Unbekannter

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Mühsam öffnete ich die Augen. Meine Augenlider waren schwer und ich drohte wieder einzuschlafen.

Vorsichtig tastete ich meinen Bauch ab. Mein Dolch war weg, er steckt nicht mehr in meinen Eingeweiden. Hoffentlich verblutete ich nicht...

Meine Gedanken waren ganz wirr und doch erkannte ich, dass man mir einen Verband umgelegt hatte. Zuerst war ich erleichtert noch nicht sterben zu müssen, doch gleich darauf stellte ich mir die Frage, wer mich überhaupt verarztet hatte und wo ich war.

Langsam wurden meine Gedanken wieder klarer und ich erinnerte mich aus dem Netzt der Falle direkt in meinen Dolch gefallen zu sein. Innerlich musste ich überlegen grinsen. Der Plan war, wie es schien, aufgegangen. Diese törichten Halbgötter hatten sich genauso verhalten wie es geplant war. Nach einem kurzen und unauffälligen Blinzeln hatte ich mich vergewissert auch wirklich in dem Lazarettzelt der Camper zu sein. Alles lief wie am Schnürchen und so konnte ich nun zum zweiten Schritt übergehen.

Ohne die Augen ein weiteres Mal zu öffnen betastete ich zuerst den Untergrund auf welchem ich lag. Schnell stellte ich fest, dass es eine harte und einfache Holzpritsche sein musste. Dann bemerkte ich den kalten und schweren Druck von Metall an meinem rechten Fußknöchel und musste mich beherrschen nicht argwöhnisch zu lachen. Diese Halbgötter glaubten doch nicht wirklich mich mit einer Fußfessel an Ort und Stelle behalten zu können? 

Schnell konzentrierte ich mich wieder auf die heimliche Erfassung meiner Umgebung und lauschte den Geräuschen um mich herum. Leises Getuschel war rechts von mir in ungefähr fünf Metern Entfernung zu hören. Hinter und links neben mir vernahm ich nur das entfernte rascheln und klappern von Schritten auf weichem und gepflastertem Untergrund, sowie leises Kampfgeschrei und das Klirren und Aufeinanderschlagen von Metall, dass auf die Kampfarena welche ich in der Vorbereitungsphase des Plans erspäht hatte, schließen ließ.

Mit der Sicherheit unbeobachtet zu sein öffnete ich langsam die Augen und verschaffte mir zu guter Letzt noch einen visuellen Eindruck meiner Lage. Links und hinter meinem Kopf erkannte ich die braune Zeltplane des Lazaretts. Rechts von mir waren in einer Doppelreihe ungefähr zwanzig unbequem aussehende Holzpritschen mit einem breiten Mittelgang aufgestellt worden. In der Mitte des Ganges ragte, zur Stabilisierung des Zeltes eine dicke Holzstange aus dem Boden und stützte die Zeltplane. Auf den Betten ganz am Eingang und so weit weg von mir wie nur irgendwie möglich lagen sechs Halbgötter, teils ruhig schlafend, teils leise mit ihrem Bettnachbar flüsternd.

Niemand beachtete mich, bis plötzlich ein großer, blonder Junge durch den Eingang trat. Er fixierte mich mit seinem Blick und bahnte sich schnurstracks einen Weg zu mir. Ihm folgten zwei Mädchen, die eine sah aus wie eine Latina, die andere hingegen war eher ein hellerer Hauttyp mit blonden Haaren und auffallenden grauen Augen. Hinter ihnen betraten auch noch ein großgewachsener, schwarzhaariger Junge mit grünen Augen und ein breitschultriger Asiate mit dunklen Haaren und dunklen Augen das Zelt.

Nun lagen plötzlich alle Blicke, zumindest von den Personen die wach waren, auf mir, doch das machte mir nichts aus. Ich Atmete einmal tief ein und aus und ließ die mir nur allzu bekannte und gern gesehenen Kälte meinen Körper durchströmen. Während meiner Ausbildung hatte ich diese Technik gelernt und war schon in vielen Situationen froh darüber gewesen. Sie machte mich für jeden unerreichbar. Ich war nicht unbedingt in Trance, doch mir war egal was um mich herum geschah und ich konnte meine Gefühle aus meinen Gedanken verbannen. Alles was in diesem tranceähnlichen Zustand wichtig war, war das Erreichen des vorgenommenen Zieles.

Mit eisigem und leerem Blick verfolgte ich die kleine Gruppe bis sie sich um meine Pritsche verteilten. Ich rührte mich nicht, gab keinen Mucks von mir und atmete ruhig weiter als würde ich schlafen während ich meinen Blick zur Decke richtete und auf nichts reagierte.

Ich hörte ihnen zu, wie sie versuchten mich zum sprechen zu bringen. Sah die Hand welche vor meinen Augen herumwirbelte und versuchte mich zu einer Reaktion zu bringen und ich spürte den Finger welcher mir in die Seite drückte um mir ein erschrockenes Keuchen zu entlocken, doch ich zeigte keine Reaktion. 

Innerlich lachte ich sie und ihre dämlichen Versuche mich zum Reden zu bringen mit einem kalten und bösartigen Lachen aus. Ja, ich war kalt und bösartig. Nur deshalb hatte ich solange überlebt, hatte die ganzen Strapazen meiner Ausbildung und die unzähligen und wesentlich kniffligeren Aufträge, als dieser einer war, gemeistert. Hatte mich auspeitscht und quälen lassen und mein Fleisch in Fetzen von meinem Körper hängen sehen und war trotzdem immer erfolgreich gewesen.

Auch jetzt prägte ich mir alles was diese fünf Spaßvögel sagten und taten genau ein. Durch ihr Verhalten waren sie wie ein offenes Buch und ich hatte gelernt aus jedem Menschen, egal wie verschlossen oder verwirrend sein 'Buch' auch sein mochte zu lesen. Durch diese Fähigkeit war es mir möglich genau zu erahnen wie, wieso und in welcher Form diese bestimmte Person handelte, wie sie auf bestimmte Situationen reagieren würde und welche Personen ihr nahe standen.

Ich spionierte Menschen sozusagen aus, in dem ich mich von ihnen gefangen nehmen ließ und ihr Verhalten studierte. Nicht ganz einfach, wenn man bedachte das man nebenher auch noch gefoltert werden konnte, doch wesentlich effektiver als stundenlang auf einem Baum zu sitzen und ein Gespräch zu belauschen.


Das Vermächtnis der Götter (Percy Jackson FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt