14 Addie

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Meine Eltern waren immer noch entschlossen, das Haus zu verkaufen. Meine Mutter jedenfalls. Anscheinend war ich meiner Familie wirklich vollkommen egal und sie legten es drauf an, mich loszuwerden... Es enttäuschte mich so sehr, dass es immer um Mom ging und ich nie ein Wort mitreden durfte, sondern alles hinter meinem Rücken besprochen wurde.
Mom hatte die letzten Tage damit verbracht, Blumen im Garten zu pflanzen, um das Haus wenigstens von außen aufzuhübschen, um ein paar Interessenten anzulocken. Bis jetzt hatte es kaum jemanden umgehauen, da unser Haus trotzdem noch als Mörderhaus bezeichnet wurde und Touristen immer noch vor unserer Haustür hielten. Ich fand das Klasse so! Wir hatten endlich ein Haus gefunden, was eine unglaubliche Vorgeschichte hatte und außerdem ziemlich groß und geräumig war, nicht so eine enge, kleine Wohnung, wo man gerade so vor und zurück kann und wenn's gut läuft sich noch umdrehen kann...
Trotzdem wollte Mom dieses unglaubliche Anwesen aufgeben und gegen so eine Mini-Wohnung eintauschen. Deshalb hatte sie mir der Maklerin des Hauses die Idee gehabt, heute zu Halloween das Haus von innen und außen Halloween mäßig zu gestalten, um möglichst viele Leute anzulocken, die das Haus dann in voller Pracht bestaunen würden und eventuell interessiert wären, es zu kaufen. Ich zweifelte daran. Das Haus halt galt als Mörderhaus! Da würde sich keiner nach dem Äußeren schauen und würde es jemand kaufen wollen, der das nicht wusste, würde er es bis spätestens kurz vor dem Verkauf erfahren, denn die Maklerin musste ja wie bei uns die Besitzer informieren, was damals hier geschehen ist. Es nützte nichts, das Haus zu verschönern. Entweder es gab Verrückte wie mich, die in so einem Haus leben wollen, oder wir hatten es eben am Hals und das ist nir auch ganz recht so!

Ich stand in meinem Zimmer vor dem Spiegel. Meine Eltern wollten sich heute Abend ebenfalls verkleiden, um eine wundervolle Atmosphäre zu verschaffen. Sie waren zur Zeit unten in der Küche und unterstützen ein Schwulenpaar, dass sie arrangiert hatten beim Kürbis schnitzen.
Ich war noch am überlegen, ob ich das ganze mitmachen sollte. Ob ich helfen sollte, das Haus an dem ich so hänge loszuwerden, oder noch einfach mit Musik und Büchern wie immer in meinem Zimmer zu verkriechen.
Ich sah in den Spiegel. Ich raufte meine Haare mit meinen Händen zu einem unordentlichen Dutt zusammen und betrachtete mich. Als was sollte ich mich verkleiden? Wie sollten die Haare aussehen? Helfe ich überhaupt?
Plötzlich knarzte es hinter mir. Ich hielt kurz immer, dann sah ich mich um. Das kam vom Bett! Langsam ging ich darauf zu und beugte mich leicht herunter, um nachzusehen, da schoss auf einmal eine Hand auf mich zu und packte mich fest am Bein, sodass ich laut aufschrie.
"Süßes oder Saures" Adelaide, die Tochter unserer Nachbarin Constance blickte unter meinem Bett hervor. Wtf! Ich hatte gerade ihretwegen den Schock meines Lebens bekommen!
"Oh hab leere Taschen und will was zum Naschen", vollendete sie ihren Satz und kam unter dem Bett hervor.
"Addie!", fuhr ich sie an. Was machte sie denn in meinem Zimmer, unter meinem Bett? Wie kam sie überhaupt hier rein? Naja...das fragte ich mich sowieso schon ewig.
"Ich möchte als hübsches Mädchen gehen, an Halloween.", sagte sie und stellte sich hin. Adelaide? Hübsches Mädchen? Halloween? Moment!
"Du willst was?", fragte ich sie irritiert.
"Nach mich zu 'nem hübschen Mädchen, so wie du, Violet!", sagte sie und lisbelte dabei ein wenig. Das lag wahrscheinlich an ihrer Krankheit, denn sie musste auch unkontrolliert zwinkern. Ich starrte sie an. Ähm... Was sollte ich denn jetzt sagen? Du bist hübsch, wie du bist? Damit würde sie sich nicht zufrieden geben und ich konnte auch verstehen, was sie meinte. Sie wollte wie alle anderen sein, kein Mädchen mit einem Downsyndrom. Ich musste lächeln. Es war irgendwie total süß, was sie da wollte.
Also deutete ich auf meinen Schreibtischstuhl.
"Setz dich!", meinte ich. Adelaide hatte mir gesagt, dass ihre Mutter nicht wollte, dass sie als hübsches Mädchen ginge, sondern als Snoopy, weil sie fand, dass Addie einfach nicht hübsch sei. Das tat mir total leid, dass ihre Mutter es ihr so eiskalt gesagt hatte.
Ich selbst besitze nicht viel Schminke. Es war mir zu viel Aufwand jeden Tag ein Kilo Schminke aufzutragen, ehe ich das Haus verließ und es abends wieder abrubbeln zu müssen, nur damit ich es am nächsten Tag erneut machen konnte. Außerdem finde Ich, dass ich hübsch genug bin und keine Schminke brauche, um meinen Körper zum Ausdruck zu bringen. Das und mein Selbstbewusstsein kamen zwar bei vielen nicht gut an, aber ich war zufrieden mit mir und solange ich mir selber gefalle muss ich mir auch keine Gedanken über dumme Kommentare von anderen Leuten machen.

Während Adelaide auf meinem Stuhl Platz genommen hatte, holte ich die vielen Schminkkästen meiner Mutter. Das waren so einige und so viele Farben und Pinsel... Ich hatte keine Ahnung, wofür man die Hälfte überhaupt verwendet. Also mit einem Lippenstift kam ich schon mal zurecht. Dann waren da so große schlichte Farbpaletten, mit eher braunen, rosa oder hautfarbigen Tönen. Das wird anscheinend auf die Wangen aufgetragen. Also nahm ich einen großen Pinsel und färbte Adelaides Wangen mit einem leichten rosa. Dann waren da noch viele kleine Paletten in allen möglichen Farben. War das Lidschatten? Meine Mutter hatte immer so ein blau oder violett um die Augen, also könnte das hinkommen. Ich nahm einen kleineren Pinsel und malte ihre Lider in einem hellen Violett an. Hoffentlich sah es nicht zu komisch oder zu bunt aus...
"Ich kann das nicht so besonders gut...", warnte ich sie, während ich weiterhin mein Glück versuchte.
"Is egal!",meinte Addie Dafür und öffnete die Augen. Die sah in den kleinen Spiegel hinter mir, den ich auf den Tisch gestellt hatte. "Gefällt mir!", meinte die sie und mir huschte ein kleines Lächeln über das Gesicht. Wenn es ihr gefällt ist ja alles gut.
"Wie alt bist du, Addie?", fragte ich sie. Sie grinste nervös.
"Eine Lady verrät nie ihr Alter!", meinte sie stolz. Wieder grinste ich. Addie war irgendwie total süß, wie sie so ein hübsches Mädchen sein wollte...
"Ist Tate dein Freund?", fragte sie plötzlich. Ich sah sie kurz erschrocken und irritiert an, versuchte aber zu Lächeln.
"Was? Du kennst Tate?", fragte ich und versuchte nicht allzu überrumpelt zu klingen.
"Wenn er hierher zur Behandlung kommt, dann unterhalten wir uns manchmal.", beantwortete sie meine frage und hatte ein Dauerlächeln auf den Lippen. Anscheinend war sie glücklich, jemanden zu haben, der sich ihren Wunsch annahm und die zu einem hübschen Mädchen machte.
"Er mag dich, das merk' ich.", redete sie weiter. "Bist hübsch, hat er gesagt.", meinte sie und strahlte mich mit ihren Lippenstift bemalten Lippen an. Ich erwiderte das Lächeln und musste mich zurückhalten nicht zu Grinsen. Hatte Tate echt sowas über mich gesagt? Ich presste die Lippen fest zusammen und hielt das übertriebene so zurück, doch Addie schien zu merken, wie fröhlich ich gerade war.
"Bist du eigentlich noch Jungfrau?", fragte sie, während ich noch mal ihre Wangen mit rot färbte. Ich zog irritiert die Augenbrauen zusammen. Wie kam sie denn jetzt darauf?
"Ähm...ja?!", antwortete ich. "Du nicht?"
"Natürlich nicht!", meinte sie und schien irgendwie stolz darauf zu sein, was ich nicht ganz nachvollziehen konnte. Ich trat hinter sie und nahm ihr den blauen Haarreif ab und legte ihn vor uns auf den Tisch.
"Du kannst nicht immer bei uns einbrechen.", meinte ich schließlich, um das Gespräch am Laufen zu halten und begann Addies Pony zu kämmen.
"Aber ich finde es schön hier!", rief sie und drehte sich zu mir um. "Meine Freunde sind hier.", meinte sie und ich sah sie prüfend an. Freunde? Was für Freunde? Hier waren nur ich, Mom und Dad! Ich musterte sie. Wovon redete sie bitte?
Adelaide drehte sich wieder um und ihr Blick fiel auf den Spiegel. Sie sah sich an und war fast sprachlos.
"Wow!", brachte sie hervor. "Violet!", rief sie schon fast. "Ich seh wunderschön aus!" Ich sah mir ihr Spiegelbild an, während ich weiterhin ihre lockige, dunkle Mähne durchkämmte. Was so ein bisschen Schminke mit einem Mädchen anstellen kann... Adelaide drehte sich zu mir um und strahlte mich an. Ich konnte genau sehen, dass dies ein wahres, echtes Lächeln war. Addie freute sich wirklich! Das war einfach so süß, dass ich auch Lächeln musste. Mit was für Kleinigkeiten man Menschen glücklich machen kann...

PAUSIERT American Horror Story -Murder House-Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt