Während der kompletten Mathestunde ignoriert Maya mich geflissentlich.
Und auch ich bin nicht der Typ, der sofort ein Gespräch mit einer Fremden anfangen würde.
Also schweigen wir die gesamten 60 Minuten lang.
Erstaunlicherweise werden wir beide kein einziges Mal aufgerufen.
Was mich sehr verwundert, denn Mr Hamilton hat es sonst vor allem auf mich abgesehen.
Ob es daran liegt, dass ich neu bin,
in der letzten Reihe sitze oder, dass er mich immer wieder blamieren will, weil ich eine Antwort nicht weiß,
ich habe keine Ahnung.
Und so kritzelt Maya die ganze Zeit in ihr Heft.
Ich schiele zu ihr rüber, Unterrichtsmitschriebe sind das auf jeden Fall nicht.
Ich schaue oft zum Fenster raus.
Unser Schulhof ist zwar nicht besonders spannend, aber alles ist besser, als immer nur Mr Hamilton anzuschauen, der vorne an der Tafel irgendwas mit monotoner Stimme erklärt."Rrrrrrring!"
Das schrille Klingeln der Pausenglocke lässt mich erschrocken zusammen-fahren.
Endlich!
"Also, Hausaufgabe ist auf der Seite 53 die Nummer 2. Schönen Tag euch."
Maya springt auf, sobald unser Lehrer geendet hat und stürmt, ohne sich irgendetwas zu notieren, aus dem Klassenraum.
"Na ja, mein Problem ist es nicht, wenn sie die Hausaufgaben nicht hat", denke ich, mache mir eine kleine Notiz und gehe ebenfalls aus dem Zimmer, allerdings wesentlich gemächlicher als Maya.
Als ich meine Tasche bei den Kunsträumen, wo wir gleich Unterricht haben, abgestellt habe, trotte ich auf den Pausenhof.
Die Luft ist schwül und es kündigt sich Regen an. Doch im Moment lugt noch die Frühlingssonne zwischen den grauen Wolken hervor und kitzelt mich an der Nase.
Ich bleibe stehen und recke mein Gesicht in die Sonnenstrahlen, deren Wärme ich begierig aufsauge.
Hier in Amerika ist es um diese Zeit noch sehr kühl und aus Kenia bin ich Hitze gewöhnt, weshalb ich fröstele, als sich eine Wolke vor die Wärmequelle schiebt.
Als Mia und ich im Februar hier her kamen, war es erstmal eine große Umstellung für uns, was das Klima und die Temperaturen betraf.
Während es in Kenia eigentlich das ganze Jahr über sehr warm ist, war es bei unserer Ankunft kühl und ungewohnt feucht gewesen.
Und selbst jetzt im April überwiegen noch die Regentage.Ein derber Stoß reißt mich aus den Gedanken.
Ich taumele und kann einen Fall im letzten Moment noch abfangen.
"Hey, Wüstenmädchen!", tönt eine männliche Stimme hinter meinem Rücken.
Wie gestern im Gang droht die Panik mich zu überwältigen.
Geht das schon wieder los?
Die Stimme klang nicht besonders liebenswürdig.
Das Beste wäre wohl zu verschwinden, doch bevor ich losrennen kann, krallt sich eine Pranke in meine Schulter und hält mich mit eisernem Griff fest.
"Wen haben wir denn da?", fragt die Stimme spöttisch.
"Kennen wir uns?"
Der Junge, dessen riesige Hand immer noch fest auf meiner Schulter liegt, dreht mich gewaltsam zu sich herum.
Der Schrank, der vor mir steht, ist ein Musterbeispiel für einen Muskelprotz und er sieht aus, wie man sich einen Schlägertypen eben so vorstellt:
Groß, breit, und ein hämisches Grinsen im Gesicht.
Hinter ihm bauen sich noch mehr große Jungen auf.Ein Zittern überläuft meinen Körper und der Junge lacht.
"Ist dir etwa kalt?"
Er stinkt nach Schweiß und etwas, das ich nicht identifizieren kann.
Ist das vergammelter Käse?
"Soll ich dich wärmen?", fragt er zuckersüß. "Pass auf!"
Und im nächsten Moment hat er mich in den Schwitzkasten genommen.
Ich schreie, trete um mich und versuche verzweifelt, seinem Griff zu entkommen, doch es nutzt nichts.
"Und, gefällt dir das?", fragt mein Widersacher hämisch und seine umstehenden Kumpels lachen.
"Nun, wenn du das nicht nochmal erleben willst, solltest du dich benehmen.
Leg dich nicht mit uns an.
Wir mögen nämlich keine Neger!"Das Wort trifft mich härter als ein Faustschlag ins Gesicht.
Ich hatte so gehofft, es würde ausbleiben, doch natürlich musste es irgendwann kommen.
Ich krümme mich und versuche verzweifelt, die heißen Tränen, die in mir aufsteigen, zu unterdrücken.
Auf keinen Fall will ich mir vor den Typen die Blöße geben zu weinen.
Dann hätten sie nur erreicht, was sie wollen.
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September [ beendet ]
TeenfikceAus Kenia nach Amerika adoptiert, fühlt sich die 15-jährige September zunächst gar nicht wohl in ihrem neuen Zuhause: Außer ihrer Schwester kennt sie niemanden, zudem wird sie wegen ihrer Hautfarbe gehänselt. Weiteres Kopfzerbrechen bereitet ihr Leo...