Kapitel 1

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Ich lief durch die dunklen Straßen unserer Stadt. Es war 3 Uhr morgens und da ich in versteckten Seitengassen lief, hatte ich kein Straßenlampenlicht um etwas zu sehen.

Nach ein paar Metern hörte ich Musik. Hier in der Nähe war eine Party, auf die ich vermutlich auch gegangen wäre, wenn ich etwas passendes zum anziehen gehabt hätte.

Ich hatte nämlich nichts, außer die Sachen die ich anhatte - Unterwäsche​, sowie ein Top und eine Jogginghose, alte Turnschuhe - und eine Decke.

Ich bin obdachlos.

Ich lief einen großen Bogen um die Partymusik und während ich lief, wehten meine langen braunen Haare mir ins Gesicht, also band ich sie mir zu einem Zopf und lief weiter. Dann kam ich schließlich da an wo ich hin wollte.

In einer dunklen Seitengasse in einer Nische mit kleiner Überdachung, sodass sie gerade reichte um nicht ganz nass zu werden, hielt ich an. Dann schnappte ich mir die Decke und legte mich in die Nische, so wie jede Nacht seitdem ich ungefähr 14 Jahre alt war.

Als ich 14 war, hatten meine Eltern einen Autounfall. Sie stürzten mit dem Auto ins Wasser, bei einem ihrer Wander-Ausflüge. Das Auto ging wohl sofort unter und alle dachten ich wäre auch darin gewesen, deshalb vermisste mich niemand. Ich hatte ohnehin nicht mehr viel Familie, nur einen Onkel welchen ich noch nie gesehen hatte und meine Großeltern in Chicago, die ich nicht ausstehen konnte. Also war ich früher einfach abgehauen. Ich bin nach draußen gelaufen, hab den Alt-Kleider-Container geplündert, der aber gerade geleert worden war, sodass ich nur die Decke gefunden habe. Seitdem lebe ich zurückgezogen auf der Straße.

Manche würden jetzt sagen: "Geh zur Polizei oder zu irgendwem sonst, aber bleib doch nicht auf der Straße!"

Aber ich muss sagen, ich finde das Leben hier garnicht so schlimm. Im Gegenteil, man hat keine Verpflichtungen und kann (fast) alles machen was man will. Nur nachts wird es kalt, vor allem wenn man, wie gerade zum Beispiel, keine Jacke hatte. Und das im November. Das Hauptproblem hier ist aber immer noch das Geld. Ich habe kein Geld, das bedeutet ich muss anders an etwas zu essen kommen. Teilweise klaue ich etwas und teilweise schenken mir manche Leute etwas. Wenn ich 18 werde, dann werde ich mir Arbeit suchen. Was das sein wird, weiß ich noch nicht, aber zur Not werde ich wohl auf den Strich gehen müssen oder so, um überhaupt zu überleben.... Naja auch wenn ich das natürlich vermeiden möchte.

Ich lag da nun also in dieser Nische und schlief langsam ein. Es war ziemlich kalt, aber noch auszuhalten mit der Decke, die allerdings auch nicht besonders warm war. Die Häuser um mich herum hielten den Wind auf, also verschlimmerte er meine Situation wenigstens nicht auch noch.

Gerade war ich so gut wie eingeschlafen, als ich Stimmen hörte. Direkt vor mir!

"Na, wen haben wir denn da?", fragte eine fiese Männerstimme mich laut. Ich öffnete die Augen und sah drei Jungs, ungefähr in meinem Alter. Mir war es schon lange nicht mehr peinlich, wenn jemand in meinem Alter sah dass ich auf der Straße lebte, aber unangenehm war es gerade trotzdem, vor allem weil sie zu dritt waren.

"Hast du nichts zu essen?", fragte ein anderer mit gespieltem Mitleid. Dann lachten alle fies.

Ich hatte gelernt solchen Leuten am besten nicht zu antworten, dann ließen sie einen früher oder später in Ruhe, bei denen hatte ich aber leider nicht das Gefühl, dass sie ohne Weiteres verschwinden würden...

"Sag was!", befahl der Dritte und trat mich kurz mit seinem Schuh. Es tat zwar nicht weh, aber es war schon erniedrigend, wie ich immer noch an meinem Schlafplatz da lag und die drei auf mich herunter starrten.

"W...was wollt ihr?", man hörte die Angst in meiner Stimme, was mich ziemlich ärgerte.

"Ahh sie kann ja doch sprechen", lachte der Eine.

"Wie heißt du?", grinste der Erste, der direkt vor mir stand.

"C....Cara", wieder zitterte meine Stimme und ich hätte mich dafür schlagen können.

"Ahh gut Cara, du kommst jetzt mit uns", meinte der Größte und fing an mich an meinem Arm aus der Nische zu zerren. Ich wehrte mich natürlich, aber da sie zu dritt waren und alle stärker als ich, war es ein Kinderspiel mich auf einen großen Platz zu ziehen. Um diese Uhrzeit war es menschenleer hier, alle Läden hatten geschlossen und allerhöchstens Nutten kamen jetzt noch hier vorbei.

"B...bitte", zitterte ich, aber diesmal vor Kälte. Der Platz war nicht windgeschützt und es war auf gut Deutsch gesagt arschkalt.

"B...b..b..b..b....i....tte", machte mich einer der Typen übertrieben nach und alle lachten wieder. Ich wurde rot und machte mich ganz klein. Dann schubste der eine Typ mich auf den Boden.

"So was werden wir jetzt mit ihr anstellen?", lachte der Größte dreckig.

Der eine trat mich kurz in den Bauch, woraufhin ich mich auf dem Boden krümmte. Gerade als der Andere sich zu mir runter beugte und mir eine Ohrfeige gab, kam jedoch jemand von hinten. Ich sah diesen Jemand nicht, da ich in die andere Richtung gedreht war, aber ich hörte ihn, oder besser sie reden.

Eine Mädchenstimme meinte:"Hey was soll das hier?!"

Einer der Jungs meinte dreckig:"Willst auch mitmachen?" Aber das Mädchen antwortete gelassen:"Haut hier ab, oder ich ruf die Polizei!"

Ich hörte ein paar Leute - vermutlich die Typen - wegrennen und fluchen. Dann legte sich plötzlich eine Hand auf meine Schulter und eine Andere strich mir die Haare aus den Gesicht. Dann hörte ich eine wunderschöne Stimme sagen:"Alles okay bei dir?"

Ich drehte mich um und ein Vorhang aus gewelltem dunkel blonden Haaren legte sich sanft auf mein Gesicht. Ich schob sie weg und sah meiner Retterin ins Gesicht.

Sie war wirklich hübsch, hatte Sommersprossen eine kleine Stupsnase und grüne Augen. Ihre Lippen sahen so weich aus, dass ich sie küssen wollte und ihre Wimpern waren geschwungen und lang. Sie war ungeschminkt, was sie fast noch schöner aussehen ließ. Durch die Straßenlaternen hier auf dem Platz schimmerte ihr Haar leicht golden und sie sah aus wie ein Engel.

Allerdings würde ich ihr das vermutlich niemals sagen. Ich muss zugeben, dass ich von Natur aus ein wenig... Arrogant war, was aber eher so etwas wie eine Schutzmauer für mich war. Ich ließ niemanden zu nah an mich ran, so konnte ich auch besser mit Verlusten umgehen. Aber ich muss zugeben, bei ihr fiel mir das jetzt schon ziemlich schwer.

Homeless | GirlxGirlWo Geschichten leben. Entdecke jetzt