara und Nico stammen konnte.

Schnell warf ich noch einen letzten Blick Richtung Wald, kehrt ihm dann den Rücken zu und rannte so schnell mich meine Beine trugen zum Haupthaus. Wieso hatte Chiron Nico und dessen Skelette auch alleine und an solch einem strategisch ungünstigen Ort auf den Blondschopf aufpassen lassen?

Ohne große Umschweife und auch ziemlich wütend stieß ich schließlich die Türe zu Mr. Ds Büro auf. Dieser war, wie eigentlich immer, gerade dabei sich Wein in einen Becher einzuschenken und verschüttete diesen durch mein plötzliches und unerwartetes hereinstürmen über seine Hose.

"Oh nein, meine arme Hose und dann auch noch der gute Wein! Reicht es nicht schon, dass er sich, wenn ich ihn trinken möchte in Wasser verwandelt? Nein, jetzt musst du Trampel mich auch noch so erschrecken, dass ich ihn mir über die Hose schütte" zeterte er sofort los und würdigte mich keines Blickes.

Ohne seine primitiven Sorgen zu Beachten stützte ich mich nach Luft schnappend auf seinem Schreibtisch ab und fragte mit vor Anstrengung zitternder Stimme, ob er wisse wo Chiron sei. Erst jetzt sah er von seiner durch den Wein rot gefärbten Hose auf und lächelte bei meinem Anblick sofort.

"Ach meine Heldin und Lieblingshalbgöttin platzt hier so herein. Komm setzt dich doch erst einmal, junge Dame. Du bist ja ganz außer Atem. Vielleicht solltest du öfters ... ach, wie nennt ihr jungen Leute das heutzutage? ... joggen gehen" meinte er nur mit einem fröhlichen Grinsen und deutete höflich auf den bequem aussehenden Sessel neben mir. Doch ich hatte weder Lust mich zu setzten, noch ihm beizubringen wie man joggen richtig aussprach (bei ihm hatte es sich angehört wie das Üben von bestimmten Tönen, wobei er jede Silbe unterschiedlich hoch geflötet hatte und ich überrascht war keinen Nervenzusammenbruch bei der restlichen, ebenfalls sehr miserablen Aussprache bekommen zu haben).

"Könnten Sie mir bitte schnell meine Frage beantworten. Ich muss dringend mit Chiron sprechen" überging ich seine Aufforderung mich zu setzten mit bemüht ruhiger Stimme, wobei ich kurz davor war vor Gereiztheit zu platzen.

"Aber, aber junge Dame, was ist denn so wichtig, dass du nicht auch mit mir darüber reden könntest? Schließlich bin ich hier doch so etwas wie euer göttlicher Betreuer" fragte er mit seinem ekelhaft künstlichen Lächeln und ließ seine Stimme etwas enttäuscht klingen. Fast wäre mir bei dieser Aussage die Galle hoch gekommen. Göttlicher Betreuer, dass ich nicht lache. Er verabscheute uns Halbgötter und die Aufgabe, die er von Zeus bekommen hatte.

Ich hatte jedoch nicht länger die Geduld mit ihm zu diskutieren, da ich ununterbrochen daran denken musste was wohl mit Cara und Nico passiert war, sodass ich ohne nachzudenken und mit vor Wut bebender Stimme meinte, dass Blondie, sowie Cara und Nico spurlos verschwunden waren.

Nach dieser Offenbarung konnte sich zum Glück auch Mr. D nicht mehr auf seinem Schreibtischstuhl halten und sprang entrüstet auf, bevor er mit aufgerissenen Augen hektisch um den Schreibtisch lief und sich dabei die Ecke schmerzhaft in den Oberschenkel rammte.

"Das ist doch wirklich unfassbar. Wir müssen sofort einen Suchtrupp zusammenstellen. Los! Such Chiron und gib ihm Bescheid. Und ruf alle Camper zusammen, das ist ein Notfall! ... Ach, und wer war nochmal dieser Mirco und diese Lara?" heftig kämpfte ich gegen den Drang an meinen Kopf gegen die Wand zu schlagen. Nicht genug, dass ich gerad dabei war Chiron zu suchen und anscheinend auch acht Arme hatte, um gleichzeitig auch noch die ganzen Camper zusammen zu trommeln. Nein, dieser versoffenen Gott konnte sich noch nicht einmal die Namen der Kinder der großen Drei (wie Nico einer war), geschweige denn die der anderen Camper merken.

Ohne jedoch noch etwas zu sagen verschwand ich wieder durch die Türe und ließ Dionysos Frage unbeantwortet. Unschlüssig blieb ich auf der Veranda des Haupthauses stehen und überlegte fieberhaft, wo ich Chiron finden konnte. Zu meinem Glück kam er just in diesem Moment auf das Haupthaus zugelaufen. Erleichtert atmete ich durch. Ich hätte eindeutig nicht noch einmal durch das ganze Camp rennen können. Schnell lief ich ihm entgegen und konnte schon von weitem erkennen wie sich seine Mine bei meinem gehetzten Auftreten verdüsterte.

"Was ist los?" wollte er sofort wissen, als ich ihn erreicht hatte. Kurz und knapp berichtete ich ihm wie ich Nicos Hütte vorgefunden hatte und wie ich die Grasschneise Richtung Wald deutete. Chiron stimmte mir Kopfnickend zu, wobei er stark zu überlegen schien was nun zu tun war.

"Wir sollten so schnell wie möglich einen Suchtrupp in den Wald schicken. Die restlichen Camper werde ich anweisen sich sofort kampfbereit zu machen. Wer weiß vielleicht wollen diese Gestalten unser Durcheinander, dass sie durch die scheinbare Entführung verursacht haben, ausnutzen und uns angreifen" meinte er mit in Falten gelegter Stirn.

"Geh du und betätige das Alarmsignal, ich überlege solange wen ich mit dir als Suchtrupp losschicken werde" murmelte er in Gedanken versunken und drängte mich mit einer scheuchenden Handbewegung zur Eile. 


Das Vermächtnis der Götter (Percy Jackson FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt