Je näher wir Ashlees Haus kommen, desto stiller wird es im Auto.
Ashlee scheint zu merken, dass ich jetzt erst einmal Zeit für mich und zum Nachdenken brauche, darum bemüht sie sich auch nicht, unsere Unterhaltung am Laufen zu halten. Sie gibt mir Ruhe und Freiraum und dafür bin ich ihr sehr dankbar.
Wenig später rollen wir auch schon die breite Einfahrt der Villa hinauf und Ashlee parkt mein Auto neben ihrem eigenen in der Garage. Schweigend steigen wir aus, nehmen mein Gepäck aus dem Kofferraum und laufen nebeneinander zur Haustür, die Ashlee kinderleicht mit dem Abdruck ihres Fingers öffnet.
"Du kannst in einem der Gästezimmer schlafen. Zweiter Stock, das letze Zimmer auf dem Gang. Falls du noch irgendetwas brauchst, sag mir einfach Bescheid, es sollte aber alles da sein", sagt sie ruhig, während wir beide aus unseren Schuhen schlüpfen und ich meine Jacke ablege.
"Danke", erwidere ich leise und greife nur nach meinem Rucksack, in den ich vorhin eilig meine Klamotten gestopft habe, den Rest lasse ich im Flur stehen. Ich bleibe ja sowieso nur eine Nacht hier.
Ashlee lächelt mir nur zu, dann wendet sie sich ab und verschwindet im nur dunkel erleuchteten Wohnzimmer. Kurz darauf höre ich wie der Fernseher eingeschaltet wird.
Also steige ich leise mit meinem Rucksack über der Schulter die Treppen hoch und komme dabei nicht umhin, die äußerst geschmackvolle aber auch teure Einrichtung zu bewundern. Wunderschöne Bilder von namhaften Künstlern schmücken die weißen Wände solange, bis diese letztendlich in einer eleganten Glasfront enden, die bei Tageslicht einen eindrucksvollen Ausblick über das ganze Anwesen bietet. Jetzt bei Nacht sehe ich allerdings nur den blau schimmernden Pool und die kleinen, versteckten Lampen, die den Garten drum herum beleuchten.
Ashlee muss ein Vermögen für dieses Haus ausgegeben haben und ich frage mich wirklich, welchen Job sie haben muss, dass sie sich so etwas bereits in jungen Jahren leisten kann.
Vorerst muss ich mich allerdings ohne eine Antwort zufrieden geben, denn mittlerweile hat die Müdigkeit vollständig von mir Besitz ergriffen und so laufe ich schnell auf die letzte Tür des Ganges zu und öffne sie.
Was mich dahinter erwartet, ist nicht weniger beeindruckend als der Rest der Villa. Ein großes Doppelbett steht in der Mitte des Raumes, dazu noch ein riesiger Schrank und sogar ein eigenes, geräumiges Bad grenzt an dieses Zimmer an.
Kopfschüttelnd öffne ich meinen Rucksack und beginne schon die ersten Teile herauszuziehen, stutze dann jedoch, als ich die großen Türen des Schrankes öffne und sich mir dessen Inhalt offenbart.
90 % der Fächer und Schubladen sind bereits mit allen erdenklichen Kleidungsstücken gefüllt, sowohl für Frauen als auch für Männer.
Ich schlucke hart und schließe die Türen lieber schnell wieder.
Hat Ashlee so oft Besuch über Nacht? Aber warum sollte dieser dann im Gästezimmer übernachten und nicht in ihrem Bett?
Ohne es verhindern zu können, beginnt es in meinem Herzen heftig zu stechen und ich horche verblüfft in mich hinein. Ist es etwa Eifersucht, die ich gerade spüre? Bin ich eifersüchtig auf die Menschen, die all die Zeit mit Ashlee das Bett geteilt haben?
Meine Hände ballen sich zu Fäusten. Und das ist wohl Antwort genug.
Grummelnd nehme ich eine kurzes Tshirt und Shorts aus meinem Rucksack und verschwinde damit im Badezimmer. Während ich mich fertig mache, betrachte ich nachdenklich mein Gesicht in dem riesigen Spiegel.
Kann ich ihr einen Vorwurf machen, dass sie mit anderen Frauen oder Männern geschlafen hat? Kann ich sie dafür verurteilen, dass sie sich jemand anderen gesucht hat? Dass sie ihr Leben weitergelebt hat?
Nein, das kann ich nicht und ich weiß es auch. Ich habe ja selbst zweimal mit Tom geschlafen.
Aber es tut trotzdem weh.
Es tut weh zu wissen, dass dieser Körper, den ich in und auswendig kenne und der so perfekt zu meinem eigenen passt wie kein anderer, eine Nacht lang jemand anderem gehört hat. Sich demjenigen hingegeben und genau das erlebt hat, was ich dachte, das es mein Leben lang nur noch zwischen Ash und mir passieren würde.
Aber wenn ich ehrlich bin, ist es ja auch meine Schuld, nicht ihre. Immerhin habe ich sie damals vertrieben.
Mit düsteren Gedanken im Hinterkopf, schlüpfe ich schließlich in das viel zu großen Bett und rolle mich dort zu einer Kugel zusammen.
Meine Gedanken beginnen wieder zu Tom zu schweifen und die Schuld steigt erneut in mir auf. Die Tatsache, dass es Tom gerade bestimmt auch nicht besser geht, macht es nur noch schlimmer.
Ich war so ungerecht zu ihm, obwohl er mir immer ein guter Freund war! Er wollte mit mir nur ein gemeinsames Leben aufbauen und ich habe ihm Hoffnung auf eine Zukunft gemacht, von der ich immer wusste, dass ich sie nicht mit ihm verbringen würde. Denn wenn ich ehrlich bin, war mir immer klar, zu wem ich gehöre. Und trotzdem habe ich ihn verletzt. Weil ich so verdammt egoistisch war.
Zutiefst verbittert über mich selbst, schließe ich schließlich die Augen und lasse den Tränen freien Lauf, solange bis es um mich herum dunkel wird.
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Nur wenige Stunden später, schrecke ich jedoch schwer atmend aus dem Schlaf hoch.
Keuchend sitze ich aufrecht im Bett und zittere am ganzen Körper. Mein Puls rast und mein Herz klopft so schnell wie schon lange nicht mehr.
Ein Traum! Es war nur ein Traum...
"...nur ein Traum", flüstere ich und sehe wie zur Bestätigung auf die Finger meiner rechten Hand herunter.
Sie sind nackt.
Kein Ring ist zu sehen.
Ein raues Lachen entkommt meiner Kehle und ich stütze mein Gesicht in meine Hände.
Natürlich war es nur ein Traum!
Aber einer, von dem ich mir plötzlich wünschte, er würde wahr werden.
Auch wenn ich genau weiß, dass es mein schlechtes Gewissen war, das mich diesen Traum hat träumen lassen.
Das schlechte Gewissen, das sich immer eine Zukunft mit Ashlee vorgestellt hat, auch als ich noch neben Tom im Bett lag.
Das schlechte Gewissen, dass ich all die Jahre Tom gegenüber hatte und das jetzt nach der Trennung umso stärker geworden ist.
Aber dieses unglaubliche Gefühl, Ashlee vor mir knien zu sehen, mit geöffneter Schatulle in der Hand und der alles entscheidenden Frage auf den Lippen, lässt mich nicht die von meinem Gewissen gewünschte Reue spüren.
Auch wenn ich weiß, das ich es jetzt tun sollte, ich spüre nichts der gleichen. Denn ich will dieses Gefühl. Ich will es am liebsten jetzt sofort fühlen.
Aber leider bin ich von diesem Glück wohl noch tausende Meilen entfernt...
Seufzend lasse ich mich zurück in die Kissen fallen und versuche wieder einzuschlafen, doch die Gedanken an meinen Traum halten mich erbarmungslos wach und so entscheide ich mich schließlich, hinunter in die Küche zu gehen und mir etwas zu trinken zu holen.
Leise öffne ich meine Tür und schleiche durch das stille Haus, bis ich im Erdgeschoss angekommen bin. Dort begrüßt mich ein sanftes Schimmern der Lampen und hilft mir, mich in der fremden Umgebung zurecht zu finden.
Vorsichtig öffne ich den Kühlschrank und ziehe eine neue Flasche Wasser heraus, um sie mit nach oben zu nehmen.
Gerade will ich die Küche wieder verlassen, da fällt mein Blick auf die schlafende Gestalt auf dem Sofa und mein Herz macht einen Satz.
Ashlee sieht so unglaublich friedlich und gleichzeitig so wunderschön aus, dass ich meine Augen nicht von ihr nehmen kann.
Konnte ich noch nie.
Selbst als ich jeden Morgen neben ihr aufwachen durfte.
Und plötzlich wird mir eines klar:
Sie ist ein Geschenk des Himmels, ein Engel auf Erden und sie liebt mich! Auch nach so langer Zeit noch.
Egal bei wem ich vorher war und auch als ich noch bei ihm war.
Und allein deswegen sollte ich dieses schlechte Gewissen und alles was damit zusammen hängt endlich aus meinem Leben verbannen. Denn in einem Leben mit Ashlee hat niemand anderes Platz. Schon gar nicht Tom.
Denn er hält mich davon ab Ashlee nahe zu sein.
Und dabei hat sie jahrelang auf mich gewartet.
Und sie tut es immer noch.
"Womit habe ich dich nur verdient?", flüstere ich und lasse mich vorsichtig neben ihr auf die Knie fallen.
Zärtlich streiche ich ihr eine weiche Haarsträhne aus der Stirn und versuche mein pochendes Herz zu beruhigen, das beim Anblick ihrer vollen Lippen umso schneller schlägt. Doch die Gefühle in mir lassen sich nicht länger einsperren und so kommen mir die Worte über die Lippen, die ich schon so lange in mir trage.
"Ich liebe dich auch", flüstere ich und küsse Ashlee zart auf die Stirn, um sie ja nicht zu wecken,"und dieses Mal werde ich alles richtig machen. Ich verspreche es dir."
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With you everything changed-again
Romans"Ich liebe dich!" "Ich weiß, aber es wird nie genug sein! Es ist nicht deine Schuld. Es war mein Fehler." "Sag mir was ich tun kann, bitte!" "Geh. Und komm nie wieder zurück... bitte." Liebe. Ein so simples Wort. Und doch besitzt es so unendlich vie...