Kapitel 3: Stimmen

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Man ist das hoch. Ich klammere mich an einen Ast und blicke nach oben. Die Hälfte habe ich noch vor mir. Na dann geht's jetzt weiter. Nach ein paar weiteren Metern bemerke ich, dass Ahsokas Blick auf mich gerichtet ist. Macht sie sich Sorgen um mich? Plötzlich höre ich ein knacken und der Ast, auf den ich mich gerade aufgestützt habe, bricht ab. Im letzten Moment klammere ich mich an einen kleinen Aststummel. Glück gehabt. Ich ziehe mich auf einen nahen großen Ast und lehne mich gegen den Baumstamm. Diese Pause muss ich mir jetzt genehmigen. Ich schaue noch einmal nach unten zur besorgten Ahsoka und mache mich bereit für den Endspurt. Schließlich erklimme ich die große Astgabel der Baumkrone. Jedoch ist dies nicht nur eine Gabel, sondern eher eine Plattform, auf welcher mehrere Hubschrauber Platz gefunden hätten.

In einiger Entfernung entdecke ich eine Luke im Boden. Als ich sie öffne sehe ich eine nach unten führende Wendeltreppe. Nach einer halben Stunde erreiche ich den Boden.  "Hallo? Ist hier jemand?", rufe ich in den dunklen Raum. Nach einiger Zeit höre ich ein Husten, eine gebückt laufende Gestalt kommt auf mich zu und begrüßt mich stürmisch. "Tommy. Mein Freund. Schön dich endlich mal zu sehen." Verwundert schaue ich ihn an. "Kenn ich dich?" Ich schaue in ein schrumpliges, altes Gesicht. Im Lächeln des Mannes fehlen zwar einige Zähne, doch es strahlt trotzdem ehrliche Freundlichkeit aus. Ich hatte ihn noch nie gesehen, doch irgend etwas an dem Alten kommt mir bekannt vor. "Mich persönlich nicht. Doch du müsstest meine Stimme kennen.", gibt er mir einen Hinweis. Das ist es also. Ich hatte ihn mir ganz anders vorgestellt - aufrechter, jünger, fitter. "Es ist mir eine Ehre.", sage ich und verbeuge mich leicht. "Lassen wir die Förmlichkeiten.", winkt er ab. Er kommt erstaunlich schnell auf mich zu und drückt mich fest. Nachdem er mich losgelassen hat, schaut er mit seinen braunen Augen tief in meine. "Du hast bestimmt viele Fragen. Ich werde versuchen dir alle zu beantworten." "Nun gut, wie heißt du?", schieße ich sofort los. Sein Name ist Robert. Ich dachte, dass er spektakulärer heißen würde. "Wo bin ich hier?", frage ich danach und bekomme sofort meine Antwort. "Das, mein Freund, ist die ewige Welt, die weit entfernt von deiner Welt liegt. An diesem Ort leben alle Figuren, die du in deiner Welt als irreal kennst." "Und warum wolltest du, dass ich hier her komme?", hake ich nach. "Es mag dir vielleicht nicht aufgefallen sein, doch ich werde alt und brauche einen Nachfolger. Du musst lernen zu sehen. Du musst...", bevor er aussprechen kann, unterbreche ich ihn. "Was ist, wenn ich das gar nicht will?"

"Dann habe ich ein Problem. Es gibt nur wenige mit unserer Gabe und viele gehen an ihr zu Grunde.", sagt er niedergeschlagen. Ich schaue ihn fragend an. "Welche Gabe?" Ohne ein Wort zu sagen, tippt mir Robert leicht auf die Stirn. Ich fühle mich aus meinem Körper geschleudert, gelange irgendwie aus dem Baum und in Ahsokas Gedanken. Wo bleibt er nur? Ich hoffe es ist nichts passiert. Das Schwerste hatte er geschafft, als er die Krone erreicht hat. Doch es dauert trotzdem lange. Rob wird doch nicht... Mit rasender Geschwindigkeit bewegt sich mein Geist durch die Gänge des Palastes. Auf einmal gelange ich in einen riesigen Festsaal und es passiert. Ich höre alle Gedanken von jedem im Saal. Es sind viele, sehr viele, zu viele. Mein Kopf dröhnt, doch ich erhasche einen Blick auf Jerry. Er sieht mich nicht. Die Schmerzen werden immer stärker. Ich muss hier raus. Ich werde... Es wird schwarz.

"Tom? Komm schon! Wach auf!", höre ich Rob besorgt rufen. Langsam öffne ich die Augen. Rob schaut mich glücklich an: "Du hast es gehört?" "Ja, alle Gedanken. Es war zu viel.", sage ich und zucke bei dem Gedanken an das erdrückende Gefühl zusammen. "Das geht jedem beim ersten mal so. Mit Training wirst du lernen, nicht alle Gedanken auf einmal zu lesen. Wie sieht es also aus?", muntert Rob mich auf. Ich weiß es nicht. Ich kann ihm jetzt keine Antwort geben und sage ihm das. "Kein Problem. Das ist eine wichtige Entscheidung. Komm! Ahsoka wird dich zu deinem Freund führen. Das willst du doch.", sagt er ruhig.

Es war das, was ich wollte. Der alte Robert führt mich zur Baumwand und öffnet eine Tür. Mit offenem Mund starre ich ihn an. "Das war ein Test.", sagt er grinsend. Da ist es wieder, dieses warme Lächeln, mit welchem er mich begrüßt hat. Er weist mich mit einem Wink nach draußen, wo Ahsoka mich mit einer stürmischen Umarmung begrüßt. Die Tür schließt sich langsam. "Wofür war das denn?", frage ich verwundert. "Nicht wichtig", sagt mir Ahsoka überglücklich. Ich zucke mit den Schultern und grinse sie an. Verlegen schaut sie zu Boden. Im nächsten Moment jedoch wieder in ihre strahlenden blauen Augen und sie lächelt mich an. "Dann bringe ich dich mal zur Willkommensparty."



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