Kapitel 7

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"Hey Mama, bin wieder da!"
Rufe ich in den Hausflur hinein, ehe ich mich munter summend auf den Weg in mein Zimmer mache. Dort setzte ich mich an meinen Schreibtisch, nehme allerdings nicht meine Hausaufgaben sondern mein Handy heraus, um Instagram und Whatsapp zu checken und um sicher zu gehen, dass ich meine Snapchat-flammen behalte.
Ja... Snapchat-flammen. Ich bin jetzt kein totaler 24/7 Suchti, aber wenn ich Zeit habe kann ich mich auch um meine Flammen kümmern. Einige habe ich jetzt schon fast ein Jahr, wie zum Beispiel die Flammen mit Sophie. Sie war auf der alten Schule meine beste Freundin und hat jetzt auf ein Oberstufenzentrum mit Schwerpunkt  Kunst gewechselt.
Von dort schickt sie mir immer Snaps, ich von meiner Schule. Irgendwie versuchen wir wohl so zu überdecken, dass wir uns seit den Sommerferien nicht mehr gesehen habe. Wobei ich sie, so fies das klingt, auch nicht sonderlich vermisse. Hier habe ich ja Flo und Frodo, Kelly und Melina, Rick und Steve.
Trotzdem haben wir beide uns für dieses Wochenende verabredet und ich bin gespannt zu sehen ob und wie sie sich verändert hat.
In diesem Moment klopft es an meiner Zimmertür und mit meinem "Herein!" Fällt auch meine Mutter ins Zimmer.
"Czesc kochanie."
(Hallo mein Liebling.)
Sagt sie auf polnisch. Dabei lächelt sie mich mit diesem totalen Klischee Mama-Lächeln an. "Hallo Mama..."
Antworte ich, allerdings auf Deutsch.
"I co dzis robiles , czytalam, ze byles u Florian."
(Und was hast du heute gemacht? Du warst wieder bei Florian, habe ich gelesen.)
"Gralismy w gry komputerowe."
(Wir haben Computerspiele gespielt...)
Was für welche sage ich lieber nicht, meine Mutter ist gegen Shooter, allgemein ist sie gegen vieles. Nicht Nazi-mäßig aber ich würde sie schon als Rechts-Konservativ bezeichnen.
Rechts-Konservativ, was für ein tolles Wort. Bis vor einigen Wochen kannte ich nicht mal, jetzt nutze ich es für alles mögliche.
"Myszko o czym myslisz?"
("Mäuschen, woran denkst du denn?" )
Wieder Polnisch, wie immer. Meine Mutter redet eigentlich nie Deutsch, was für mich den Vorteil bringt, dass ich inzwischend fließend Polnisch kann.
Mein Vater, welcher ebenfalls aus Polen kommt,ist vermutlich der einzige Grund, weswegen ich meine ersten Lebensjahre überhaupt Deutsch gelernt habe. Er und meine 3 größeren Geschwister, welche im Vergleich zu mir auch alle Weltmeister im Polnisch sind. Denn die Sprache welche in den ersten Lebensjahren meiner Geschwister Zuhause gesprochen worden ist war, wer hätte es gedacht, Polnisch. Als ich dann da war haben die drei sich aber schon inoffiziell auf Deutsch geeinigt.
"Czy slyszysz co do ciebie mowie?"
(Hörst du mir überhaupt zu?) Meine Mutter klingt langsam etwas genervt, verständlicher Weise.
"Tak oczywiscie."
(Ja klar...)
"Dobrze, to mozesz mi pomoc w gotowaniu."
(Gut, dann kannst du mir ja jetzt beim Kochen helfen.)
Seuftzen lege ich mein Handy weg und Folge ihr die Treppe hinunter in die Küche. Das Essen ist schon fertig, der Tisch nur nicht gedeckt, was ich murrent übernehme. "Eigentlich wäre heute Alina dran gewesen..." sage ich in die Richtung meiner Mutter, diese zuckt nur mit den Schultern.
"Ale Alina ma jutro sprawdzian i wlasnie sie uczy."
(Aber Alina hat morgen eine Klausur, sie lernt.)
"Wer es glaubt..." nuschel ich. Okay, vielleicht schreibt sie ja wirklich was, aber lernen tut sie zu 99,9% nicht mehr. Denn selbst wenn sie sogar ihr Buch offen hat ist sie momentan bestimmt auf Whatsapp oder Instagram.
"Przyprowac prosze twoje rodzenstwo i ojca."
(Kannst du deine Geschwister und deinen Vater bitte holen?)
"Klar..." Seuftzend stehe ich auf und stapfen die Treppe hoch. Von meinen 3 Geschwistern wohnen nur noch 2 Zuhause, mein ältester Bruder ist vor einem halben Jahr ausgezogen.
"Chris...essen ist fertig..." Rufe ich in Richtung seines Zimmers, ehe ich das gleiche für meinen Vater mache. Nur das Zimmer meiner großen Schwester Alina betrete ich. Und tatsächlich, ich hatte Recht. Alina sitzt mit Kopfhörern in den Ohren über ihrem Handy und macht vieles aber zumindest keine Hausaufgaben.
Ein Grinsen huscht mir übers Gesicht, da sie mich noch nicht bemerkt hat bietet sich mir heute eine der seltenen Gelegenheiten um sie zu erschrecken.
Also schleiche ich mich, möglichst unauffällig an sie ran, ehe ich sie von hinten an den Schultern packe. Wie erwartet zuckt sie unglaublich zusammen, bevor sie anfängt rum zu schreien. "Alter Vanessa! Wie oft habe ich dir gesagt das du anklopfen sollst!" Grinsend Rufe ich: "Essen ist fertig!" Ehe ich mich vor ihren Schreien in Sicherheit bringe. Denn meine Schwester schreit viel, laut und hoch, was ich zumindest sehr nervig finde.
Beim Abendessen hat sie sich zum Glück wieder beruhigt, weswegen wir Kinder stumm unsere Brote essen, während mein Vater von seinem spannenden Arbeitstag als Kranfahrer erzählt. Sehr spannend, auf jedenfall.
Aber immerhin aufregender als der Beruf meiner Mutter. Denn wenn sie mal nicht Klischeehausfrau spielt ist sie Sekretärin bei einem ursprünglich polnischen Unternehmen für Bohrmaschinen.
"Und Vanessa? Wie läuft es in der neuen Schule? Du hast in letzter Zeit kaum vom Unterricht erzählt."
Ich hebe den Blick von meinem Gurkenbrot und sehe meinen Vater an. "Ja... alles Gut..." Murmel ich, dabei schiebe ich mir schnell noch ein weiteres Stück Brot in den Mund um nichts mehr sagen zu müssen. Aber mein Vater lässt nicht locker und hakt nach: "Wie sind denn deine Lehrer so? Hast du schon Freunde gefunden? Habt ihr schon einen Test geschrieben?"
Genervt rolle ich mit den Augen. "Alles Gut, wirklich. Und ja, ich habe Freunde gefunden. Welche übrigens an Halloween eine Party schmeißen. Darf ich hin?" Jetzt lächel ich, blinzle lieb aber kann an den Gesichtern meiner Eltern ablesen wie hoffnungslos diese bitte ist.
"Schön das du schon so schnell Freunde gefunden hast! Du kannst sie uns ja mal vorstellen." Mein Vater tut ja so, als wäre ich nicht schon seit fast 2 Monaten sondern erst seit wenigen Tagen auf meiner Schule. Und auf die wirklich wichtige Frage hat mir noch niemand geantwortet.
"Also? Die Party?" Alina neben mir seufzte, tritt mir unter dem Tisch gegen mein Bein. Meine Mutter seufzt auch, allerdings nicht mitleidig wie meine Schwester sondern so, wie man seufzt, wenn man gerade einem 5 Jährigen Kind erklärt, dass es ins Klo und nicht daneben pinkeln soll.
"Schatz, wir wollen nur das es dir gut geht. Und wenn du deine Grenzen noch so wenig selber einschätzen kannst..."
"Ja wieso konnte ich das denn nicht?! Weil ihr mir nie erlaubt habt meine Grenzen auszutesten! Und dann habe ich das einmal gemacht, wohlgemerkt als ich fucking 15 gewesen bin, und jetzt darf ich mein Leben lang nicht mehr auf Partys oder was! Ihr seid doch bescheuert! Und wie soll ich denn... Ach egal!" Schnell schiebe ich mir das letzte Stück von meinem Brot in den Mund, ehe ich wütend aufstehe, meinen Teller und mein Besteck in die Spülmaschine knalle und dann nach oben in mein Zimmer verschwinde.
"Party geht 100% nicht, meine Eltern sind so dumm..." schreibe ich in den Gruppen Chat von Flo, Frodo und mir. Danach sehe ich mich um und überlege was ich machen könnte. Letztendlich läuft meine Entscheidung darauf hinaus auf meinem Handy zum 100. Mal Pocahontas zu gucken und von der Liebe meines Lebens zu träumen.

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Okay und ganz ehrlich... Das ist vermutlich eines der aufwendigsten Kapitel welche ich je geschrieben habe... Aber ich wollte das irgendwie auf Polnisch machen, wieso auch immer. Hoffentlich hat es euch wenigsten gefallen.
Und an dieser Stelle muss ich noch kurz Hanna danken, welche das alles für mich übersetzt hat.
Danke an dich!

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