Severus Snape - Schurke oder Heiliger

Weihnachten

DEZEMBER 1971

Ich stapfte neben Lily durch den Schnee. Wir verbrachten zum Glück noch immer einiges an Zeit zusammen, zumal wir die meisten Fächer gemeinsam hatten. Und jetzt, da Ferien waren, war auch ihre beste Freundin Mirabelle nach Hause gefahren. Ich und Lily verbrachten unser erstes Weihnachten während unserer Schulzeit in Hogwarts. Mum war nicht da und Lily hatte keine Lust gehabt, nach Hause zu fahren, wo doch Tunia sowieso die ganze Zeit ein mürrisches Gesicht ziehen würde. Und so machten wir gemeinsam einen Spaziergang durch den Schnee. Lily erzählte mir gerade, dass James sich als ziemlich selbstverliebter Vollidiot herausgestelt hatte, obwohl er am Anfang des Schuljahres so nett zu sein schien. Das erfüllte mich mit einer ziemlichen Befriedigung. In diesem Fall konnte es egal sein, ob er sich Hoffnungen machte oder nicht, wenn Lily ihn nicht ausstehen konnte, hatte er keine Chance. "Und Sirius ist genau wie James, die Beiden finden sich unheimlich toll! Und dann ist da noch Remus, er ist eigentlich ganz nett. Und Peter. Ihn kann ich nicht leiden, er wirkt ziemlich gemein. Aber James und Sirius haben ihn gütigerweise aufgenommen. Pah!" Sie schnaubte. Ich hörte ihr einfach zu, so wie ich es eigentlich immer tat. Bis auf einmal etwas hartes, nasses hinten an meinen Umhang klatschte. Wütend fuhr ich herum - und hatte prompt auch noch einen Schneeball im Gesicht. "Sirius, du - du - du .. du elender Mistkäfer! Was fällt dir ein?!?!", ereiferte Lily sich, während ich mir den Schnee aus dem Gesicht wischte. Als ich endlich wieder etwas erkennen konnte, antwortete Black: "Es tut mir leid, mir war ganz entfallen, dass der werte Herr ja kein weiß mag!" Er grinste höhnisch. Lily war inzwischen puterrot im Gesicht, was sich fürchterlich mit ihren Haaren biss. Deprimiert flüsterte ich ihr zu: "Lass gut sein, Lils. Lass uns gehen!" Sie sah mich entgeistert an, dann stapfte sie los, direkt auf Black zu. Im Gehen zückte sie ihren Zauberstab und gerade als ich dacht, sie wolle irgendeinen Fluch auf Black loslassen, da rief sie: "AVIS!" Drei kleine goldene Vögelchen brachen aus der Spitze von Lilys Zauberstab hervor und umkreisten ihren Kopf. Sirius fing an zu lachen, da er dachte, der Zauer wäre schief gegangen, da richte sie ihren Zauberstab auf ihn und schrie: "OPPUGNO!" und die Vögel änderten auf einmal ihre Richtung und schossen mit aberwitziger Geschwindigkeit auf Black zu, um ihre spitzen Schnäbel in seine Haut zu schlagen. Ich sah Lily entgeistert an. Wo hatte sie denn soetwas gelernt? Das fragte sich anscheinend auch Professor McGonagall, die in diesem Moment den Weg entlangkam und, als sie die Lage überblickt hatte, die Vögel mit einem einfachen Schlenker ihres Zauberstabes verschwinden ließ. Sie sah Lily entrüstet, aber auch ein wenig stolz an und meinte: "Ich weiß ja nicht, was das sollte, aber ich muss sagen, das war eine beachtliche Leistung für eine Schülerin Ihres Jahrganges, Miss Evans. Ich wäre glücklich, wenn meine Sechstklässler diesen Zauber so einwandfrei schaffen würden!" Dann sah sie kopfschüttelnd zu dem geschundenen Sirius, der sich mit schmerzverzerrtem Gesicht die Wange hielt. Unter seiner Hand lief ein dünnes Rinnsal Blut hervor und auch seine Arme sahen ziemlich mitgenommen aus. Man sah, dass er nur mit Mühe die Tränen zurückhalten konnte. Und obwohl ich wusste, dass ich eigentlich erschüttert über Lilys Unverfrorenheit hätte sein sollen, erfüllte mich dieser Anblick mit einem ernom selbstzufriedenen Gefühl. Ich versuchte mein Lachen jedoch so gut es ging, zurückzuhalten. "Mr. Black, sie begeben sich jetzt sofort in den Krankenflügel, so kann man Sie ja nicht in die Öffentlichkeit entlassen." Black nickte und mahte sich davon. Anscheinend tat es wirklich weh, er vergaß sogar den üblichen, gehässigen Blick in meine Richtung. "Und Sie, Miss Evans, Mr. Snape, Sie kommen mit in mein Büro." Lily blickte beschämt zu Boden, wahrscheinlich entschuldigte sie sich in Gedanken schon bei Black. Sie war einfach zu gutmütig. Auch wenn ich ihr nach wie vor sehr dankbar für ihre Racheaktion war! Ängstlich stapfte sie neben McGonagall her, auf dem Weg in ihr Büro.

"Ich bin sehr enttäuscht, Miss Evans. So etwas hätte ich nicht von Ihnen erwartet." MacGonagall blickte finster drein. Lily sah weiterhin nur auf den Boden, war hochrot im Gesicht und ließ die Standpauke über sich ergehen. "Was haben Sie sich nur dabei gedacht?" Nun sah Lily doch auf. Leise antwortete sie: "Naja... Also, das war so... Also, Sirius hat Severus mit einem Schneebal abgeschossen. Und dann hat er ihn beleidigt. Naja und dann wollte ich es ihm halt ... ich wollte mich rächen. Für Sev!" McGonagall sah mich abschätzend an. Sie mochte Slytherins genauso wenig, wie Slughorn Gryffindors mag. Außer Lily, die hatte er ganz gern. Und das obwohl sie nicht einmal berühmte Verwandte hat. Aber gut, Lily allein ist ja schon toll! "Miss Evans, das macht 10 Punkte Abzug, weil Sie einen Mitschüler angegriffen haben. Und Sie bekommen 15 Punkte, weil Sie diesen Zauber so wunderbar ausgeführt haben!" Sie schüttlelte den Kopf und scheuchte uns mit einer Handbewegung aus dem Raum. Als wir draußen auf dem Gang standen, sah ich Lily nciht in die Augen. Obwohl sie wunderschön waren und ich sonst bei jeder Gelegenheit darin zu versinken drohte. "Danke", flüsterte ich leise und kickte mit meinem Fuß in den Schnee. Lily kicherte: "Soll ich dir mal was sagen? Es hat sogar wirklich Spaß gemacht, es diesem Angeber mal zu zeigen!" Ich musste grinsen und als sie dann ihren Arm um mich legte, wurde mir ganz warm.