Die rote Lok

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DIE ROTE LOK - SEPTEMBER 1971

Ich war aufgeregt. Obwohl, eigentlich ist das noch eine Untertreibung. Heute würde ich endlich nach Hogwarts fahren. Gemeinsam mit meiner besten Freundin. Ich grinste bei dem Gedanken an Lily. "Severus, kommst du jetzt endlich, wir wolen los. Lily wartet bestimmt schon." Ich nickte, obwohl ich wusste, dass meine Mutter es nicht sehen konnte. Dann schloss ich meine Zimmertür und rannte polternd die Treppe hinunter. "Da bin ich!", rief ich und umarmte meine Mutter noch einmal kurz. Immerhin würde ich sie dann bis Weihnachten nicht mehr sehen. "Wie kommen wir eigentlich zum Bahnhof? Willst du mit uns apparieren?" Mum schüttelte den Kopf und ichwar etwas enttäuscht. "Das wäre zu riskant, wenn wir im Bahnhof landen, könnten wir jemanden treffen. Ich habe überlegt und bin zu dem Schluss gekommen, dass es am besten ist, wenn wir die Muggeltransportmittel nutzen. Ich denke, Lily wird uns als helfende Hand zur Seite stehen." Ich nickte ergeben, doch dann viel mir etwas auf: "Eehm, Mum, du willst doch aber sicherlich nicht mit deinem Umhang und dem Hut losgehen, oder?" Sie sah mich verwirrt an und setzte zu einer Erwiderung an, doch in dem Moment klingelte es an der Tür. Ich spracg von dem Stuhl, auf den ich mich gesetzt hatte, auf und öffnete Lily die Tür. "Hallo!" Sie lächelte. "Wollen wir los? Ich bin ja so aufgeregt!" Hinter Lily standen ihre Eltern und Petunia, die mit zum Bahnhof kommen wollten. Lilys Eltern strahlten, ganz im Gegensatz zu Petunia, die eine griesgrämige Miene zog. Mum nickte und nahm meinen Koffer. Mr. und Mrs. Evans warfen ihr leicht irritierte Blicke zu. Sie kannten meine Mom zwar, aber sie hatten sie noch nie involler Montur gesehen. Lily warf mir einen belustigten Blick zu, woraufhin ich mit den Schultern zuckte. Dann ging es los. Mum lief mit Lilys Eltern vorneweg, die uns den Weg zu einer sogenannten U-Bahnstation zeigten. Petunia lief ein wenig abseits und kickte einen Kiesel vor sich her. Lily erzählte mir aufgeregt, wie sie sich die Schule vorstellte. Ich hörte ihr einfach nur zu und bemühte mich, den Käfig mit meinem Waldkautz Lucy gerade zu halten. Es war angenehm, ihr einfach nur zuhören zu können und nicht selber reden zu müssen. Nach einer Weile kamen wir zu einer Treppe. Wir liefen diese hinab und standen in einer großen Halle. Es herrschte eine ohrenbetäubende Lautstärke, da gerade ein silberner Zug die Halle verließ und in einem dunklen Tunnel verschwand. Mum sah sich aufmerksam um und Lilys Eltern deuteten auf einen Schalter, hinter dem ein ziemlich mürrisch aussehender Mann mit Schnauzbart saß. "Wir müssen dort unsere Tickets kaufen. Dann können wir mit der nächsten U-Bahn fahren. Ihr könnt hier warten, wir erledigen das!" Damit liefen sie davon. Die Beiden waren ziemlich nett, sie kümmerten sich um den ganzen Muggelkram, damit wir uns nicht blamieren müssen. Ich bin ja mal gespannt, wie es in den silbernen Zügen aussieht. Als Lilys Eltern wiederkamn, zogen sie uns zu einem der Gleise, wo gerade ein Zug einfuhr. Die Türen öffneten sich und es strömte eine ganze Schar an bunt gekleideten Muggeln heraus. Einige warfen meiner Mutter schräge Blicke zu, waren jedoch zu sehr in Eile, um etwas zu sagen. Dann waren wir an der Reihe, einzusteigen und die Fahrt durch den Untergrund Londons begann.

"Ich fand es gar nicht so schlimm...", sagte ich, doch meine Mutter hörte nicht auf mich. Während wir uns auf die Suche nach dem Gleis machten, von dem der Zug nach Hogwarts abfuhr, ereiferte sich meine Mutter darüber, wie unkonfortabel und anstrengend die Muggeltransporte doch waren. Wir anderen ließen es kopfschüttelnd über uns ergehen. Dann blieb meine Mutter auf einmal so abrupt stehen, dass ich fast in unseren Gepäckwagen gelaufen wäre. "Hier sind wir. Lily, ich glaube du solltest deinen Eltern jetzt Auf Wiedersehen sagen, sie können nicht mit zum Gleis. Lily sah mich verwundert an, nickte aber. Auch ich war verwirrt. Es musste wohl irgendwo eine Schranke geben, denn noch sah ich den Zug nicht. Aber meine Mutter würde uns das sicherlich gleich erklären. Während ich wartete, beobachtete ich Lily und ihre Eltern. Sie umarmten sich gerade und Mrs. Evans hatte Tränen in den Augen. Lily beruhigte sie: "Mach dir keine Sorgen, Mum, ich komme euch in den Weihnachtsferien besuchen." Ihre Mutter nickte, schien aber noch immer niedergeschlagen. Der Vater tätschelte ihr etwas unbeholfen den Kopf. Dann wandte Lily sich an ihre Schwester. "Bis bald Petunia." Lily wollte sie ebenfalls umarmen, doch Petunia wich angeekelt zurück und zischte: "Bleib mir ja vom Leib, du Missgeburt." Lily, ihre Eltern und ich sahen sie alle gleichermaßen erschrocken an. Dann drehte Lily sich auf den Fersen um und sagte beleidigt: "Dann eben nicht, Tunia!" Sie wirkte gefasst, doch in ihren Augen sah ich Tränen schimmern. Sie winkte noch ein letztes Mal, dann fragte sie meine Mutter: "Und, wo müssen wir hin?" "Da durch", antwortete meine Mutter und deutete auf einen Pfeiler, der aus solide wirkenden, gelben Backsteinen gemauert war.Ich schluckte und sah meine Mutter unsicher an. Meinte sie das ernst? Sie nickte mir aufmunternd zu, nahm den Gepäckwagen und lief schnurstracks auf den Pfeiler zu. Dann war sie weg. Lily hatte ihre Augen weit aufgerissen. Dann blickte sie mich fragend an und ergriff meine Hand. Ich erwiderte ihren Händedruck und nickte ihr zu. Dann liefen wir los. Ich sah, wie Lily die Augen in Erwartung des Aufpralles fest zukniff, doch der kam nie. Als wir durch die Mauer hindurch waren, atmete sie erleichtert auf. Dann erstarrten wir. Vor uns stand die schönste Lokomotive, die ich je gesehen habe. Sie war mit kirschrotem Lack bemalt und das Führerhaus von Rauch umgeben. ungefähr auf Höhe des fünften Wagons baumelte ein Schild mit der Aufschrift 'Gleis 9 3/4, Hogwarts- Express' an der Wand. Wir hatten es tatsächlich geschafft. "Wollt ihr hier Wurzeln schlagen?" Meine Mutter kam auf uns zu und grinste. "Sie - sie ist wunderschön!", meinte Lily ehrfürchtig, um unser Staunen zu erklären. "Und leider auch immer sehr schnell voll! Kommt mit." Mum griff meine Hand und schob sich durch die Massen, die sich auf dem Bahnsteig befanden. Irgendwann wechselte sie die Richtung und schob uns in den Zug. Sie kletterte ebenfalls herein und hievte unsere Koffer hinterher. Ich und Lily schnappten uns jeweils unsere Käfige und  machten uns auf die Suche nach einem leeren Abteil. Leider war, wie Mum schon angedeutet hatte, schon alles voll und so ergriff Lily die Initiative und schob kurzerhand eine Abteiltür auf. In dem Abteil saßen nur zwei Jungen, die sich über eine Zeitung gebeugt hatten. "Ist hier noch frei?" Die Jungen schraken auf und als sie uns sahen, nickten sie nur kurz und widmeten sich wieder dem anscheinend überaus spannenden Artikel. Mum half uns noch, unsere Koffer in die Ablage zu legen, dann schloss sie mich in die Arme. "Viel Spaß, Severus, pass auf dich auf." Ich versuchtezu nicken, doch das war in dieser Position unmöglich, Irgendwann ließ Mum mich los und verabschiedete sich noch schnell von Lily. Dann ging sie hinaus und winkte mir durch das Fenster noch einmal zu. Dann war sie weg. Ich setzte mich auf den Platz am Fenster und betrachtete unsere Abteilgenossen. Sie hatten beide schwarzes Haar, doch das von dem Linken war kürzer und wirkte nicht so gepflegt. Außerdem hatte er eine Brille auf der Nase. Er merkte, dass ich ihn beobachtete und sah auf. "Hey, ich bin James. James Potter. Und das", er deutete auf seinen Freund "ist Sirius Black." Der Andere Junge nickte. "Ich bin Severus Snape." Ich wusste, Lily würde es vorziehen, sich selber vorzustellen, also hielt ich den Mund. "Ich bin Lily Evans", sagte sie auch prompt mit ihrer glockenhellen Stimme. James nickte und betrachtete sie kurz. An ihren Augen blieb er hängen. Natürlich. Auf einmal gab es einen Ruck und der Zug setzte sich in Bewegung. Lucy gab ein empörtes Kreischen von sich. Schnell streckte ich eine Hand durch die Gitterstäbe und streichelte ihr beruhigend über das Gefieder. "Und das ist Lucy, mein Waldkautz." Wieder nickte James und erwiderte: "Ja, ich habe auch eine Eule." Er deutete auf den Käfig, der mir erst jetzt auffiel. "Er heißt Lord. Ich verstehe echt nicht, wie sich manche eine Kröte kaufen können. Kröten sind einfach nur wiederlich! Was hast du denn für ein Tier, Lily?" "Eine Katze." Sie öffnete ihren Käfig und der Kater sprang auf ihren Schoß. "Er heißt..." Sie warf mir einen unsicheren Blick zu. "Er heißt .. Severus." Ich sah sie erstaunt an. Auch James' Augenbrauen schossen in die Höhe. "Ihr scheint euch ja ziemlich gut zu verstehen", meinte er. Ich nickte langsam. Warum hatte Lily mir nicht erzählt, dass sie ihren Kater nach mir benannt hatte. War es ihr peinlich? War ich ihr peinlich? Kopfschüttelnd vertrieb ich diesen Gedanken. Dann hätte sie das Tier anders genannt. Ich sah kurz aus dem Fenster und betrachtete die vorbeifliegende Landschaft. Lily erzählte den beiden Jungen etwas über sich und ich lauschte ihr gedankenverloren, obwohl ich das alles eigentlich eh schon wusste. James und Sirius warfen ab und zu mal ein paar Kommentare ein, ansonsten schienen auch sie es zu genießen, Lily einfach nur zuzuhören. Mir fiel auf, dass James Lily immer wieder musterte und sie mit einem seltsamen Leuchten in den Augen ansah. Es war offensichtlich, dass er Lily mochte. Hoffentlich sah ich nicht genauso idiotisch aus, wenn ich mich mit Lily unterhielt. Die Beiden erschienen mir ganz freundlich. Ich beteiligte mich nicht an dem Gespräch, ich hörte lieber zu. Mit der Zeit wurde deutlich, dass James eine vehemente Abneigung gegen das Haus Slytherin hegte. Sirius, der seinen Kumpan sonst immer unterstützte, wurde mit einem mal still und zurückhaltend. Natürlich, er war ein Black. Ich für meinen Teil hoffte, dass ich nach Slytherin kommen würde, aber das musste ich ja James nicht auf die Nase binden. Und so gab ich mich weiterhin als stiller Beobachter. Und es ist doch meist so, dass dem stillen Beobachter deutlicher wird, welche Emotionen hinter den Aussagen stehen, als den Wortführenden selber.

Severus Snape - Schurke oder HeiligerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt