Kapitel 8: Flucht

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Ich bin nicht tot. Wie kann das sein? Ein schmerzerfüllter Schrei holt mich vollends zurück. Als ich meine Augen öffne sehe ich eine abgeschlagene Hand vor mir liegen. Bei genauerem Hinschauen erkenne ich die Hand des mysteriösen Angreifers. In einiger Entfernung hält sich dieser seine andere Hand übers Auge, aus welchem Blut herausquillt. Rob hatte mich gerettet und steht nun vor dem übermächtigen Feind. Kaum hat dieser den Schock überwunden, greift er auch schon an. Gekonnt blockt Rob den Schwertschlag mit seinem Schild und versucht zuzustechen. Doch sein Gegner ist schneller, weicht aus und zerschlägt Robs Schild. Es beginnt ein wilder Kampf auszubrechen, in welchem keiner wirklich die Oberhand übernehmen kann. Sie kämpfen auf Augenhöhe. Während die beiden weiter aufeinander einschlagen, stehe ich langsam auf. Meine Glieder schmerzen, doch ich schaffe es, mich an der Wand abzustützen. Rob und der Andere werfen einander zurück, sprinten aber sofort wieder los. Die beiden Schwerter treffen, begleitet von einem Klirren, aufeinander. Nun stehen sie sich Auge in Auge gegenüber. Trotz des sichtbaren Muskelkraftunterschiedes, kann Rob mithalten. "Musste es wirklich soweit kommen alter Freund?", fragt Rob den Riesen, während er ihm in die Augen sieht. Sie waren mal Freunde? Plötzlich stehe ich mit offenem Mund da, während die beiden mit aller Kraft gegeneinander drücken. "Du hättest mir Folgen können.", schlägt der Angreifer frech vor.
"Das konnte ich nicht, Telos.", kurz schaut Rob bestürzt zu Boden, um jedoch die Unaufmerksamkeit seines alten Freundes zu nutzen. Blitzschnell wirft er sich nach vorne und schlägt Telos so das Schwert aus der Hand. Triumphierend richtet er seine Klinge auf den Hals des Verlierers. "Es ist vorbei. Gib auf!" Obwohl er verloren hat, lächelt Telos siegessicher. "Du hast doch sicher etwas anderes gesehen, oder?" Woher weiß er davon? Ehe ich mich versehe springt ein Toter auf und sticht ein Schwert in Robs Rücken. Geschockt will ich aufschreien, doch der Schrei bleibt mir im Hals stecken. Nun erheben sich auch die anderen Toten und rennen auf mich zu. Wie angewurzelt bleibe ich stehen. Ich hatte das alles schon gesehen. Meine Visionen hatten es mir verraten. Langsam kehre ich in die Wirklichkeit zurück. Vor mir wehrt Rob die Toten ab. Vergeblich, da sie immer wieder zurückkommen. Zum ersten Mal an diesem Tag sehe ich eine Schweißperle an Robs Wange hinunterlaufen. Plötzlich flammt sein Schwert auf. "Lauf!", befiehlt er mir. Mit einem Mal erschafft er in seiner freien Hand einen Feuerstrahl und feuert diesen auf die Toten, die den Ausgang der Höhle versperrt haben. "Lauf und berichte, was hier passiert ist!", ruft Rob mir drängender zu. Erst jetzt realisiere ich, dass ich immer noch am selben Fleck stehe. Ein bisschen Kraft konnte ich schon regenerieren. Das muss reichen. Ich sprinte, nach einem letzten Blick auf, den nun schon von mehreren Schwertern durchbohrten, Rob, aus der Höhle in den Wald. Ohne mich umzudrehen renne ich, springe über Wurzeln und ducke mich unter Ästen hinweg. Ich weiß, was passieren wird. Rob wird sterben. Er wird mir nur etwas Zeit verschaffen können.

Nach einiger Zeit ertönt eine schwache Stimme in meinem Kopf. "Es ist nun Zeit sich endgültig zu verabschieden.... Du hast noch viel ... viel zu lernen, doch irgendwann ... irgendwann kannst du mich übertreffen. Du hast nicht nur meine ... meine Nachfolge angetreten, ... nein, du hast mir in meinen letzten Tagen noch etwas Freu ... Freude bereitet. Es war mir eine Ehre dich ..." Dann erlischt seine Präsenz. Rob ist tot. Nun gibt es für mich kein Halten mehr. Zerstört breche ich zu Boden und kann meine Tränen nicht mehr zurückhalten. Er war tot. Mein Meister, mein Freund, mein "Vater" war tot. Schluchzend rolle ich mich zusammen.

Ich wache durch leichten Regen der auf mich tropft auf. Trotz des stärkenden Schlafes fühle ich schwach und leer. Beim erneuten Gedanken an Robs Tod verkrampft sich mein Magen. Eigentlich will ich nicht aufstehen, doch nach einiger Zeit überwiegt der Gedanke an den letzten Willen meines Meisters. Deshalb sammle ich alles Kraft, um zurück zur Stadt zu gelangen. Es gibt nur ein Problem: ich habe keine Ahnung, wo sie liegt.

Ich weiß nicht, wie lange ich nun durch die Natur wandere, ohne jemanden getroffen zu haben. Es müssen Wochen oder Monate vergangen sein. Denn mir war inzwischen ein leichter Bart gewachsen und meine Haare reichen beinahe bis zur Schulter. Meine Kleidung sieht von mehreren Kämpfen zerschlissen aus und allgemein bin ich nicht in bester Verfassung. Seit Robs Tod hatte ich eine Blockade. Ich hatte mehrere Kämpfe gegen Dachse verloren und auch Hasen gingen mir oft durch die Lappen. Deshalb hatte ich auch hauptsächlich Beeren gegessen und war dementsprechend abgemagert.

Langsam schleiche ich durch den Wald, um potentielle Beute nicht aufzuschrecken, als ich in einiger Entfernung eine Person sehe. Sie trägt Tarnkleidung und beobachtet etwas von einem Vorsprung aus. Vorsichtig bewege ich mich auf ihn zu und erkenne ein Wappen auf seiner leichten Kleidung, welche mich darauf schließen lässt, dass er ein Spion ist. Ich hatte dieses schon irgendwo gesehen. Als er sich umdreht, ducke ich mich schnell hinter einen Busch. Nachdem er weggegangen ist, gehe ich sofort an den Rand der Vorsprungs. Was ich dort sehe, verschlägt mir den Atem. In einiger Entfernung sehe ich die Stadt mit riesigen Hochhäusern, beeindruckenden Tempeln und dem Palast hinter der hohen Stadtmauer. Mir steigen Freudentränen in die Augen. Ich habe es geschafft. Plötzlich durchbricht etwas die Stille. "Was suchst du hier?" Langsam drehe ich mich um und erkenne den Spion. Er richtet einen kleinen Dolch auf mich. Verdutzt schaue ich ihn an, antworte aber nicht. Irgendwo habe ich das Wappen schon gesehen. Dann fällt es mir plötzlich ein. Einer der Angreifer trug das gleiche auf seiner Rüstung. Wutentbrannt greife ich an. Wilde Faustschläge prasseln auf ihn nieder und ich schaffe es ihn in Richtung eines Flusses zu drängen. Doch plötzlich wirft er mich über sich. Dabei verpasst er mir einen Kratzer am Kinn. Nun muss ich zurückweichen und werde immer weiter an den Abgrund getrieben. Panisch schaue ich mich um, doch mein Gegner hat mich dummerweise auf einen  separaten Vorsprung gebracht. Im letzten Moment kommt mir eine Idee. "Letzte Worte?", fragt er, doch ohne meine Antwort abzuwarten rammt er mir seinen Dolch in die Brust. Schmerzerfüllt taumle ich auf ihn zu, packe ihn und lächle. "Wie steht's mit dir?" Geschockt schaut er mich an und will sich losreißen, doch ich schaffe es ihn über die Klippe in den Tod zu schleudern. Anschließend kippe ich vor Schwäche hinterher. Ich falle jedoch in einen See, während sein Körper auf den harten Steinen zerfetzt wird.

"Hallo? Kannst du mich hören?", holt mich eine dumpfe Stimme zurück. Ich lebe? Langsam öffne ich meine Augen und sehe ein Mädchen mit blauen Augen und wunderschönem, langem, braunem Haar. Sie trägt ein langes blaues, verziertes Kleid und bändigt Wasser, um die Stichwunde in meinem Brustkorb zu heilen. Währenddessen schaut sie mich erleichtert an. "H...h...hey", ich höre mich gar nicht gut an. Meine Stimme ähnelt mehr einem Krächzen als wirklichem Sprechen. "Sprich nicht!", befiehlt mir meine Retterin. Ich nicke und schaue in den Himmel. Wieder überlebt. Ich habe schon wieder so viel Glück gehabt. Nicht nur Glück. Sie hat mich gerettet. Wenn sie mich nicht heilen würde, dann würde ich verbluten. "Danke ...", fange ich an, doch bemerke, dass ich ihren Namen nicht kenne. "Katara", hilft sie mir und ich kann mich endlich bedanken. "Danke Katara."

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