Kapitel 15

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"Und jetzt sag mir bitte noch mal, was ich gemacht habe."
Fassungslos sitze ich gegenüber von Frodo am Küchentisch und stochere in meinen, inzwischen lätschernen, Cornflakes rum. Max auf der anderen Seite des Tisches sieht unterdessen betreten zu Boden, die ganze Situation scheint ihm sichtlich unangenehm zu sein.
"Du hast mit Kelly rumgemacht..." murmelt er, fährt sich dabei nervös durch die Haare. "An was erinnerst du dich denn noch...?" Fragt er mich leise, ich seuftze und schiebe mir einen Löffel Cornflakes in den Mund, ehe ich verzweifelt antworte:
"Nichts. Nichts, Nichts und wieder Nichts! Höchstens Bruchstücke und alles ist durcheinander. Ich weiß echt nicht... Ich habe keine Ahnung was alles passiert ist.
Scheiße man, ich trink nie wieder so viel!"
Verzweifelt vergrabe ich meinen Kopf in den Händen, seuftze und frage nach einem anderen, mir besonders wichtigen, Punkt:
"Und... Kellina?"
Frodo schüttelt den Kopf. "Ich glaube das mit den beiden... tut mir echt leid das zu sagen, aber das ist wohl gelaufen... Aber was dachtest du denn?! Sorry wenn ich das jetzt so sage, aber Fremdküssen oder Fremdgehen ist echt das letzte..."
Ich nicke, meine Hände beben leicht, ich habe das Gefühl, dass ich bald anfange zu heulen. "Ich weiß doch... man... ich wollte nie diese eine Person sein, die eine Beziehung kaputt macht. Und jetzt habe ich die Beziehung zwischen zwei Freunden zerstört... Was zur Hölle..." Hauche ich leise, ehe ich mich den nun lätschernen Cornflakes zuwende.
"Naja... Ich glaube kaum das du Kelly gezwungen hast, mit dir rum zu machen... Also Kelly hat da vermutlich eher Schuld als du, so wie ich sie kenne. Hör auf dir unnötig Vorwürfe zu machen. Du kannst es jetzt nicht mehr ändern..." Frodo mustert mich etwas besorgt, ich stöhne auf.
"Man... Jetzt schau mich nicht an wie ein verletztes Tier!" Entschuldigend nickt er, zuckt dann jedoch mit den Schultern. "Ist das erste Mal, dass ich dich so neben der Spur sehe..."
"Na danke auch...''
Aber letztendlich weiß auch ich, dass ich gerade wirklich beschissen aussehe.
Tag nach der Party, was auch sonst. Aber dazu kommt noch, das ich versehentlich die Beziehung von Melina und Kelly zerstört habe, was mich um ehrlich zu sein in diesem Moment mehr als nur fertig macht. "Soll ich... Melina nachher mal anrufen und mit ihr reden?" Frage ich meinen Kumpel leise, dieser schüttelt den Kopf. "Lass das mal lieber... Flo wollte heute Nachmittag bei ihr vorbei gucken, aber wie ich sie einschätze liegt sie momentan im Bett und heult sich die Augen aus dem Kopf. Da würdest du ihr vermutlich nicht wirklich helfen... Sorry..."
"Ne... schon gut... wäre vermutlich sonso eher um mein schlechtes Gewissen zu beruhigen... Und das wäre eine falsche Motivation..."
Max nickt, ehe er einen Schluck aus seinem Glas nimmt und sagt: "So, genug Trübsal geblasen. Themenwechsel. Vorschlägt?" Als ich matt lächelnd den Kopf schüttle meint er: "Okay. Dann... hast du Physik schon gemacht?" Mit müden Blick schüttle ich den Kopf, und wenige Augenblicke später sitzen wir zusammen auf dem Boden und versuchen hinter eines der vielen Geheimnisse unserer Erde zu kommen.
Hoffnungslos.

***

Am Montag darauf wäre ich fast nicht in die Schule gegangen. Oder ich habe zumindest mit dem Gedanken gespielt, einfach zu sagen, dass ich Krank bin. So viel Unbehagen bereitete mir der Gedanke, heute Melina und Kelly in der Schule zu treffen. Meine Angst war jedoch zumindest teilweise unbegründet, da Kelly nicht in der Schule auftaucht und Melina nicht so aussieht, als würde sie mir gleich den Hals umdrehen. Dennoch verbringe ich die Pause heute lieber bei Steve und Rick als bei Melina, Frodo und Florian. Es ist mir so unangenehm Melina auch nur anzusehen, in ihr blasses Gesicht zu gucken, mit Augenringen welche sogar Flo Konkurrenz machen.
"Ey... Vanessa... warte mal..."
Ich drehe mich um und sehe Melina auf mich zu gehen, welche mich etwas unsicher ansieht.
"Hallo Melina... wie geht es dir so?" Frage ich leise, obwohl ich mir die Frage eigentlich auch sparen kann. Jeder kann sehen, dass es ihr beschissen geht. Wegen mir, weil ich mit ihrer Freundin rumknutschen musste.
"Den Umständen entsprechend." Antwortet Melina, ich nicke und stammel verlegen. "Tja dann... naja... Ich weiß nicht was ich sagen soll aber... tut mir echt Leid..." Meine Freundin zuckt aber nur die Schultern, ehe sie sich bei mir einhakt und mich in Richtung einer Bank zieht.
"Schon gut. Aber ich... Naja, ich wollte kurz mit dir reden. Über das ganze." Während sie sich auf das, vermutlich eiskalte, Holz der Bank setzt fährt sie fort: "Ich wollte dir eigentlich nur sagen, dass ich nicht wütend oder so auf dich bin. Nicht mal auf Kelly, was schon irgendwie merkwürdig ist. Die einzige Person auf welche ich irgenwie wütend bin, bin ich selber."
"Wieso das denn?" Frage ich, irgendwie schon sehr erleichtert aber auch schockiert.
"Naja... Weil ich die Beziehung mit Kelly so ernst genommen habe. Dass sie es nicht wirklich ernst meint hat sie mir schon gesagt, als wir zusammen gekommen sind."
Meine fast schwarzen Augen scheinen sie zu  durchbohren als sie weiter spricht: "Kelly ging es eher um das ausprobieren, sie war sich damals nicht sicher was ihre Sexualität betrifft und ja... Das ist dann dabei raus gekommen..." Melina vergräbt den Kopf in den Händen und atmet erst tief ein, dann aus. Etwas unsicher stelle ich meine Tasche ab und setzte mich neben sie, zögernd nehme ich meine Freundin in den Arm.
"Geht schon Vanne..." murmelt diese irgendwann und schiebt mich sanft weg. "Und? Wie geht es jetzt mit dir und Kelly weiter? Ihr wart doch auch irgendwie immer beste Freunde, oder?"
Melina nickt und betrachtet ihre Fingernägel, es ist die selben Geste wie Kelly sie manchmal macht, fällt mir in diesem Moment auf. Um sie nicht unter Druck zu setzten warte ich, bis sie irgendwann von sich aus sagt:
"Wir werden weiter befreundet bleiben und alles... bald wird es vermutlich auch wie früher. Aber noch... brauche ich etwas Abstand zu ihr. Es... ist noch alles zu..." Sie stockt, sucht die richtigen Worte, bis sie irgendwann aufgibt. "Ich komme mit der ganzen Situation einfach nicht klar. Es tut einerseits weh aber andererseits bin ich auch froh das... Naja, das der Traum geplatzt ist. Später hätte es noch viel mehr weh getan. Aber... wie geht es dir denn?"
Ihre blauen Augen durchbohren mich praktisch, ich frage mich, was dieser abrupte Themanwechsel soll, zucke dann einfach mit den Schultern. "Normal... Ich habe nur ein ziemlich schlechtes Gewissen, um ehrlich zu sein." Melina nickt und mustert mich einen Moment nachdenklich, ehe sie sagt:
"Musst du nicht. Also vielleicht ein ganz kleines bisschen, aber wenn ich es dir verzeihe, solltest du es auch tun. Zumal Kelly Schluss gemacht hat, nicht ich." Verwirrt blicke ich sie an: "Häh? Wieso das denn?"
Melina zuckt mit den Schultern. "Das solltest du Kelly fragen, nicht mich.
Und ihr wart ja betrunken, da kann so was schon mal passieren... Also mach dir keine Selbstvorwürfe. Ist ja alles gut."
Das unechte Lächeln auf ihren aufgebissenen Lippen kann den Schmerz in ihren Inneren nicht überspielen, aber das, was ihr nun vermutlich am besten hilft, ist Zeit. Darum lächel ich aufmunternd zurück, nehme sie noch einmal in den Arm, ehe ich aufstehe und mich verabschieden will, als sie plötzlich fragt: "Wie fandest du den Kuss? Das 'Rummachen'?"
Etwas überrumpelt durch diese Frage setzte ich mich wieder, starre sie an. "Also... Ich habe da bis jetzt nicht... wirklich darüber nachgedacht..." Stammel ich. Melina nickt und betrachtet mich nachdenklich. "Das war dein erster Kuss mit einem Mädchen." Die Feststellung klingt eher wie eine Frage, darum nicke ich zögernd.  "Also? Wie fandest du es?" Melina sieht mich abwartend an, ich weiß immer noch nicht, was ich antworten soll. "Was willst du denn hören?" Frage ich darum, sie lächelt. "Naja, findest du zum Beispiel das...  küsst Kelly gut? Gibt es einen Unterschied zwischen Jungen und Mädchen? Wie findest du..." Bevor sie weiter sprechen kann unterbreche ich sie: "Melina... Halt mal die Luft an. Ich weiß nicht ob Frodo es dir erzählt hat, aber meine Erinnerungen an Samstag Abend sind ein großer Haufen Scheiße. Und ich will das auch wissen, wirklich. Aber ich weiß es nicht.
Tut mir echt Leid..." Murmel ich am Schluss, Melina schüttelt den Kopf. "Muss es nicht. Ist doch alles gut. Ich hätte es nur mal interessant gefunden... Aber ja... Du wolltest gerade gehen, oder? Dann halt ich dich nicht auf. Bis Morgen Vanessa!"
Mit diesen Worten steht sie auf, umarmt mich zum Abschied und stapft in Richtung Ausgang davon.

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1350 Worte und eine Gastschwester welche den Tisch kaputt haut... Ich jedenfalls weiß, was mir besser gefällt :)

Aber was ich euch fragen wollte: Ich würde gerne etwas mit dem Schreibstil herum experimentieren, mal die Erzählerperspektive wechseln, oder so.
Hättet ihr damit ein Problem?
Welche Perspektiven würdet ihr euch wünschen?

Ich würde mich über eine Antwort freuen :)
Schönen Abend euch!

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