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„Aufwachen." Ein Kuss wurde sanft auf meine Nasenspitze gesetzt.
Müde öffnete ich meine schweren Lider. „Was ist?", grummelte ich und blickte diese umwerfenden Augen an. In ihnen schimmerten die Grüntöne des längst vergangenen Regenwaldes und kämpften darum jeden noch so kleinen Sonnenstrahlen einzufangen.
„Es ist ein wunderschöner Morgen." Ein weiterer Kuss, diesmal auf meine Stirn, doch ich schien mich langsam daran zu gewöhnen, denn müde murmelte ich: „Lass mich in Frieden! Ich will schlafen."
„Nun dann werde ich wohl an deiner Stelle deinen Kakao mit ganz vielen extra Marshmallows trinken müssen", erklärte Lucian mir breit grinsend. Er war wahrlich der Teufel!
„Und dein Teddy hier", fuhr er fort, „wird die gesamten Pancakes alleine verdrücken. Riech nur wie gut sie duften, da läuft einen wahrlich das Wasser im Mund zusammen. Aber bitte, wenn du das verschlafen möchtest?", fragend hielt der Mistkerl inne und wartete.
Natürlich fiel ich auf seine offensichtliche Falle hinein und schnupperte. Es roch wahrlich köstlich und der Hunger trieb allmählich die Müdigkeit davon. Langsam und genüsslich streckte ich mich, bevor ich mich aufsetzte. Lucian schob mir mit einem breiten Lächeln ein Tablett auf den Schoss. Dieses war sogar noch überladener als das von gestern.
Eine Leckerei türmte sich neben der anderen und mir fielen fast die Augen aus den Kopf, als ich das reichhaltige Angebot aus Pfannkuchen, Eiern, Speck, Marmelade, Brötchen und Kakao sah.
„Ich bin im Himmel", flüsterte ich ehrfürchtig, immer noch ganz verzaubert.
„Nein, nur bei mir", erklärte Lucian stolz und griff sich eine der zwei Gabeln. „Nun iss am besten, das Essen wird sonst noch ganz kalt."
Ich gehorchte und die wundervollsten Aromen schlugen in meinem Mund Wellen. Es war wahrlich so als sei ich im Paradies.

Als wir aufgegessen hatten, ergriff Lucian das Wort: „Nun da du scheinbar bei weit besserer Laune bist und nicht mehr ein kleines grummeliges Bettdeckenmonster, kann ich dir sagen, wieso ich dich so früh geweckt habe." Neugierig musterte ich ihn. Er schien wirklich ganz aufgeregt zu sein. Seine Augen funkelten und um seine Lippen zuckte immer wieder ein süßes Lächeln. „Wir werden zusammen spazieren gehen." Er strahlte mich breit an.
Würde er von mir dieselbe Reaktion erwarten? Vielleicht schlug ja seine Begeisterung auf mich über...
Ich blinzelte, wartete einige Sekunden, doch meine Laune blieb gleich. „Spazieren?", jammerte ich. Im Gegensatz zu ihm freute ich mich darauf wirklich nicht so besonders. Ich wollte nicht wie eine klischeehafte Informatikerin wirken, doch ich behielt meinen Bewegungsdrang unter Kontrolle, in dem ich vom Kühlschrank zu meinem Laptop und wieder zurücklief.
Es war wohl ein kleines Wunder, dass ich noch nicht kugelrund war. Wahrscheinlich lag das jedoch nur daran, dass ich zumeist zu faul war, mir eine ordentliche Mahlzeit zu kochen und mich hautsächlich von Snacks ernährte. Wobei letztere auch sehr häufig nicht mehr im Haus waren, weil ich mich vor dem großen Einkauf drückte.

„Freust du dich denn nicht?", fragte Lucian scheinbar wirklich überrascht nach.
„Sollte ich das?", gab ich zögerlich zurück.
„Ich dachte, du würdest dich freuen, wenn du mich in meiner Wolfsgestalt sehen kannst."
Einen Moment war ich noch verwirrt, dann dämmerte es mir. „Du willst dich verwandeln und mit mir in Wolfsgestalt spazieren gehen?"
„Nun wenn du das nicht willst, können wir auch gerne etwas anderes..."
„Nein ich möchte das auf jeden Fall! Ich dachte beim Wort spazieren, nur an langweiliges nebeneinander hertrotten."
Sofort kehrte das siegessichere Grinsen wieder in Lucians Gesicht und seine Begeisterung war spürbar. „Na dann auf geht es, kleiner Spatz. Zieh dich am besten zuerst ganz schnell um."

Sofort stürmte ich aus seinem Zimmer in das Meine.
Ich war dankbar, das Lucian mir nicht diesen Rückzugsort entzog, obwohl ich bis jetzt jede Nacht in seinem Bett verbracht hatte. Allein seine Anwesenheit, schützte mich vor den meisten Albträumen. Jedoch das sichere Wissen zu besitzen, dass man sich jederzeit in diesem Zimmer verbarrikadieren konnte, half mir aus einem lächerlichen Grund sehr viel.
Rasch warf ich mir das Erstbeste über und eilte dann erneut in Lucians Zimmer. Er wartete bereits auf mich. In der Hand hielt er ein paar klobige, wirklich hässliche Wanderschuhe.
Ich zog diese nur an, weil Lucian drohte sich sonst nicht zu verwandeln. Meine Neugier auf seine Wolfsgestalt war einfach zu groß, um wegen einem Paar viel zu schwerer Schuhe zu streiten.

Gemeinsam liefen wir durch den Wald. Man hatte sich viel Mühe gemacht um hier wieder einen Gewischtwald zu erschaffen, indem man langsam einige Laubbäume neben den Nadelbäumen hochgezogen hatte.
Die Luft war erstaunlich frisch und lud einen fast schon zum atmen ein. Alles im allen war dies ein sehr schöner Ort, doch langsam wurde ich auch ungeduldig. Wir waren immerhin bereits seit etwa einer halben Stunde unterwegs und Lucian machte nicht den Eindruck, als würde er sich gleich verwandeln.
„Wohin gehen wir?", fragte ich sicherlich zum tausendsten Mal nach.
„Warte ab. Es ist eine Überraschung." Lucians Grinsen war voller Schalk. Er erinnerte mich für diesen einen Moment an einen kleinen Jungen, der voll Begeisterung durch den grünen Wald herumtobte. Seine Augen, die die gleiche Farbe wie junge Blätter im Frühling hatten, glänzten und führten seine flinken Füße sicher über den unebenen Boden.
Leider war ich nicht so elegant unterwegs, sondern stolperte Lucian mehr schlecht als recht hinterher. Immer wieder fing er mich auf, wenn eine weitere Wurzel mir ein Bein gestellt hatte.

Nach einiger Zeit vernahm ich etwas Ungewöhnliches. Ein seltsames Rauschen lag in der Luft. Neugierig nahm ich das fremde Geräusch in mir auf. Was konnte das nur sein?
Je weiter wir in den Wald vordrangen desto lauter wurde das Rauschen, bis es schon fast ohrenbetäubend wurde.
Lucian warf mir ein Lächeln zu. Er hielt mich einen Moment an den Händen fest und erklärte dann: „Lauf ein kleines Stück weiter ohne mich. Ich werde gleich wieder bei dir sein. Pass auf, dort vorne ist der Boden nass und sehr rutschig."
Ich schaute ihn erstaunt an. Wieso schickte er mich vor?
Er schien meinen ungläubigen Blick zu bemerken und lachte. „Keine Sorge ich bin gleich wieder da." Rasch strich er mir über meine Haare und entfernte sich dann von mir.
Ich zuckte mit den Schultern. Was sollte mein Theater? Ich würde es sicherlich schaffen fünf Minuten alleine zu sein.
Kurz atmete ich tief durch. Winzige Wassertropfen schienen in der Luft zu schweben und meine Kehle mit einem kühlen Nass zu benetzen.
Vorsichtig begann ich einen Schritt vor den anderen zu setzen. Ich würde herausfinden, was das für ein Geräusch war!

Langsam bewegte ich mich weiter vor. Lucian hatte recht gehabt. Der Boden hier war sehr feucht. Die Erde war so stark aufgeweicht, dass sie eine dicke Schlammschicht bildete. Nun war ich mehr als ein bisschen froh, dass ich Wanderstiefel trug.
Vorsichtig tastete ich mich voran und konnte kurz darauf meinen Augen kaum glauben.
Vor mir erstreckte sich ein gewaltiger See. Seine Oberfläche wirkte am Rand, wo ich stand, vollkommen ruhig und bildete einen perfekten Spiegel, doch am anderen Ende flogen unzählige kleine Wassertropfen auf. Die gewaltige Last eines Wasserfalls ließ die Tropfen über den gesamten See springen und sich in der Luft verteilen. Die winzigen Wasserperlen, spalteten die Strahlen der Sonne und warfen unzählige kleine Regenbögen.
Vollkommen von diesem Schauspiel gebannt, konnte ich meine Augen nicht abwenden. Kein Ton kam aus meinem Mund, so als befürchtete ich dieses gewaltige Naturphänomen mit meiner bloßen Anwesenheit zu stören.
Doch plötzlich spürte ich etwas Warmes und Feuchtes sanft an meinen Rücken stupsen.

Soulmates #kleineJuwelenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt