21. September

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„Wie kommst du mit den Medikamenten zu recht?".

Ich saß in dem von Öldämpfen überschwemmten Raum von Frau Jodek.

„Wahnsinnig gut". 

Ehrlich gesagt, hatte ich keine Ahnung, wann ich diese zuletzt genommen hatte. Es erschien mir nicht als sonderlich klug, sie mit Ecstasy zu mischen. Wer weiß was sich da für Nebenwirkungen bemerkbar machen würden.

Den Sarkasmus in meiner Stimme schien sie jedoch nicht einmal zu bemerken, oder sie ignorierte es, was auch sein konnte.

„Kannst du einigermaßen schlafen? Dein Vater hat erwähnt, dass du in letzter Zeit sehr oft am Abend weg bist und noch früh am Morgen wach bist".

In letzter Zeit hing ich beinahe jeden Abend im alten Fabrikgebäude ab. Wenn ich nach Hause kam, schliefen meine Eltern meistens schon, zumindest dachte ich das.

Früher hatten sie sich auch nicht darum gekümmert. Hätten sie wohl besser, dann wäre Eleanor jetzt nicht tot und ich nicht in dieser beknackten Therapie.

Natürlich ich konnte nachts kaum schlafen, weil ich die Schlaftabletten abgesetzt hatte, aber das war mir egal.

In den meisten Fällen hatte ich irgendwelche Albträume, aus denen ich aufgrund der Wirkung von den Tabletten nicht aufwachen konnte.

Ob nun schlaflose Nächte oder Nächte, die mich so Schweiß gebadet aufwachen ließen, dass ich schon alleine durch meine Körperflüssigkeit mindestens drei Kilo abnahm, war nicht wirklich von dramatischem Unterschied.

Es störte mich trotzdem, dass sie wusste, dass irgendetwas nicht stimmte. Zumindest glaubte sie, dass irgendetwas nicht stimmte. Eigentlich war alles in Ordnung.

Konnte mein Dad nicht einmal schweigen, wenn es um meinen Tagesablauf ging? Sie sprach die Fragen so aus, als hätte ich etwas unglaublich Illegales gemacht.

Dabei lebte ich nur. Wie jeder anderer auch.

„Ich verbringe einfach nur mehr Zeit mit meinen Freunden. Bin nämlich nur nebenberuflich depressiv". Ich rollte mit den Augen.

„Bisschen mehr Ernsthaftigkeit, Jasmin". Sie schob ihre Brille soweit zum Nasenrand, dass ich Angst hatte, sie würde ihr gleich herunterfallen.

Nein.

Ich wollte nicht ernst mit ihr reden, weil sie mich einfach nicht verstehen konnte. Ich wollte einfach nur mit Samuel und den anderen etwas Unternehmen, ohne diese bescheuerten Therapiestunden, die sowieso nichts brachten.

Die Öle brannten in meinen Augen. Die alte Kratzbürste hatte irgendetwas hergenommen, gegen das ich allergisch war. Vielleicht wollte sie mich betäuben und dann Gehirnwäsche betreiben. Wundern würde mich bei ihrem beruflichen Erfolg wirklich nichts mehr.

„Nun gut. Letztes Mal hast du erzählt, dass du Angst vor dem Vergessen hast". Sie blätterte in ihren Unterlagen und tippte mit dem Finger auf die Aufzeichnungen von der letzten Sitzung.

„Tatsächlich".

„Hier, ich kann es dir zeigen".

Ich winkte ab.

Natürlich konnte ich mich an meine Worte erinnern. In einem von Anflug von Optimismus und Vertrauen in ihre therapeutischen Wunderkräfte hatte ich ihr viel zu viel erzählt. Über meine Ängste. Was waren schon Ängste?

Kleine, schwarze Kreaturen, die dich immer und überall einschränkten, die manchmal mitten in der Nacht über einen hereinbrachen und einfach für dich beschließen, dass du sowieso keinen Schlaf mehr brauchst. Die mit ihren grässlichen Händen komische Panikattacken in einem auslösen und einen deswegen dumm in der Öffentlichkeit aussehen lassen.

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