Kapitel 14

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Ich lächel Melina an, drehe die Flasche und versuche zu verstecken, dass ich gerade absolut keine Lust auf Flaschendrehen habe. Lieber würde ich weiter mit Kelly reden, keine Ahnung wieso.
Aber sie hat ihren letzten Satz nicht beendet und es würde mich schon interessieren, was das wichtigste in ihrem Leben ist. Oder was ihr in ihrem Leben am wichtigsten ist. Für ihr Leben.
Es würde mich allgemein total interessieren zu erfahren, was sie über das Leben und alles darum herum denkt. Nicht das wir normalerweise nicht miteinander reden oder so, aber über solche tiefgründigen Themen?
Nein, meistens reden wir über Schule, Make-up, Disneyfilme, andere Leute, Hobbies, Familie... eigentlich über vieles, aber selten über die Zukunft.
Was vielleicht daran liegt, dass Kelly normalerweise sehr im Moment lebt. Sie handelt intuitiv, für sie zählt nur was man macht, nicht der Grund dahinter.
Möglicherweise ist das der Grund, weswegen mich ihre Aussage vorhin mehr als überrascht hat.
"Man... ihr seid ja beide gar nicht bei der Sache..." Brummt Melina plötzlich, ich hebe den Blick und sehe sie an. "Sorry... Ich... war in Gedanken..." murmle ich, meine Freundin schüttelt den Kopf. "Kein Problem... aber so macht es mir einfach keinen Spaß. Ich gehe wieder rein, wenn es euch nichts ausmacht." Dabei blickt sie insbesondere ihre Freundin an, aber Kelly nickt nur. "Zu das... Viel Spaß..."
"Euch auch viel Spaß..." grummelt diese nun, steht auf und stapft zurücl Richtung Haus.
"Also... ist dir für dein Leben das wichtigste?" Abwartend sehe ich Kelly an, beobachte, wie sie ihre Lippen zusammen presst, sich nachdenklich mit den Fingern durch die Haare fährt. "Tja... also..." Wieder unterbricht sie sich. Sucht nach Worten für das, was sie sagen will.
Einige Momente später fährt sie fort:
"Ich möchte etwas verändern. Ich möchte die Welt bewegen, möglichst viele Menschen berühren... vielleicht nur ein ganz kleines bisschen... aber... Ich möchte nicht nur ein Schatten in dieser dunklen Welt gewesen sein, wenn ich irgendwann sterbe möchte ich mehr gewesen sein als das. Ich... habe Angst davor, vergessen zu werden. Wenn ich irgendwann nicht mehr bin."
Ich weiß nicht, ob es am Alkohol liegt oder ob Kelly ein einfach sehr emotionaler Mensch ist... aber im flackernden Licht, welches durch die Scheiben zu uns durchdringt, kann ich einige Tränen auf ihren Wangen glitzern sehen.
Ich zögere. Ich weiß nicht was ich sagen soll,  der Drang sie einfach in den Arm zu nehmen und zu trösten wird immer stärker. Schließlich greife mit bebenden Fingern nach ihrer Hand, welche ich nun stumm halte.
''Ich werde dich niemals vergessen Kelly... versprochen..." Flüstere ich irgendwann leise. Kelly zuckt zusammen, als hätte sie für einen Moment vergessen, das ich anwesend bin. Dann huscht ein trauriges Lächeln über ihr Gesicht, während sie so leise, dass ich es fast nicht verstehen kann haucht: "Never make a promise that you can't keep."
Wir beide seuftzen im selben Moment auf, Grinsen dann schief.
Plötzlich meint Kelly: "Hast du Feuer?" Ich schüttle den Kopf, sie lacht. "War auch eine Rethorische Frage. Was bringen einem Zigaretten, wenn man sie nicht nutzen kann." Mit diesen Worten zieht sie eine Packung hervor, öffnet sie und nimmt sich eine. "Willst du auch?" Ich schüttle den Kopf, beobachte sie.
"Hast du schon mal geraucht?" Wieder nein, meine Freundin nickt. ''Willst du probieren?" Inzwischen hat sie auch ein Feuerzeug gefunden und versucht damit die Zigarette anzuzünden. Was allerdings eher weniger gut funktioniert, da sie beide Hände leicht beben. "Lass mich mal." Sage ich grinsend und nehme ihr die beiden Dinge aus der Hand. Aber eine Zigarette anmachen sieht leichter aus als es ist, erst recht wenn man getrunken hat.
"Teamwork." Meint Kelly irgendwann, also halte ich das Feuerzeug und sie hält die Zigarette in die kleine Flamme.
Irgendwann haben wir es schließlich geschafft und Kelly nimmt stolz lächelnd den ersten Zug.
"Normalerweise rauche ich nicht, weißt du ja. Aber heute... Keine Ahnung. Also, willst du probieren?"
Unsicher schüttle ich den Kopf. Der Rauch zieht an mir vorbei, er riecht leicht unangenehm, aber nicht zu sehr.
"Also ich will dich zu nichts drängen aber... du solltest es irgendwann mal ausprobieren. Irgendwann. Jetzt." Mit diesen Worten drückt sie mir die Zigarette in die Hand, schnell gebe ich sie ihr wieder zurück. ''Nein Kelly... wirklich nicht..."
Könnt ihr euch vorstellen das man etwas nur nicht macht, weil man Angst hat zu verkacken? Das ist ungefähr meine Motivation in diesem Augenblick.
Denn klar, Zigaretten sind ungesund und so, aber von einem Mal ziehen stirbt man ja nicht. Außerdem habe ich es dann mal gemacht. Und ich würde es wirklich gern ausprobieren, jetzt, hier, wieso nicht.
Aber die Angst das sie mich auslacht weil ich zu dumm bin an diesem Ding zu ziehen ist zu groß.
"Wieso nicht?" Fragend sieht Kelly mich an, ich zögere. Mein Grund ist dumm und peinlich, nichts was ich gerne zugeben würde. "Komm schon... Ich hab dir auch was über mich gesagt. Du bist dran."
Da hat sie recht, aber ich zögere immer noch.
"...und komm mir jetzt bloß nicht damit das es ungesund ist. Also, ich höre?"
Ein Seuftzen entflieht meinen Lippen, als ich leise sage: "Ich habe das noch nie gemacht und... habe Schiss davor, einfach total zu verkacken. Ich habe keine Ahnung davon."
Für einen Moment sieht mich Kelly an, sie überlegt was sie sagen soll, greift zu der Flasche und trinkt einen Schluck. Dann zieht sie an der Zigarette, beugt sich vor und pustet mir den Rauch ins Gesicht.

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