Vergeltung

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SEPTEMBER 1976

Ich gähnte und zog die Decke fester um meine Schultern. Das Festessen vom heutigen Abend lag mir noch immer schwer im Magen. Ich hatte die Befürchtung, dass ich trotz meiner Müdigkeit noch eine Weile wach liegen würde.

"Severus?" Ich öffnete die Augen. Evans Stimme war leise zu mir herüber gedrungen. "Ja? Ich bin noch wach", antwortete ich meinem Zimmergenossen ebenso leise. Er schnaufte. Offensichtlich war er froh, mich nicht geweckt zu haben. "Ich ... Darf ich dir eine Frage stellen?" Ich nickte ganz instinktiv, erst als keine Antwort kam, fiel mir auf, dass er das ja nicht sehen konnte. Ich wiederholte meine Antwort: "Ja." "Denkst du ... meinst du, es wäre sinnvoll ...", er zögerte, "wenn man sich ... ihm anschließt?" Ich erstarrte. Auch ohne genauere Erläuterungen wusste ich, wer ihm war. Der, dessen Name nicht genannt werden darf. Dieses Tabu war während der Sommerferien ausgerufen worden. Beinah wäre mir diese vielleicht lebenswichtige Information entwischt, denn ich hatte während der Ferien bei meinem Vater gewohnt. In meinem neuen Zuhause. Seit meine Mum gestorben ist, ist er unerträglich geworden. Ich meine, noch unerträglicher als vorher. Bis jetzt hatte er sich immer damit begnügt, sich einmal im Jahr sehen zu lassen, doch jetzt musste er mich die ganzen Sommerferien über ertragen. Solche Dinge wie Verantwortung sollte man sich vielleicht durch den Kopf gehen lassen, bevor man ein Kind in die Welt setzt. Nicht, dass ich jetzt lieber tot wäre, aber trotzdem... Und ich kann auch nicht gerade behaupten, dass ich gerne meine Ferienzeit in dieser Bruchbude von einem Haus verbringe. Mein Vater ist kein besonders ordentlicher Mensch. Und er trinkt. Er ist ständig schlecht gelaunt und die Bedeutung des Wortes aufräumen ist ihm glaube ich entfallen. Ich hatte unbewusst meine Augen zusammengekniffen, als ich an diese grauenvollen Wochen dachte. Doch meine Miene entspannte sich schlagartig, als ich an die Mitteilung dachte, die man mir erst wenige Tage vor meiner Abreise gemancht hatte: Ich hatte ein Haus geerbt. Von meiner Mutter. Sie hatte es von ihrem Vater. Ich weiß nicht, warum sie in ein neues Haus gezogen ist, als mein Vater uns rausgeschmissen hatte, wenn sie doch schon eins hatte, aber was solls. Mit etwas Glück waren diese Ferien die letzten gewesen, die ich bei meinem Vater verbracht hatte. Im nächsten Januar wurde ich volljährig, dass heißt ich würde dann in ein eigenes Haus ziehen dürfen. Eine schöne Vorstellung.

"Sev?" Ich fuhr hoch. ICh hatte vollkommen vergessen, auf Evans Frage zu antworten. "Entschuldigung Evan. Ich war in Gedanken." Ich konnte hören, wie er sich in der Dunkelheit umdrehte. "Ist schon gut. Ich dachte nur, du schläfst schon." Nein, bis jetzt noch nicht. Würde ich aber gerne. Allerdings wäre es wohl unhöflich, seine Frage einfach so zu ignorieren. "Ich... ich weiß nicht." Unsicher versuchte ich, noch etwas Zeit zu schinden. "Durch das Tabu scheint ja jetzt klar zu sein, dass es ihn wirklich gibt, oder?" Seine Decke raschelt. Dann sagt er sehr leise: "Ja, spätestens seitdem ist das klar. Aber..." Er verstummt. "Was aber?" Meine Neugier war jetzt definitiv geweckt. Er räuspert sich verlegen. "Naja, ich habe mit ... mit Lucius geschrieben. Er hat ihn getroffen." Ich keuche und mein Kopf schießt in die Höhe. "WAS??" Ich kann es einfach nicht fassen. Lucius hat tatsächlich den, dessen Name nicht genannt werden darf getroffen. Wow. Ich höre, wie Evan leise kichert. Aber nicht lange. "Ja, er hat ihn getroffen. Mehr wollte er nicht sagen, es ist alles noch sehr geheim. Aber er klang begeistert. Er schrieb noch, dass die Ansichten von ihm durchaus vertretbar wären." Nun, bei Lucius ist das ja auch kein Wunder. Er hielt sich schon immer für etwas Besseres, weil er reinen Blutes ist. Das habe ich ganz deutlich gemerkt. Schließlich war mein Vater ein Muggel. Noch so eine Sache. Muggel. Der, dessen Name nicht genannt werden darf, verabscheute alles Nicht- oder Halbmagische. Seine Angriffe richteten sich hauptsächlich gegen Muggel. Lily fand das feige. Sie meinte, es gehöre sich nicht, Schwächere anzugreifen. Und in gewisser Weise hatte sie auch Recht. Aber andererseits hatten die Muggel es auch verdient. Ich hatte bis jetzt nur wenige gute Erfahrungen mit jener Sorte Mensch gemacht. Mein Vater, der trinkt und mich hasst, weil ich anders bin als er. Petunia, sie hatte Lily beleidigt. Lily, die besser, freundlicher und liebenswerter war als jeder andere Mensch auf dieser Erde. Lily, ihre eigene Schwester als Freak bezeichnet. Weil sie selber kein so guter und reiner und begabter Mensch war. Aus Neid. Und das ist wirklich verachtenswert. Nicht zu vergessen der Muggel, der meine Mutter getötet hat. Er hatte sie einfach erschossen, ohne tieferen Sinn, ohne Grund. Einfach nur so. Wie ich ihn hasste. Ich kannte ihn nicht, aber ich verachtete ihn zutiefst. Er hatte unschuldigen Menschen das Leben und weiteren Unbekannten - mir - die Familie!

"Ja, ich kann Lucius verstehen." Meine Stimme war selbst für mich kaum zu hören, aber da von Evans Seite kein Laut kam, ging ich davon aus, dass er mich verstanden hatte. "Die Ansichten von Du-Weißt-Schon-Wem sind sicherlich verlockend. Rache. Macht. Vergeltung." Bei dem Wort Vergeltung zittert meine Stimme. Wie von selbst füge ich noch hinzu: "Die Frage ist bloß: an wem? An denen, die es wirklich treffen soll oder einfach unwillkürlich?" Ich höre, wie Evan schluckt und sich noch einmal umdreht. Dann versinkt der Schlafsaal in tiefem Schweigen. Evan scheint dieses Gespräch einen Dämpfer gegeben zu haben. Mich hatte es nur noch mehr angestachelt. Es hatte ein tiefes Verlangen in mir wachgerufen. Vergeltung.

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Tja Leute. Was soll ich sagen. Mir bleibt nur eins: Entschuldigung! Es tut mir wirklich leid. Zu meiner Verteidigung kann ich nur sage, dass in meinem Leben einige wichtige Dinge anstehen. Die letzten Tage waren stressig und ich denke, die Nächsten werden es auch noch sein. :( Aber ich bin zuversichtlich, dass ich euch in drei bis vier Wochen wieder mit häufigeren Updates beglücken kann. Wirklich. Ich bin bloß froh, dass ich dieses eine Kapitel geschafft habe, auch wenn es nicht wirklich lang ist und auch nicht besonders viel Handlung enthält. Naja, lange Rede, kurzer Sinn, ich hoffe, ihr hattet trotzdem ein bisschen Freude beim Lesen. Das nächste Kapitel wird sicher wieder eine Weile dauern und bis dahin: "Immer wachsam!" und auf Wiedersehen.

Sonnyy

Severus Snape - Schurke oder HeiligerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt