Sehnsucht

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"Babe, ich bin zuhause!"
Meine Lippen verziehen sich automatisch zu einem breiten Lächeln, als die vertraute Stimme durch die Wohnung schallt. Ich habe nicht einmal mehr Zeit mich umzudrehen, als sich bereits zwei starke Arme um meine Taille schlingen und sanfte Lippen mich auf die Wange küssen.
"Hallo, Fremde", erwidere ich und schließe vertrauensvoll die Augen, während die weichen Lippen von meiner Wange zu meinem Hals hinunter wandern. Meine Hände umschließen dabei fest ihre, die bereits gefährlich nah an den Bund meiner Hose gewandert sind.
"Ich habe dich vermisst.", ihre Worte sind nur ein Flüstern an meinem Ohr, aber ich kann nicht anders und drehe mich blitzschnell in ihrer Umarmung um.
Blaue Augen empfangen mich, die mich mit so einer Intensität anstrahlen, dass meine Beine wackelig werden. Die roten Lippen sind einen Spalt breit geöffnet und verharren nur Zentimeter vor meinen eigenen. Ein paar lose Strähnen hängen ihr in die perfekte Stirn und lassen das sowieso schon attraktive Gesicht nur noch anziehender wirken.
Ohne es verhindern zu können, lege ich meine Hände an ihre Wangen und fahre mit dem Daumen zärtlich über ihre weichen Lippen. Lippen die mir so unendlich vertraut sind.
"Ich habe dich auch vermisst", flüstere ich zurück, bevor ich sie an mich ziehe und-

Schweißgebadet sitze ich aufrecht im Bett und atme hektisch ein und aus. Meine Lungen ringen verzweifelt um Luft, mein Herz klopft wie wild und mein ganzer Körper zittert unkontrolliert.
"Bitte, lass mich doch endlich in Ruhe", presse ich zwischen zusammengekniffenen Lippen hervor, aber es ist bereits zu spät. Die Tränen schießen in meine Augen und rinnen über meine Wange, auch wenn ich verzweifelt versuche sie zurückzuhalten. Mein Herz beginnt sich schmerzhaft zusammenzuziehen und mit einem letzten Blick auf den schlafenden Tom neben mir, stolpere ich halb blind aus dem Schlafzimmer und hinüber in das angrenzende Badezimmer. Mit zitternden Fingern schließe ich die Tür hinter mir zu und entledige mich meiner Klamotten, die als unordentlicher Haufen auf dem Boden zurückbleiben.
Ich weiß genau, dass ich nicht tun sollte, was ich gerade vorhabe aber die Sehnsucht und der Schmerz in mir sind zu groß. Zu groß, um vernünftig zu sein. Zu groß, um mich zu beherrschen. Und obwohl ich weiß, dass ich es in ein paar Minuten bereuen werde, steige ich in die warme Dusche und lasse das heiße Wasser auf meine Schultern prasseln. Ich atme noch einmal zitternd ein und aus, dann schließe ich die Augen und rufe mir den Traum in Erinnerung, der mich schon seit 4 Jahren regelmäßig aus dem Schlaf reißt.
Ich sehe wieder ihr makelloses Gesicht mit den liebevollen Augen vor mir. Ich spüre ihre schlanken Hände auf meiner Hüfte und den sanften Druck, den sie dort ausüben. Doch in meinen Gedanken verändert sich der Traum und statt in der Küche zu enden, geht er weiter bis ins Schlafzimmer. Die Tür fällt hinter uns zu und dann gibt es kein Halten mehr. Ihre Lippen sind überall, ihre Hände scheinen mich an jeder Stelle meines Körpers gleichzeitig zu berühren und ihre jetzt hellblauen Augen brennen sich tief in meine.
Das ist der Punkt, an dem ich ihre Hände in meinen Gedanken durch meine eigenen ersetze. Das Wasser, das meine Haut hinab rinnt, wird zu ihren hungrigen Küssen auf meinem Körper und obwohl mein Verstand mich anschreit, mich anfleht es nicht zu tun, übernimmt mein Verlangen die Gewalt über meine Muskeln und meine Gedanken und lässt mich schließlich  nur noch einen Namen keuchen.
"Ash...-"
Ich beiße mir fest in die Hand, um nicht zu laut zu sein, nicht dem Druck in mir nachzugeben. Ich weiß nicht wie, aber irgendwie schaffe ich es zu schweigen und mit dem letzten Erzittern meines Körpers verschwinden auch die Fantasien in meinem Kopf. Stattdessen fließen die Tränen nur noch heftiger, denn da sind keine beschützenden Arme, die mich in eine liebevolle Umarmung ziehen, es gibt keine sanften Finger, die mir zärtlich einzelne Strähnen aus der Stirn streichen und da ist keine warme Haut, über die ich meine eigenen Finger tanzen lassen kann.
"Was hast du mit mir gemacht", flüstere ich und schlinge meine eigenen  Arme tröstend um meinen zitternden Oberkörper, auch wenn das warme Wasser weiterhin über mich fließt und versucht mich zu wärmen, das Zittern bleibt. So wie jedes Mal.
Nach ein paar Minuten, die auch Stunden hätten sein können, stelle ich die Dusche ab und wickle mich in eines der großen Handtücher. Dabei versuche ich mit aller Macht zu ignorieren, dass sie nicht nach der Person riechen, die ich jetzt am meisten bräuchte.
Ein leises Klopfen an der Tür lässt mich erschrocken zusammenfahren.
"Liz?"
Es ist Toms verschlafene Stimme.
"Geht's dir gut? Ist alles in Ordnung?"
Am liebsten hätte ich nichts gesagt, aber ich zwinge mich meine Stimme halbwegs normal klingen zu lassen und rufe zurück.
"Alles okay, leg dich wieder schlafen. Ich musste kurz duschen, mir war warm."
Er scheint diese Lüge zu glauben, denn ich höre nur ein zustimmendes Brummen und anschließend Schritte die sich entfernen.
Ich seufze, doch bevor ich erleichtert über seine Reaktion sein kann, schiebt sich erneut eine Szene vor mein inneres Auge.
"Liz?"
Es pocht leise an der Tür.
"Babe, darf ich reinkommen?"
Es ist drei Uhr morgens und ich sitze zitternd vor Angst und Kälte auf dem Rand der Badewanne.
Ich habe die Tür nicht abgeschlossen, keiner von uns schließt irgendwo ab und deswegen dauert es keine zwei Sekunden, bis eine besorgte junge Frau vor mir kniet.
"Hey, Baby, was ist passiert?"
Ich will ihr antworten, will ihr sagen dass ich einen Albtraum hatte, aber ich kann es nicht. Das einzige was ich will ist ihre Nähe und das scheint sie zu spüren.
"Komm her zu mir."
Ich finde mich an ihre Brust gekuschelt wieder, meine Arme sind um ihre Hüfte geschlungen und meine Beine auf ihrem Schoß.
"Tut mir leid. Ich wollte dich nicht wecken", murmle ich und sehe schuldbewusst in die vor Sorge dunkel gewordenen Augen hinauf.
"Schhh, alles gut, das muss dir nicht leid tun. Ich bin für dich da, Liz, die ganze Nacht wenn es dir dann besser geht. Ich liebe dich."
Ein mattes Lächeln huscht über meine Lippen, als sie mich sanft auf die Stirn küsst.
"Ich liebe dich mehr.Danke, dass du gekommen bist."
Sie lächelt nur ihr schiefes Lächeln.
"Immer."
Sie ist geblieben, Tom ist gegangen. Sie hat mich getröstet, aber Tom habe ich wieder weggeschickt. Mit ihr habe ich die ganze restliche Nacht gekuschelt und bei ihm werde ich mich wegdrehen und alleine liegen.
Und plötzlich fühle ich mich schuldig. Schuldig, weil ich Tom immer mit ihr vergleichen werde, egal was er tut und was er nicht tut. Er kann niemals sie sein aber vielleicht ist es genau das, was ich mir wünsche. Aber das ist egoistisch. Und es ist unmöglich.
Den Rest der Nacht verbringe ich alleine auf Toms Couch, die Arme um meine Beine geschlungen, den Kopf auf meinen Knien. Ich weiß, dass ich morgen schrecklich aussehen werde aber es ist Sonntag und ich muss nicht zur Schule. Genauso wenig wie Tom und Chloe.
Aber ich sehe schon das skeptische Gesicht meiner besten Freundin vor mir und ihre Worte klingen mir immer noch in meinen Ohren.
Vergiss sie endlich. Es ist Jahre her. Vergiss sie.
Aber das kann ich nicht.

With you everything changed-againWo Geschichten leben. Entdecke jetzt