Kapitel 6 - Blut ist dicker als Wasser

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Hicks schaute in den grauen, verhangenen Himmel. Plötzlich sah er einen schwarzen, rasch näher kommenden Punkt.
,,Da kommt er",sagte der junge Wikinger und drehte sich zu Jason um. Dieser hatte Heidrun auf seinem Arm und beobachtete, wie sich Ohnezahn näherte. Denn Hicks hatte mit einem Drachenruf seinen Nachtschatten gerufen, um Heidrun sicher zu Gothi transportieren zu können.
Nachdem Jason ihm in der Höhle gesagt hatte, er wüsste wie man die Schatulle öffnete, da hatte sich Hicks entschlossen ihn vorerst mit nach Berk zu nehmen.
Die Tatsache, dass er Heidrun nicht umgebracht hatte, reichte bei Weitem zwar nicht aus um sein Vertrauen zurückzubekommen, aber es zeigte wenigstens den Ansatz einer guten Absicht bei Jasons bisherigen Handlungen.
Ohnezahn landete und Hicks begrüßte ihn.
,,Na Kumpel"
Als der Nachtschatten jedoch Jason sah, fing er an zu knurren und entblößte seine Zähne.
,,Hey alles gut Ohnezahn. Er kommt vorerst mit uns"
Der Drache beruhigte sich etwas und Hicks stieg auf seinen Rücken.
Jason gab Heidrun an Hicks weiter, welcher sie vorsichtig vor sich auf den Sattel legte, sodass sie während des Flugs nicht herunterfallen würde. Einen kurzen Moment überlegte er, ob er Jason nicht doch hier lassen sollte. Dieser schien sein Zögern zu bemerken.
,,Wenn du Viggo besiegen willst, musst du mir vertrauen Hicks", sagte der blonde Wikinger und zog eine Augenbraue hoch.
Ohne ein Wort streckte Hicks seine Hand aus und zog ihn hinter sich auf Ohnezahn. Als sie jedoch abhoben murmelte er, so das es auch Jason verstand: ,,Momentan vertraue ich niemanden"
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Den Flug über sprachen die beiden kein Wort miteinander. Hicks hing seinen Gedanken nach, stur schaute er geradeaus, sein Gehör blieb aber trotzdem aufmerksam was Jason anging.
Sein Blick wandte sich erst von der frostigen Umgebung ab, als sich Heidrun in seinen Armen regte. Er blickte nach unten und sah, wie sie langsam zu sich kam.
,,Wir sind gleich da",sprach Hicks, der in der Ferne bereits Rauch aufsteigen sah. Heidruns Lider flatterten immer wieder, doch sie schien zu wenig Kraft zu haben, sie endgültig zu öffnen.
,,Lande dort Ohnezahn, da sind die anderen",sagte Hicks, sobald er die anderen Reiter unweit des Dorfplatzes erspäht hatte.
Ohnezahn gab einen zustimmenden Laut von sich und landete einige Sekunden später neben Sturmpfeil und Fleischklops.
,,Hicks",rief Astrid und kam auf ihn zu, die anderen folgten ihr. Als sie Heidrun in seinen Armen sahen, blieben sie wie angewurzelt stehen.
,,Heidrun!",riefen Fischbein und Dagur gleichzeitig und rannten auf den Körper der schwarzhaarigen Wikingerin zu, deren Augen zwar geöffnet waren, ihr Bewusstsein jedoch noch nicht auf der Höhe der Ereignisse schien.
,,Ich bring sie zu Gothi",sagte Fischbein sofort und stieg mit ihr auf Fleischklops, die hastig davonflatterte.
In der Zwischenzeit hatten alle jedoch Jason gesehen und sofort versteinerten sich ihre Gesichter.
,,Was macht der hier?",zischte Dagur mit sehr gefährlich klingender Stimme und umfasste augenblicklich den Knauf seines Schwertes. 
Nach einer kurzen Sekunde der Stille, in der Hicks scharf nachzudenken schien, sagte er: ,,Ich hab ihn mit hergenommen. Er hat Heidrun nicht umgebracht, er wollte es nur so aussehen lassen. In Wahrheit hat er sie vor Viggo gerettet",erklärte er.
,,Und das glaubst du ihm?",fragte Astrid entsetzt, während Hicks, sowohl auch Jason, von Ohnezahns Rücken glitten.
Hicks nickte einmal kurz.
Ungläubig schüttelte Dagur den Kopf und wollte zum Protest ansetzen, doch Jason kam ihm zuvor, indem er erklärte: ,,Heidrun ist mir nicht egal, ich kenne sie von früher, das ist der einzige Grund wieso ich das gemacht habe"
Daraufhin klappten den meisten der Mund runter. ,,Das hat sie mir nie erzählt",sagte Dagur sofort.
,,Das mag gut sein, Heidrun erzählt nicht gern von ihrer Vergangenheit",sagte Jason fast sofort.
,,Und du willst, dass wir dir jetzt einfach so deswegen vertrauen?",fragte Rotzbacke sarkastisch.
,,Naja den Grund wieso ihr das tun solltet, hat Hicks euch ja schon genannt",antwortete der blonde Wikinger.
,,Mhh lass mich mal überlegen, ob ich dir noch vertrauen kann...",meinte Rortbacke grübelnd. ,,Du hast Hicks entführt, unser Dorf vergiftet, Heidrun fast getötet...soll ich weiter machen?"
Jason meinte dazu nur: ,,Viggo ist mein älterer Bruder. Ich tat was er sagte"
,,Jeder hat eine Wahl etwas zu tun oder etwas zu lassen. Du kannst mir erzählen was du willst, du bist trotzdem böse",sagte Astrid zu Jason gewandt.
Dieser lachte. ,,Böse ist realtiv. Schwarz und weiß können so leicht zu grau werden"
,,Das hat Viggo auch immer gesagt",murmelte Hicks kaum hörbar.
Jason fuhr fort: ,,Es kommt nicht darauf an, ob du Gut oder Böse bist Astrid, es kommt auf deine Handlung an und ob du damit am Ende Gutes oder Böses bewirkst. Das war eine der wenigen sinnvollen Dinge, die ich von meinem Bruder gelernt habe"
Einigermaßen verblüfft schauten die Reiter ihn an.
Astrid fing sich jedoch schnell und drehte sich zu Hicks um und zog ihn ein bisschen von den anderen weg.
,,Da haben wir doch den offensichtlichen Beweis Hicks, er ist schließlich immer noch Viggos und Rykers Bruder" Sie drehte sich zu Jason um und fixierte ihn mit zusammengekniffenen Augen.
,,Blut ist dicker als Wasser, da kann er sagen was er will"
Hicks zog Astrid noch ein Stück weiter von den Anderen weg. ,,Hör zu, mir gefällt es auch nicht, aber er weiß, wie man die Schatulle öffnet und damit kann ich dann Viggo besiegen"
,,Ha und was, wenn das nur wieder ein Plan Viggos ist? Vielleicht ist irgendwas Gefährliches in der Schatulle und Jason soll dir nur helfen, damit dich der Inhalt erledigt, was auch immer es sein mag. Und dann nimmt er das Drachenauge und spaziert zu seinen Brüdern zurück",zischte Astrid.
Hicks seufzte: ,,Astrid vertrau mir einfach. Ich weiß, was ich diesmal tue, ehrlich, es wird nicht wie das letzte mal laufen. Viggo will mit mir spielen, das wollte er schon die ganze Zeit, doch mein Fehler war, dass ich mich bisher geweigert habe zu spielen, er zwang mich eher, ich wurde durch seine geschaffenen Situationen dazu genötigt. Doch das wird sich jetzt ändern. Ich muss nur schlauer sein und seine Pläne hinterdenken. Dieses Mal werde ich mit ihm spielen und er wird es nicht mal merken. Alles was du dazu machen musst, ist mir zu Vertrauen"
Astrid Miene verhärtete sich kaum merklich und sie sagte mit gedämpfter Stimme: ,,Du willst, dass ich dir vertraue, dabei lügst du mich immer und immer wieder an oder verschweigst mir Sachen. Wie kann ich dir vertrauen, wenn du mir nicht vertraust?"
Hicks hörte den anklagenen, aber vor allen traurigen Ton in ihrer Stimme.
Bevor er wusste was er tat, hatte er sich zu ihr hinuntergebeut und küsste sie.
,,Astrid",flüsterte er, als er sich von ihr löste. ,,Du bist einer der wichtigsten Menschen in meinem Leben. Auch wenn meine Handlungen vielleicht nicht nachvollziehbar sind, weißt du genau wieso ich das mache. Weil Viggo besiegt werden muss. Und so ein Kampf geht manchmal nur allein"
Er schaute sie an und schließlich nickte die blonde Wikingerin, vielleicht mit dem Hauch eines Widerwillens, doch sie sagte leise: ,,Manche Dinge gehen nicht allein Hicks. Denk immer daran, wir sind da. Also wenn du jemanden brauchst, meine Axt steht dir stets zur Verfügung"
,,Danke",antwortete Hicks und umarmte sie. Er legte sein Kinn auf Astrids Kopf und er hätte schwören können, sie leise seufzen gehört zu haben. Sie machte sich sorgen. Doch Viggo ging über Leichen, das hatte Hicks nun endgültig verstanden.
Der Anführer der Drachenjäger mochte es Spiel nennen, doch im Spiel sowie im Krieg wurden Spielzüge getan und Spieler geopfert. Letztlich machte Viggo keinen Unterschied daraus. Hicks wusste nur eins: Astrid, sein Vater oder seine Freunde würden nicht einer der nächsten geopferten Spieler sein.
Er tat es alleine, aber er wusste es war besser so.
Doch vorerst musste er jetzt seinen nächsten Spielzug machen. Er musste mit Jasons Hilfe die Schatulle öffnen.

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