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Die Ermittler starrten mich an, als wäre ich gerade vom Himmel gefallen. "Das ist nicht dein ernst, oder?", fragte mich Juuzou fassungslos. Die anderen starrten mich einfach nur mit offenem Mund an. Juuzou packte mich an den schultern, sah mich wütend an und rief:"Wieso hast du es uns nicht schon früher gesagt!? Weißt du, wie viel Arbeit wir uns erspart hätten?! Ich hätte schon längst eine Quinke gehabt wenn du uns eher gesagt hättest, dass du viele Ghoule kennst!" Er schüttelte mich kräftig durch. Amon sah immer noch überrascht aus, als er sagte:"Aber, woher kennst du sie? Und... Wieso hast du nie etwas gesagt?" Er starrte mich vorwurfsvoll an. Dann merkte er, dass Juuzou's Hände noch immer auf meinen schultern lagen und kniff die Augen leicht zusammen. Ich bemerkte dies und umfasste Juuzou's Handgelenke, um seine Hände von meinen schultern zu tun. Juuzou schien etwas verwirrt von dieser Geste. Er sah zwischen mir und Amon hin und her. Amon sah etwas ruhiger aus, jetzt wo Juuzou's Hände wieder an ihrem Platz waren. Letzterer schnaubte entrüstet auf und verschränkte trotzig die arme vor der Brust. Shinohara fing sich erst jetzt wieder:"Also gut. Aber wieso sagst du uns das gerade jetzt?" Ich seufzte und sagte ruhig:"Weil wir den Vielfraß töten müssen. Und viele Ghoule wollen sie auch tot sehen. Also dachte ich mir, wir könnten eventuell zusammenarbeiten..." Juuzou wandte sich überrascht zu mir, während Shinohara und Amon mich gleich anfauchten:"Bist du komplett verrückt geworden?! Wir und die Ghoule?! Zusammen kämpfen?! Also ehrlich, irgendwas stimmt nicht mir dir..." "Hört mir doch zu Ende zu!", sagte ich leicht angesäuert, "Wir alleine können den Vielfraß nicht erledigen. Sie hat zu viele verbündete, die ihr sofort in einem Kampf helfen würden. Sie würden ihr Leben für sie geben. Die Ghoule alleine können sie auch nicht besiegen. Also ist es doch logisch, dass wir zusammenarbeiten! Außerdem ist das die einzigste Möglichkeit, sie zu besiegen." Juuzou sah mich nachdenklich an. Amon und Shinohara dagegen waren felsenfest davon überzeugt, dass wir den Vielfraß auch alleine besiegen würden. Entrüstet schnaubte ich auf:"Hört zu, ich meine bloß, dass wir nur gegen den Vielfraß mit ihnen kämpfen sollten. Ich habe nie etwas davon gesagt, dass wir mit den Ghoulen Frieden schließen sollten. Seht es als eine Art Waffenstillstand." Juuzou dachte weiterhin scharf nach. Die anderen zwei schienen sehr unsicher. Dann schaltete sich endlich mein Partner ein:"Das ist eigentlich eine gute Idee. Dann können wir gleich mehrere Ghoule töten... " Amon, Shinohara und ich sahen Juuzou verwirrt an. Dieser erklärte ruhig:"Na, schaut mal. Wenn wir gegen den Vielfraß kämpfen, werden wir auch viele seiner verbündeten töten. Und sobald der Vielfraß besiegt ist, können wir auch die restlichen Ghoule abschlachten." Erfreut klatschte er in die Hände. Ich zögerte kurz, sprach dann aber die zwei anderen Ermittler an:"Ist das okay für euch?" Sie sahen immer noch skeptisch aus, nickten aber dann schlussendlich. Nun gut. Dann würden eben noch mehr Ghoule sterben, damit ich leben kann.

Wenig später saß ich im Café. Ich hatte mit den Tauben ausgemacht, dass ich mit den Ghoulen reden werde, da sie sich nicht zu erkennen geben wollen. Juuzou wollte mit, doch ich konnte ihn davon abhalten, indem ich ihm ein Eis versprach, wenn er mir nicht folgt. Bis jetzt hat er sich daran gehalten. Touka und den anderen hatte ich erzählt, was wir im CCG besprochen hatten. Außer natürlich, dass sie danach auch sterben würden. Doch bei Hinami verspürte ich den drang, es ihr zu sagen. Natürlich konnte ich das nicht tun, da sie es dann den anderen erzählen würde und dann ständen die Ermittler alleine da. Und das war nicht mein Plan. Ich sagte Hinami kein Wort. Ich nahm mir nur fest vor, sie irgendwie zu beschützen. Vielleicht konnte ich sie ja aus dem Gemetzel retten. Irgendwie. Irgendwie werde ich dafür sorgen, dass Hinami weiter leben kann. Nur fragte ich mich dabei immer wieder: Wieso? Wieso tue ich das für sie? Wenn mein Leben und ihres auf dem Spiel stehen würden, würde ich sie opfern... Denke ich.

Abends war ich noch im Büro, da ich ein wenig Papier kram zu erledigen hatte. Ich sollte für Shinohara und Amon herausfinden, welche Ghoule auf der Seite des Vielfraßes standen. Ich ging die Akten durch und legte mehrere potenzielle Ghoule beiseite. Jason legte ich zur Seite. Genauso wie den kompletten Phönixbaum. Dieser war eine Gruppe von Ghoulen, die im 13. Bezirk lebten. Sie hatte viele Mitglieder, und ihr Anführer war die einäugige Eule. Das war ein Ghoul mit Triple S Rating. Dann legte ich noch ein paar kleinere Ghoul Gruppen zur Seite und schlussendlich auch die unglaublich dünne Akte von Mao. Über mich war so gut wie nichts bekannt. Es stand keine Beschreibung, keine Kralle, keine Stärke, so gut wie nichts drin. Bloß mein Name, also Mao, mein Rating und eine Nummer. Meine Nummer war die 0045. Wie die tauben darauf kamen, wusste ich bis heute nicht. Aber das war unwichtig. Ich war zwar keine verbündete von Liz, aber ich legte die Akte zu ihr, da ich wollte, dass die Tauben so gut wie möglich vorbereitet sind. Je gefährlicher die Ghoule, gegen die man kämpft, desto besser sind die Ermittler. Ist mir zumindest aufgefallen. Ich wollte die Akten gerade zu Shinohara bringen, als ich Amon's Stimme hörte:"Über dich steht ja wirklich wenig drin, Quinn... " Kurz erstarrte ich. Meint er Maos Akte oder meine? Ich drehte mich zu ihm um und sah ihn fragend an. Er hielt meine Akte in der Hand und sagte:"Über deine Vergangenheit steht nichts darin. Wieso?  Hier steht bloß, dass du so überragend große Fähigkeiten hattest, dass du gleich als Ermittlerin aufgenommen wurdest, ohne jegliche Prüfungen. Mehr steht da nicht." Ich räusperte mich kurz und sagte dann:"Meine Vergangenheit ist unwichtig für diesen Beruf. Da hat nichts wichtiges stattgefunden... " "Achja?", fragte Amon, "Ich frage mich schon immer, woher du diese Narbe bei deinem Auge hast... " Erschrocken fuhr ich mit meinem Finger die dünne Narbe nach und erzitterte bei der Erinnerung:"Wie gesagt, meine Vergangenheit war nicht so toll... " "Wer hat dir das angetan?", fragte Amon leise, schon fast fürsorglich. Ich zischte:"Ich habe mehr mit Juuzou gemeinsam, als man denkt... " Erschrocken zog Amon die Luft ein:"Sag jetzt bitte nicht, dass du auch ein Schlächter warst." Betroffen drehte ich den Kopf weg. Dann hauchte ich:"Doch. Meine 'Mutter'. Sie hat mir diese Narbe zugefügt... " Amon sah besorgt aus, als ich leise anfing zu kichern:"Aber jetzt ist das egal, sie ist nämlich schon laaaange tot, lange lange toooot... " Ich lächelte amüsiert als ich daran zurück dachte. Ach ja, die guten alten Zeiten....

Amon hatte sich irgendwann zurückgezogen. Zu den Akten, die ich bereits raus gelegt hatte, legte ich noch die von Gemini. Wie gesagt, nur als Vorsichtsmaßnahme. Dann brachte ich die Akten zu Shinohara, der sie an den leitenden Ermittler weiterleiten wird. Er konnte die anderen Ghoulermittler dazu überreden, bei dieser Aktion mitzumachen. Shinohara sah sich die Akten kurz durch und machte ein paar Kommentare zu meiner Auswahl. Bei Mao stoppte er kurz. Dann sah er mich an und hielt ihre Akte hoch:"Bist du dir sicher? Mao wurde bis jetzt immer nur alleine gesehen. Wir glauben nicht dass sie zu einer Ghoul Gruppe gehört. Wie kommst du darauf, dass sie zum Vielfraß gehört?" Ich holte kurz Luft und sagte dann ganz einfach:"Weil der Vielfraß jeden starken Ghoul um sich versammeln wird um zu überleben. Mao wird bestimmt auch dort sein." Shinohara konnte ja nicht wissen, dass ich recht hatte. Mao würde da sein. Aber als Mensch. Shinohara überlegte kurz und nickte dann. Dann legte er die Mappe wieder weg und sah sich die anderen durch. Und wieder stoppte er. Bei Gemini. "Sie ist nicht auf der Seite des Vielfraßes.", erklärte er, " Sie kämpft gegen ihn." Mir blieb der Mund offen stehen. "Aber", protestierte ich, "Sie ist doch viel zu gefährlich." Shinohara antwortete:" Aber sie ist auch sehr stark. Außerdem hat sie sich bereit erklärt, uns zu helfen."

Erstaunt und verwirrt war ich wenig später aus Shinoharas Büro gegangen. Hatte er selbst mit Gemini gesprochen? Es ist unmöglich, dass sie einfach hier so rein spaziert und sagt 'Hey Jo! Ich helfe euch übrigens gegen den Vielfraß' Außerdem wusste davon auch kein anderer Ghoul, bis auf die, die ich angesprochen hatte. Irgendwas war an der ganzen Sache faul. War die Sache mit Gemini eine falle? Ahnten die Ghoulermittler irgendetwas davon, dass ich eine Ghoula bin? Würden sie Gemini dann auf mich hetzen? Wenn sie das tun würden, würden sie dem Vielfraß und auch den gegnerischen Ghoulen den Sieg wortwörtlich hin schmeißen. Ich musste es unbedingt herausfinden.

Etwas später saßen wir im Versammlungsraum und besprachen unser Vorgehen. Wir mussten versuchen, den Vielfraß aus dem Hinterhalt anzugreifen. Wir müssten sie überrumpeln, dann hätten wir eine Chance, dass die anderen Ghoule noch nicht da waren. Dadurch wäre die Zahl er Verletzten und Toten auf unserer Seite niedriger. Das einzigste Problem war nur, dass keiner von den Ghoulermittlern wusste, wie der Vielfraß aussah. Ich hatte gesagt, dass ich wusste, dass sie weiblich war. Mehr nicht. Die Ghoulermittler hatten mit den Ghoulen auf unserer Seite ausgemacht, dass sie den Vielfraß an einen bestimmten Platz locken sollten, wo dann die Ghoulermittler warten werden. Die Ghoule würden den Vielfraß verraten indem einer der Ghoule ihr die Hand auf die Schulter legt. Wie genau sie das machen, müssen sie selbst entscheiden. Hauptsache wir erkennen dann, wen wir angreifen müssen. Der leitende Ermittler betonte noch einmal, dass es ein sehr blutiger Kampf werden wird und dass viele nicht zurückkehren werden. Er sagte, dass wir auf keinen Fall übermütig werden dürfen. Das sei unser sicherer Tod. Dann teilte er uns noch Blätter aus. Die ersten, die die Blätter bekamen, sahen sie an und wurden Leichen blass. Juuzou aber nicht. Er betrachtete das Blatt und seufzte gelangweilt auf. Dann bekam ich auch ein Blatt. Darauf stand mittig oben in Großbuchstaben: Testament. Ich schenkte dem Zettel keine größere Aufmerksamkeit. Ich hatte schon sooft testamente ausfüllen müssen, dass ich es gar nicht mehr ernst nahm. Genauso wie Juuzou. Ihm war es egal, ob er starb oder nicht. Mir aber nicht. Ich wusste, dass ich nicht sterben würde. Deswegen schrieb ich auch mittlerweile keine Testamente mehr. Gerade wollte der leitende Ermittler noch was sagen, als die Tür aufgerissen wurde. Das erste, was man sah, war Blut. Unmengen an dunkelrotem Blut, verschmiert an der Tür und in Pfützen auf dem Boden. Das Blut lief aus einer großen Bauch wunde einer der Sekräterinnen, die schweratmend in der Tür stand. Sie machte den Mund auf, um etwas zu sagen, doch sie erbrach bloß nur noch mehr Blut. Geschockt starrten die Ermittler sie an, und reagierten zu spät. Ein paar rannten zu ihr, und wenige andere, wie Amon, Juuzou und ich, stürzten an denen vorbei und rannten in die Eingangshalle. Als wir dort ankamen, sahen wir rot. Alles war voller Blut, die Wände, der Boden, die tische sogar an der decke waren große Blut spritzer. Die Sekretärinnen lagen zerfetzt überall zerstreut und alle anderen, die auch im Moment unten waren, waren ebenfalls in der ganzen Halle verteilt. Der Blutgeruch war überwältigend, ich hätte mir fast über die Lippen geleckt. Doch ich konnte mich im letzten Moment zurückhalten. Amon stotterte:"Seht nur, die wand am Empfangs Tresen... " Dort stand in blutiger Schrift geschrieben: Ich gewinne. Juuzou lachte entzückt, während ich vor Wut die Fäuste ballte. Wieso? Woher? Woher weiß sie das? "WOHER?!", schrie ich hasserfüllt. Juuzou und Amon zuckten erschrocken zusammen und sahen mich verwirrt an. "Wir müssen jetzt handeln. Sie weiß bescheid. Der Überraschungseffekt ist jetzt hinüber.", erklärte ich den beiden. Dann ließen wir das Massaker hinter uns und marschierten gemeinsam wieder hoch in den Versammlungsraum. Shinohara sah uns erschüttert an, nachdem Amon die Situation in der Eingangshalle erklärt hatte. "Und was jetzt?", fragte Shinohara. Ich antwortete:"Lass die Trucks beladen. Alle sollen ihre Quinken holen. Wir werden den Vielfraß heute töten."

Survive, Exist or Live?  GERMANWo Geschichten leben. Entdecke jetzt