"Mr Makoye, Mrs Makoye, es tut mir sehr leid, Ihnen sagen zu müssen, dass wir Ihnen nun nicht mehr helfen können."
Ein ersticktes Schluchzen.
"Können Sie ... können Sie wirklich gar nichts mehr tun?" Die heisere Stimme meines Vater klingt noch ein wenig hoffnungsvoll.
Doch der nächste Satz des Arztes macht diesen letzten Funken Hoffnung zunichte.
"Nein. AIDS verläuft in den meisten Fällen tödlich.
Es gibt teure Medikamente, die... die das Ganze noch ein bisschen hinauszögern können, aber für eine Heilung haben wir hier einfach nicht die Mittel.
Sie kamen spät.
Zu spät.
Wenn die Krankheit noch nicht so fortgeschritten wäre, hätten wir Sie vielleicht nach Europa oder Amerika fliegen lassen können, oder zumindest an einen Ort, wo es Mittel gegeben hätte.
Doch nun können wir Ihnen höchstens noch diese Medikamente geben, wenn Sie oder Angehörige bereit sind, das zu bezahlen."
"Aber was ist mit den Mädchen?", fragt meine Mutter mit tränenerstickter Stimme .
"Können wir sie noch einmal sehen?"
"Sie sind hier. Sie dürfen sich gleich verabschieden.
Aber bitte, so hart das klingen mag, vermeiden Sie jeglichen Körperkontakt.
Sie wollen doch nicht, dass sie auch krank werden und sterben, oder?"Sterben.
Dieses Wort brennt sich in mein Gehirn.
Ich brauche ein bisschen, bis ich die Ausmaße dieses einzigen kleinen Wortes erfasst habe.
Bald werden Mum und Dad nicht mehr bei uns sein.
Sie werden uns nicht mehr im Arm halten, sie werden uns nicht mehr Gute Nacht sagen, sie werden gar nicht mehr mit uns reden.
Sie werden weg sein.
Für immer.Ein Schluchzen entfährt meiner Kehle und schnell werde ich von der angelehnten Krankenzimmertür weggerissen.
Geistesgegenwärtig zieht Mia mich um die nächste Ecke und legt mir den Finger auf den Mund.
"Leise!", flüstert sie eindringlich.
"Du willst doch nicht, dass man uns erwischt."
Doch auch in ihren Augen kann ich das verräterische Glitzern von Tränen entdecken.Dann werden wir von einer Arzthelferin aufgerufen:
"Die Töchter von Taio und Jua Makoye bitte ins Zimmer Fünfzehn."
Wir setzen uns in Bewegung und begeben uns auf den schwierigsten Weg unseres Lebens.
Dabei ahnt man das gar nicht, in diesem sauberen destillierten Krankenhausflur in Marsabit City.
Was für eine Ironie.
Das Leben unserer Eltern soll dort enden, wo das unsere begonnen hat.Die grüne Neonlampe über der Tür zu Nummer Fünfzehn flackert und als wir den Raum betreten, geht sie aus.
"Wie das Leben unserer Eltern bald", denke ich bitter und erneut treten mir die Tränen in die Augen.
Wütend wische ich sie weg.
Dieses letzte Mal will ich stark sein vor meinen Eltern.
Dieses letzte Mal werde ich nicht weinen.
Ich möchte es ihnen nicht noch schwerer machen.
Doch als ich unsere Eltern in dem weißen Doppelbett sehe, in das sie verlegt worden waren - jetzt ist es ja egal! -, ist es um meine Fassung geschehen und ich fange an, haltlos zu weinen.
Sie sehen so klein und verletzlich aus unter den sauberen Decken,
mit Hautausschlägen und von der Krankheit geschwächt.Aus müden, und dennoch wunderschönen dunklen Augen sieht meine Mutter mich an.
"Ich will nicht, dass ihr geht", schluchze ich.
"Lasst uns nicht alleine!"
"Schhh, September. Schhh.
Wir lassen euch nicht alleine.
Zumindest jetzt noch nicht."
Doch ich kann mich nicht beruhigen.
"September!", sagt mein Vater nun laut.
Was?
Er ist doch viel zu schwach, um seine Stimme zu erheben!
"September!", ruft da auf einmal eine Stimme von hinter mir, die wie eine Mischung aus Leo, Connor und Harry klingt.
Ich wirbele herum, doch da ist niemand.
"SEPTEMBER!"
Jetzt ist es ganz eindeutig Harrys Stimme.
Plötzlich werde ich gerüttelt ...
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September [ beendet ]
Teen FictionAus Kenia nach Amerika adoptiert, fühlt sich die 15-jährige September zunächst gar nicht wohl in ihrem neuen Zuhause: Außer ihrer Schwester kennt sie niemanden, zudem wird sie wegen ihrer Hautfarbe gehänselt. Weiteres Kopfzerbrechen bereitet ihr Leo...