Freunde

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Ashlee
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"Wie meinst du das?"
Ich ziehe irritiert die Augenbraue nach oben, Liz sieht mich unsicher an.
"Können...können wir nicht immer noch Freunde bleiben?"
In meinem Kopf beginnen die verschiedensten Stimmen auf mich einzureden, jede versucht die andere zu übertönen und ich verstehe kein Wort mehr. Freunde?
"Ich meine, der Abend war doch wirklich schön, oder?", setzt Liz nach, weil ich noch immer nicht geantwortet habe. Ihre grünen Augen sehen mich weiterhin unsicher an, sie hat ihre Hände nervös in ihrer Jacke gesteckt. Und mein Herz beginnt schmerzhaft zu ziehen.
Was habe ich für eine Wahl? Ihr diesen Wunsch abschlagen, nur weil ich es nicht ertragen kann, sie mit Tom zu sehen? Nein, das halte ich aus. Wenn es sie glücklich macht, dann werde ich das. Auch wenn ich wahrscheinlich selbst daran kaputt gehen werde. Aber ich stecke sowieso schon wieder zu tief in der Scheiße. Ich bin schon viel zu sehr verliebt.
"Er war wundervoll. Und Freunde klingt gut."
Ich schmunzle Liz zu und mein Herz fängt an zu hüpfen, als sie zu lächeln beginnt. Es ist dasselbe Lächeln wie früher. Genauso strahlend und glücklich. Und ich habe bereits damals alles getan, damit ich es immer wieder sehe.
"Darf ich dich dann nachhause bringen?", frage ich vorsichtig und rechne eigentlich damit, dass Liz ablehnt, entweder weil sie selbst mit dem Auto da ist oder weil sie es nicht will, aber zu meiner Überraschung stimmt sie zu.
"Gerne, danke."
Ich nicke und halte ihr höflich die Tür der Bar auf, damit wir sie gemeinsam verlassen können. Die kalte Nachtluft empfängt uns und die Sterne strahlen bereits hell am Himmel. Sogar der Mond lugt vorsichtig durch die Zweige eines hohen Baums hindurch.
"Bist du zu Fuß hier?", frage ich sicherheitshalber noch einmal nach, nicht dass Liz dann morgen doch ihr Auto von hier holen muss.
"Ja, Tom hat das Auto gebraucht. Außerdem ist es nicht so weit", antwortet sie sanft und lächelt wieder. Ich erwidere dieses Lächeln.
"Dann hast du jetzt die Wahl. Entweder ich fahre dich, oder wir gehen gemeinsam. Es sei denn du möchtest Tom anrufen, dass er dich abholt?", biete ich ihr freundlich an, denn ich möchte auf keinen Fall, dass sie sich gezwungen fühlt in meiner Nähe zu sein, auch wenn sie bereits zugestimmt hat.
"Nein. Aber ich fände Laufen nicht schlecht, die Nacht ist so schön."
Ich nehme ihre Antwort ohne Widerrede hin, aber mir ist ihr energischer Ton bei der Erwähnung von ihrem Freund nicht entgangen. Ich vermute, dass er keine Ahnung von unserem Treffen hat und das lässt mich innerlich schmunzeln.
"Ganz wie du willst. Hauptsache du bist nicht alleine", sage ich, als wir gemeinsam loslaufen. Liz dreht sich zu mir und grinst.
"Also immer noch der Beschützer?"
Ich lache kurz auf.
"Das war ich doch schon immer."
"Mhh, ja das warst du immer."
Eine angenehme Stille entsteht zwischen uns, während wir nebeneinander die dunklen Straßen entlanglaufen. Und wieder genieße ich die unmittelbare Nähe zu Liz, allerdings achte ich darauf, sie auf keinen Fall zu berühren. Auch wenn alleine der Gedanke wieder ihre Hand zu halten, so wie vorhin in der Bar, kleine Stromstöße durch meinen Körper jagt. Und ich beginne mich zu fragen, wie ich es 4 Jahre ohne sie ausgehalten habe. Und wie ich es den Rest meines Lebens aushalten soll.
"Wie geht es deiner Familie eigentlich?", frage ich schließlich nach ein paar Minuten, die wir schweigend verbracht haben.
"Zum Glück gut. Ach und Marie hat übrigens vor zwei Jahren ein Baby bekommen. Sein Name ist Luca."
Ich sehe Liz überrascht an, sie blickt fragend zurück.
"Und das sagst du erst jetzt? Herzlichen Glückwunsch! Dann bist du also eine Tante."
Liz grinst nur, ihre Augen funkeln.
"Patentante um genau zu sein. Aber Tante ist ein schreckliches Wort, ich sehe immer nur meine eigene Tante vor mir und die ist uralt."
Sie verzieht angewidert das Gesicht und schüttelt den Kopf, ich beginne zu lachen.
"Von uralt bist du weit entfernt Liz. Du bist noch nicht einmal dreißig", versuche ich sie zu trösten, aber sie winkt nur ab.
"Und du bist dreiundzwanzig. Da hat man noch leicht reden."
Ich schmunzle und streiche mir eine widerspenstige Strähne hinter mein Ohr.
"Geistig bin ich schon mindestens fünfunddreißig. Also weiß ich wovon ich rede."
Ich sehe wie Liz nur den Kopf schüttelt, aber sie lächelt dabei. Dann tut sie etwas, was mich sehr überrascht. Sie legt beide Hände auf meine Schultern und dreht mich zu sich um. Mein Herz beginnt schneller zu schlagen.
"Ob dus glaubt oder nicht, für mich warst du nie jünger. Jedenfalls nicht vom Kopf her. Du warst schon immer sehr reif für dein Alter."
Ich schlucke hart, als mir ihre Nähe bewusst wird, ihre Lippen die nur einen Schritt von mir entfernt sind. Und auch ihr scheint das aufgefallen zu sein, denn Liz macht plötzlich einen Schritt zurück und ihre Hände verlassen meinen Körper.
"Danke", sage ich leise, doch sie nickt nur. Ich will weitergehen, aber Liz bleibt stehen. Ich drehe mich erstaunt zu ihr um.
"Ich wohne jetzt bei Tom", ist ihre Antwort auf meinen irritierten Blick.
"Natürlich", erwidere ich freundlich, in meinem Herz allerdings sticht es gewaltig. Aber was habe ich anderes erwartet? Liz und ich haben auch zusammen gelebt, als wir noch ein Paar waren. Und jetzt wohnt sie eben bei Tom.
"Dann wünsche ich dir eine gute Nacht", sage ich sanft und schiebe meine inzwischen kalt gewordenen Hände in meine Jackentaschen.
"Die wünsche ich dir auch", antwortet Liz, dabei kramt sie allerdings in der Innentasche ihrer eigenen Jacke herum. Ich sehe ihr verwundert dabei zu.
"Hand her!"
Liz hält einen Kugelschreiber in der Hand und bevor ich reagieren kann, zieht sie meinen Arm zu sich und schiebt den Ärmel meiner Jacke nach oben. Ihre Berührung kribbelt auf meiner Haut.
"Was tust du da?", frage ich vorsichtig, ich spüre dass sich die Miene des Stiftes auf meinem Unterarm bewegt.
"Ich schreibe dir meine Nummer auf. Wir sind Freunde, schon vergessen?"
Ich schmunzle bloß während ich die Zahlen auf meiner Haut betrachte. Eine neue Nummer.
"Schlau. Dann weiß ich ja, wie ich dich erreichen kann."
Sie nickt nur lächelnd und lässt mein Handgelenk wieder los. Sofort vermisse ich ihre Nähe.
"Schlaf gut Ash."
Und damit dreht sich Liz um und lässt mich alleine in der dunkeln Nacht zurück. Als sie sich an der Haustür noch einmal zu mir umdreht, bin ich schon längst in der Dunkelheit verschwunden. Mit einem leichten Lächeln auf den Lippen.

With you everything changed-againWo Geschichten leben. Entdecke jetzt