Sonntag 07.07. 20:03

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Der Kellner räumte grade die Teller ab. D orderte noch mal Getränke für sie beide. 
"War wirklich gut", murmelte Elana geistesabwesend.
"Dessert?", fragte D leichthin. Die Angesprochene fühlte sich etwas ertappt.
"Oh, nein danke. Ehrlich gesagt bin ich total satt." Der Bärenhunger würde erst in der Nacht kommen, da war sie sich sicher.
"Was denn? Stehst du etwa nicht auf Süßes? Wenn deine beiden Freundinnen hier wären, würden sie sicher etwas sagen wie: 'Ellatrixx? Ne, die steht auf gar nix.' " Die Blonde gluckste vergnügt und auch Elana konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen.

"Auch wenns sich schön reimt, nennen sie mich nicht so. Das ist irgendwie so ein Spitzname der nur schreibend Verwendung findet", erklärte Elana etwas verträumt. Wo war sie nur mit ihren Gedanken? Sie saß der Frau, über die sie pausenlos nachdachte, direkt gegenüber, war aber trotzdem nicht bei der Sache. Sie legte eine Hand an die Stirn und schüttelte kaum merklich den Kopf. Das mussten noch Nachwirkungen sein.
"Stimmt etwas nicht, Fräulein Nachtschwärmerin?" Elana linste schwach lächelnd unter ihrer Hand hervor.
"Ach Sonntags ist nicht viel los mit mir. Entschuldige bitte." Die Blonde schmunzelte sanft und zog ihr die Hand aus dem Gesicht.

"Nicht doch. Wer weiß ob es zu diesem Treffen gekommen wäre, wenn du heute im Vollbesitz deiner Sinne gewesen wärst?" Ihre Hand war erschreckend warm. Oder war Elanas einfach nur so kalt? Beschämt zog sie ihre zurück und strich sich die hellbraunen Strähnen aus dem Gesicht, die widerspenstig vor ihren Augen hingen.
"Bringst du mich eigentlich mit Absicht die ganze Zeit in Verlegenheit?" D war kurz in ihrer Pose verharrt, zog nun aber ihrerseits ihre Hand zurück und lächelte ertappt.
"Wäre es schlimm, wenn ich das mit ja beantworte? Liegts an mir, oder bist du wirklich so durch den Wind?" Ihr Lächeln wurde breiter und war entwaffnend. Eilig kramte Elana in ihrem vernebelten Hirn nach einer schlagfertigen Antwort, doch wollte ihr keine so recht einfallen. Als sie begann zu sprechen verhaspelte sie sich sogar leicht.

"Also....weißt du...also echt mal! Klar ist das schlimm! Ich bin das nicht gewohnt, dass man mir Komplimente macht und so... naja, so direkt ist." D grinste noch immer, zog sich aber insgesamt zurück und überschlug wieder die Beine.
"Das glaube ich dir nicht." Schlagartig waren ihr Ton und auch ihre Züge ernst geworden. Sie bedachte die Brünette mit ihrem forschenden Blick. Suchte nach einer Antwort, ohne dass sie ausgesprochen werden musste.
"Wieso nicht?", fragte Elana verblüfft.

"Das habe ich dir vorhin schon erklärt. Ich kann mir, um ehrlich zu sein, kaum vorstellen, dass die Männer und Frauen in den Klubs, in denen ihr unterwegs seid, dich übersehen." Ihre Stimme war wieder etwas weicher geworden, doch D's Miene war unergründlich. Jetzt wo Elana darüber nachdachte hatte die Blonde natürlich recht. Sie nutzte es zwar nicht ganz so konsequent aus wie Lexi und Jess, aber ja, auch sie hatte keinerlei Probleme damit von Männern zu bekommen was sie wollte. Und klar, damit die Dreibeine auf ihre Kosten kämen waren sie nicht nur spendabel, sie überhäuften sie auch mit allerlei flachen Komplimenten. Selbst wenn sie sich Mühe gaben, bei Elana trafen sie eh auf taube Ohren. Vielleicht hätten sie deshalb nicht annähernd den Effekt, wie die Worte ihres Gegenübers. Die Brünette nickte resignierend.

"Sicher. Bringt mich allerdings kein bisschen in Verlegenheit." Die Züge der anderen wurden gänzlich weich und eines ihrer verlockenden Schmunzeln stahl sich auf ihre vollen Lippen.
"Das nehme ich dann jetzt einfach mal als Kompliment." Sie zwinkerte verschmitzt. Elana nickte nur. Dieses Lächeln und die dunklen, blauen Augen beraubten sie mehr und mehr ihrer Fähigkeit zu sprechen. Elana stemmte die Hände in die Hüften und sah der anderen geradewegs in die Augen.

"Genug davon! Sonst fang ich noch Feuer. Erzähl mir was über dich!" Die Andere lachte heiser. 
"Warum bist du morgens in der Bahn unterwegs? Kommst du nach Hause, oder fährst du weg?" D strich gedankenverloren mit dem Finger über den Rand ihres Wasserglases.
"Ich komme von meinem Freund." Elanas Züge entgleisten. Jetzt wurde es allmählich lächerlich.
"Bitte?"
"Jap. 87 Jahre jung. Ich nenne ihn liebevoll Sugardaddy." Die blonde Göttin grinste verheißungsvoll. 
"Du nimmst mich auf den Arm."

"Nein. Er heißt Hans. Coole Socke für sein Alter. Würde dir sicher gefallen." D senkte den Kopf und schaute Elana von unten herausfordernd an. Der Brünetten schlug diese Eröffnung zwar auf den Magen, aber dieser Blick war himmlisch. Am liebsten wäre sie aufgesprungen, hätte den Tisch beiseite gefegt um die Andere einfach an die nächste Wand zu pressen und zu küssen bis der Morgen graute. Stattdessen biss sie sich auf die Unterlippe. 
"Definiere Freund", forderte sie schlicht und ließ der Anderen somit keinen Spielraum mehr für vieldeutige Antworten. D lachte und richtete sich wieder auf. 

"Schon gut, Fräulein Nachtschwärmerin", gab sich die Blondine schließlich geschlagen und hob beschwichtigend die Hände.
"Ich bin Altenpflegerin und verstehe mich mit Hans sehr gut. Manchmal, wenn wir uns Abends verquatschen, schlafe ich auf seiner Couch." Elana zog eine Augenbraue hoch.
"Du siehst auch gar nicht aus wie eine, die auf alte Männer steht", gab sie bemüht beiläufig zurück und lehnte sich gegen die Lehne ihres Stuhls um die Beine zu überschlagen.

"So? Wie sehe ich denn aus?", fragte D und ihre Stimme nahm eine verführerische Tiefe an.
"Wie jemand der gerne Spielchen spielt. Alleine schon wie du Fragen nur um viele Ecken klar beantwortest", erklärte Elana verwundert über ihre eigene Ehrlichkeit. Die Andere lachte. Wieder glockenklar.
"Also aus dir soll einer schlau werden. Erst bin ich dir zu direkt. Jetzt zu verschlossen." Diese Aussage verlangte Elana ein Schmunzeln ab.
"Ok. Dann fangen wir mal ganz einfach an. Wie alt bist du?" Die Blonde schürzte die Lippen.

"Na na, sowas fragt man eine ältere Frau doch nicht." Elana verdrehte theatralisch die Augen.
"Schon gut. 27 und du?"
"19."
"Sweet."
"Frischfleisch, mh?", lachte Elana etwas nervös. 
"Allerdings", gab D ernst zurück. Auf den erschütterten Blick hin fing sie jedoch an zu lachen. Die Brünette entspannte sich wieder etwas, aber nur langsam. 
"Jetzt du. Was machst du so?"
"Ausbildung. Groß- und Außenhandel." Die Blonde stützte ihr Gesicht auf einer Hand ab und lächelte zufrieden.

"Eltern?"
"Getrennt. Er arbeitet im Ausland. Sie wohnt am anderen Ende der Stadt. Deine?" 
"Beide Tot. Du stehst also schon komplett auf eigenen Beinen?" Elana stieß geräuschvoll die Luft aus.
"Entschuldige...Naja. Mein Paps unterstützt mich finanziell noch ein wenig. Sonst würde ich mit der Miete nicht klar kommen." D lauschte gespannt. Bedachte sie unentwegt mit diesem forschenden Blick.
"Völlig legitim. Machen wir es etwas spannender?" Die Blondine lächelte freundlich, aber irgendwas Verschlagenes umspielte ihren dunkelblauen Blick.

"Spannender?", fragte Elana vorsichtig zurück.
"Schon eine ernsthafte Beziehung hinter dir?" Das musste ja kommen. Die Brünette schüttelte nur mit dem Kopf. Die Augen der Altenpflegerin fingen an zu leuchten.
"Noch Jungfrau?" Die Frage kam beiläufig, als wäre es das Normalste der Welt, aber sie schlug ein. Elana nahm ihre zusammengeknüllte Papierserviette in die Hand und warf sie der Anderen an den Kopf.
"Hey! Gnade! Bitte verschone mich!", bat sie gespielt flehentlich und lachte herzhaft.
"Ich darf dich nicht mal nach dem Alter fragen und du fällst gleich mit dieser Tür ins Haus?" Glockenklar wurde das Lachen noch etwas lauter. In der Zwischenzeit war der Ober an den Tisch getreten und servierte zwei Espressi.
"Die Rechnung, bitte."

NachtschwärmerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt