"September?", fragt die mir gänzlich unbekannte Stimme erneut, als ich nicht antworte.
"Ich weiß, dass du da drin bist!"
Ich wage kaum zu atmen.
Wie kann das sein?
Wer ist das?
Und woher weiß er meinen Namen?
Eine hoffnungsvollen Moment lang hatte ich gedacht, es wäre Leo, der kommt, um mir zu helfen.
Doch natürlich ist er es nicht.
Das wäre auch zu schön gewesen.Was soll ich denn jetzt machen?
"Weißt du, ich kenne dieses Gefühl auch", fährt der Unbekannte fort.
"Und Mattew ist echt ein Arschloch.
Aber es geht weiter.
Du musst weitermachen.
Du kannst dich nicht ab jetzt jede Pause auf dem Klo verstecken."
Warum nicht?, möchte ich am liebsten schreien.
Einen Moment lang hatte ich das tatsächlich erwogen, denn aufs Mädchenklo kommen keine Jungs, die mich niedermachen oder in den Schwitzkasten nehmen.
Doch natürlich geht das nicht.
Und selbst wenn mich keiner erwischen würde, würden meine Piesacker mich auch wann anders finden als in der Pause."Ich war auch mal neu. Und mir ging es genauso wie dir: Ich wurde geärgert und verspottet, wegen ... nun ja ... wegen einer Sache, die mich von ihnen unterscheidet.
Bei dir ist das eben die Hautfarbe.
Das kennen sie nicht, deshalb sind sie verunsichert.
Und manche Idioten reagieren dann halt so wie Mattew oder Mike."
Also hat er das gestern auch mitbekommen.
Ich vergrabe das Gesicht in meinen Händen.
Eine kurze Pause folgt.
Dann fragt der Junge vorsichtig:
"Kommst du? Wir sind spät dran für Physik.
Ich hab auch extra drauf geachtet, dass niemand mehr auf dem Gang ist.
Wenn du rauskommst, kann ich auch nochmal schauen, ob die Luft rein ist.
Also, was ist, kommst du?"
"Und was ist, wenn du nur so tust, als wolltest du mir helfen?
Wenn du in Wahrheit ein genauso großer Idiot bist wie die anderen?
Warum sollte ich dir vertrauen?
Ich weiß noch nicht mal, wer du bist."
Dieses Gespräch ist äußerst seltsam.
Ich meine, wir unterhalten uns durch eine Toilettentür hindurch...
Aber ich komme erst raus, wenn ich ganz sicher bin, dass er mich nicht in einen Hinterhalt lockt."Also, wer bist du?" frage ich fordernd.
"Ich bin Connor Weltinghouse.
Falls du dich nicht erinnerst:
Ich bin in deiner Klasse.
Groß, auffällige feuerrote Haare, viel zu viele Sommersprossen, Himmelfahrtsnase...
Macht's langsam klick bei dir?"
Connor Weltinghouse...
"Ach ja!", rutscht es mir raus.
"Du warst der, der letzte Woche zu Mrs Ludmill gesagt hat, sie solle doch mal scharf nachdenken und sich dabei am Kopf kratzen, vielleicht würde sie ihre Brille dann finden."
Ich gluckse.
Wie Mrs Ludmill geguckt hat...
"Ja, genau der bin ich."
Connor lacht leise.
"Und wirklich, ich schwöre bei ... bei der Leo - Brille meiner verrückten Kunstlehrerin, dass ich auf keinen Fall vorhabe, dich in eine Falle zu locken.
Denn, wie gesagt, ich kenne dieses Gefühl.
Und es ist ein Scheiß-Gefühl."
"Ja", sage ich andächtig, eher zu mir selbst,
froh, jemanden gefunden zu haben, der mich versteht.
"Na dann, komm raus, wenn du dich traust!", ruft Connor mit tiefer verstellter Stimme und klingt dabei wie ein Kämpfer, der seinen Gegner herausfordert.
Ich kichere.
Und öffne den Riegel.Zwei Sekunden später bemerke ich die Veränderung:
Ich habe gekichert.
Ich habe tatsächlich gekichert.
Doch als ich die Person ansehe, die mich das erste Mal seit Langem dazu gebracht hat zu kichern, ist mir das gerade recht.
Denn Connor ist einfach Einer, über den man kichern muss, das sehe ich auf den ersten Blick.
Er sieht so nett und lustig aus mit seinem hellroten Haar und dem spitzbübischen Blick, dass man ihn sofort gernhat, ohne ihn näher zu kennen.
"Du bist also September", sagt er nun und legt den Kopf ein bisschen schief, als er mich neugierig ansieht.
"Jetzt aber los, wir wollen doch nicht noch größeren Ärger bekommen."
"Aber du, du guckst doch nochmal, od...?", frage ich unsicher, da hat Connor schon die Tür geöffnet und späht vorsichtig nach rechts und links.
Dann bedeutet er mir mit einem Wink, ihm zu folgen.
"Komm schnell, die Luft ist rein!"
Das lasse ich mir nicht zweimal sagen, ich bin so froh, endlich diesem stinkenden Ort zu entkommen.
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September [ beendet ]
Fiksi RemajaAus Kenia nach Amerika adoptiert, fühlt sich die 15-jährige September zunächst gar nicht wohl in ihrem neuen Zuhause: Außer ihrer Schwester kennt sie niemanden, zudem wird sie wegen ihrer Hautfarbe gehänselt. Weiteres Kopfzerbrechen bereitet ihr Leo...