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„Das würde ich Ihnen nicht raten", erwiderte der Arzt sofort. Seine Stimme klang angespannt und ein Teil seiner sonstigen Freundlichkeit war aus ihr verschwunden.
„Ich dachte wir dürften in jedem Raum? Haben Sie schon vergessen, dass wir uns wegen Ihrer Einschätzung auf der Schwelle zu einem Krieg befinden? Haben Sie wirklich den Grund vergessen, weswegen ich mit nur drei weiteren meiner Männer und einem Haufen menschlicher Polizisten hier bin? Es ist abgemacht, dass wir jeglichen Raum untersuchen dürfen. Wenn wir Beweise dafür finden, dass Sie hinter dem Rücken der Regierung einen Krieg begonnen haben, dann ist diese furchtbare Zukunft abgewandt. Sie haben versprochen mit uns und dem Staat zu kooperieren, oder wollen Sie dies etwa leugnen?" fragte Lucian wie eine Schlange nach. Er klang mehr als ein bisschen gereizt. Ich konnte ihn zwar nicht sehen, doch mein Gefühl sagte mir, dass er bald dem Mann an die Kehle springen würde.
Auch mein Peiniger schien dies leider zu wittern, denn sofort warf er ein: „Nun auf keinen Fall möchte ich Ihnen widersprechen. Sie können natürlich jeden Raum inspizieren. Nur wie gesagt, dieses Tier ist unberechenbar. Es ist mordlustig. Was würde wohl mit der angespannten politischen Lage passieren, wenn Sie verletzt werden?"
Eine andere Stimme antwortete, auch diese kam mir irgendwie bekannt vor: „Nun darüber müssen Sie sich überhaupt keine Sorgen machen. Hier sind genug Zeugen. Ich bin der Beta unseres Rudels." Ich wusste doch, dass mir die Stimme bekannt vorkam! Sie gehörte also zu Gregor. „Selbst wenn Lucian sterben und ich das Geschehen als Unfall einstufe, würde das Rudel keine Rache verlangen. Natürlich würde ich in diesem Fall das Geschehen ebenfalls der Presse erklären, sodass Sie sich wirklich um nichts kümmern müssen."
Vorsichtig setzte der Doktor erneut an: „ Nun wenn Sie darauf bestehen, aber..." Ich konnte die Angst in der Stimme des Wissenschaftlers praktisch riechen.
„Ich insistiere", unterbrach Lucian den Doktor mit einem halben Knurren.
Ein grimmiges Grinsen stahl sich auf mein Gesicht und ließ meine Zähne fletschen. Dieser Mistkerl von Wissenschaftler war bereits jetzt so was von Hackfleisch.

Kurz darauf betrat Lucian den Raum. Er sah furchtbar aus. Seine Wangen waren eingefallen und schwarze Ring umrahmten seine nun blass grünen Augen, trotzdem konnte ich nicht anders als mich unglaublich zu freuen. Ich begann auf ihn zu zustürmen, doch sofort wich er wieder auf den Gang zurück. Er fing sogar an die Türe hinter sich zu schließen!
„Sehen sie vollkommen unbe...", begann mein Peiniger siegessicher, doch ich wirbelte herum und rannte in eine Ecke.
Tiefe Trauer durchschnitt meine Brust. Lucian erkannte mich nicht. Panik stieg in mir auf und ich wollte nichts weiter tun, als voll Verzweiflung aufschreien. Trotz dieser Gefühle blieb ich stumm und bewegungslos. Ich musste mich zurückhalten, das war meine einzige Chance Zeit zu gewinnen. Doch was sollte ich dann tun? Irgendwie musste ich mich Lucian zu erkennen geben. Ich musste mich zurückverwandeln, doch wie sollte ich das schaffen? Stundelang hatte ich versucht in meine menschliche Gestalt zu kommen, immer und immer wieder, doch es hatte nichts gebracht.
Die Tür begann sich wieder zu öffnen. Erleichtert stellte ich fest, dass Lucian erneut den Raum betrat.
„Du brauchst vor mir keine Angst zu haben", erklärte er mir dabei sanft. Seine Stimme war so freundlich. Sie war das komplette Gegenteil zu der Folter, die man mir Tag für Tag angetan hatte. Wieso erkannte er mich nicht? Müsste er es nicht spüren, dass ich seine Soulmate war. War wirklich auch das letzte Stückchen unserer Verbindung verloren? Versuchte Lucian bloß ein faszinierendes, wildes Tier mit seiner wundervollen Stimme zu beruhigen?
„Ich werde jetzt langsam auf dich zu kommen. Sobald du knurrst, bleibe ich auf der Stelle stehen", erklärte er weiter. Würde er wirklich so mit einem wilden Tier sprechen? Es konnte ihn doch nicht verstehen. Ich musste an mich halten um nicht voller Frust sofort los zu knurren.
Tapfer biss ich die Zähne zusammen, während ich in meinen Gedanken nach ihm schrie. Ich wollte Lucian einfach berühren und mit ihm sprechen. Verzweifelt versuchte ich nach dem Band in meinem Inneren zu greifen, doch dort war nichts. Die Trauer in mir und mein Verlangen nach seiner Berührung stiegen ins Unermessliche. Lucians Hand sollte durch mein weiches Fell fahren. Er sollte mich umarmen. Ich brauchte ihn doch!
„Das machst du sehr gut", fuhr Lucian mit seiner sanften Stimme fort.
Ich blieb so still sitzen wie ich nur konnte. Auf keinen Fall wollte ich meinen Gefährten verjagen.
„Sie dürfen ihr nicht zu nahe kommen!", erklang auf einmal die Stimme des Wissenschaftlers aus den Lautsprechern.
Gerade so verkniff ich mir ein Knurren und verwandelte es in ein wütendes Schnauben um.

Soulmates #kleineJuwelenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt