Sonntag 14.07. 18:41

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Während Elana zur Bahn geeilt war hatte Lexi ihr berichtet, dass Matze bereits nach Hause durfte. Also machte sie sich auf den Weg zu ihm.
Matze bewohnte ein noch kleineres Einzimmerapartment als sie selbst. Im Dachgeschoss, also auch noch mit schrägen Wänden. Jetzt im Sommer war es in der Wohnung furchtbar warm, wenn auch er es irgendwie geschafft hatte sie gemütlich einzurichten.

Sie hatte grade geklingelt, tippte nervös mit den Fimgern neben der Klingel gegen die Wand und ihr schien es wie eine Ewigkeit, bis der Summer betätigt wurde. Als die Türe sich endlich entriegelte stürmte sie die beiden Treppen in dem engen Hausflur hinauf und blieb wie angewurzelt stehen, als ein total lädierter, brünetter Mann ihr die Tür aufhielt.
Seine Worte stachen wie Dolche in ihr Herz.
"Ella! Zum Glück geht's dir gut! Wieso warst du nicht zu erreichen? Wir haben uns tierische Sorgen gemacht." Beschämt wanderte ihr Blick gen Boden.

"Tut mir leid, Matze. Hab den ganzen Samstag verpennt und danach war ich doch verabredet." Das war mehr oder weniger gelogen, aber was sollte sie jetzt groß erklären, dass ihre Angebetete sie überrascht hatte und ihr Smartphone jegliche Relevanz verloren hatte?
"Viel wichtiger, wie geht's dir? Was ist nur passiert?" Sie schaffte es wieder ihn anzusehen. Er trug nur Shorts und ein geöffnetes, kurzärmliges Hemd, dass einen Verband um seine linke Schulter nicht ganz verhüllen konnte. Um seine Augen war es blau und angeschwollen. An der Augenbraue über dem Linken war ein Pflaster. Seine Oberlippe verzeichnete einen kleinen Cut und über seine Nase verlief eine dunkle Rötung, sie schien gebrochen.

"Komm erstmal rein, ich erzähl's dir. Willst du was trinken?"
"Erstmal nicht, danke", sagte sie während sie eintrat und sich auf einem der beiden kleinen Sofas niederließ die einen Couchtisch umringten. Die Tür führte mitten in den Raum und somit direkt zu der kleinen Sitzgruppe. Links kam gleich die Küche und eine Tür die in eine winzige Toilette führte. Rechts war hinter der Sitzgruppe nur noch Matzes Bett und ein Kleiderschrank auszumachen. 
Die beiden Freunde saßen sich gegenüber. Elanas Blick war noch immer von Sorge, aber auch Scham erfüllt.

"Matze, es tut mir so leid. Ich hätte dich noch zurück bringen sollen." Der Angesprochene hob bestimmt die Hand.
"Was redest du denn da? Wer weiß, was passiert wäre, wenn du dabei gewesen wärst? Ich bin heilfroh, dass du wohlauf bist." Elana schluckte hart. Die Fürsorge in seiner Situation schnürte ihr die Kehle zu.
"Was ist denn genau passiert?", brachte sie mühsam zustande. Er lächelte matt und verzog das Gesicht daraufhin schmerzverzerrt.
"Du warst grade um die Ecke gebogen, somit aus meiner Sicht, da packte mich so ein Riese von hinten, hielt mir den Mund zu und zog mich in einen der Hinterhöfe. Ich konnte ihn nicht sehen. Ein weiterer kam dazu und naja, richtete das hier an." Mit einer Handbewegung deutete er an sich hinab. Elana schlug schockiert die Hände vor den Mund.

"Haben sie dich beklaut? Haben sie denn gar nichts gesagt?" Seine Miene verfinsterte sich.
"Nichts geklaut. Als sie mit mir fertig waren und ich auf dem Boden lag, beugte sich der eine runter und flüsterte: Finger weg von der Kleinen. Der Andere trat mir noch mal in die Rippen und dann sind sie abgedampft." Fassungslos rutschten ihre Hände wieder hinab. Wurde diese Drohung etwa wegen ihr ausgesprochen? Ihre Gedanken überschlugen sich. Hatte sie jemandem zu schöne Augen gemacht an diesem Abend? Ihre Erinnerungen waren etwas verschwommen, doch sie wusste definitiv, dass sie am Freitag nicht sonderlich viel getrunken hatte. Sie war sich sogar relativ sicher, dass sie in dieser Nacht kein einziges Getränk spendiert bekommen hatte. Ihre Gedanken wanderten weiter.

Ihr war immer klar gewesen, dass ihr Drogenkonsum sie auch eines Tages in eine prekäre Lage bringen konnte. Aber Schulden hatte sie keine. Generell hatte sie persönlich kaum etwas mit den Beschaffungsmaßnahmen zu tun. Um das eine kümmerte sich Lexi. Um das andere Jess. Manchmal waren sie auch zusammen unterwegs wenn die Vorräte am Samstag schon zur Neige gingen. Das schloss sie auch aus. Was konnte denn da noch sein, dass jemand wünschte, dass kein anderer Hand an sie legte? 

Sie fing sich allmählich, nachdem sie keinen ersichtlichen Grund fand.
"Denkst du, es ging dabei um mich?", fragte sie zögerlich und seine Miene wandelte sich in besorgt.
"Ich würde dir gern etwas anderes sagen, Ella. Aber ich habe dich nur wenige Minuten vorher, gegen deinen Willen, geküsst. Außerdem habe ich mich die ganze Nacht mit keinem anderen Mädchen abgegeben, außer Lexi und Jess natürlich. Wenn ich genau darüber nachdenke, ist das auch schon einige Wochen so." Die Brünette biss die Zähne zusammen. Das ergab doch keinen Sinn. Sie war nie jemandem so nah gekommen, dass er einen Anspruch auf sie erheben konnte. Nicht mal wenn seine Sicht recht verdreht sein musste. Zumindest nicht wenn sie Feiern war.

Bei dem Gedanken schweifte sie ab zu der blonden Schönheit. Auf sie traf das Ganze schon zu, aber was für ein absurder Gedanke war das? D war bodenständig. Führte ein geregeltes Leben. Sie hatte ein Haus und einen Hund. Elana vermochte es nicht, sich vorzustellen, dass diese Frau auch nur zum Feiern der sündigen Meile einen Besuch abstattete. 
Elana fühlte sich noch schuldiger als ohnehin schon. Jetzt war nicht nur ihr Gehen schuld daran, dass man Matze so zugerichtet hatte, jetzt lag es auch noch direkt an ihr.
"Es tut mir so leid, Matze. Ich kann mir das überhaupt nicht erklären." Er sah sie direkt an und hob erneut die Hand, damit sie sich nicht weiter Vorwürfe machte. Sinnlos, dennoch schloss sie ihren Mund wieder.

"Elana, mal im Ernst. Hast du dich mit irgendjemandem Zwielichtigen eingelassen? Diese Typen sind für nichts anderes gut. Das waren auf jeden Fall Schläger. Irgendjemand muss sie beauftragt haben."
"Ich habe nichts mit zwielichtigen Leuten zu tun. Ich schwör's dir, Matze. Ich weiß wirklich nicht, von wem diese Scheiße ausgegangen sein könnte." Das war gelogen. Tief in ihrem Inneren gab es da jemanden, aber das ergab keinen Sinn, also schob sie den Gedanken mit aller Macht zurück.

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