Kapitel 10

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Snow hatte vorher nie bemerkt, wie nett sie Silberherz doch fand. Nett war in dieser Hinsicht jedoch äußerst milde ausgedrückt, denn was sie auch machte und wohin sie auch ging: Sie konnte nur noch an ihn denken. Alleine der Gedanke an seine wunderschönen, silbergrauen Augen ließ ihre Beine puddingweich werden.

Seit zwei Tagen waren sie nun wieder bei der Herde des Zusammenhalts und Snow musste sich ganz schön in Acht nehmen, dass sie keinem der neugierigen Jährlinge von Silberherz großer Tat erzählte. So gerne sie es auch wollte, Silver Proud hatte es ihr nochmals ausdrücklich verboten.

Silberherz stand bei einer Gruppe von anderen Jährlingen und balgte sich mit ihnen. Snow wollte ihn nicht stören und beobachtete ihn aus der Ferne. Ach, wenn sie nun doch nur mit Timidus sprechen konnte. Er hätte sie mit Sicherheit verstanden.

Seufzend trottete Snow einem schattigen Fleckchen neben einem großen Felsen und ließ sich resigniert ins Gras plumpsen. Was sollte sie nur tun, damit Silberherz ihr endlich mehr Aufmerksamkeit schenkte. In letzter Zeit schien er sich noch weniger für sie zu interessieren, als sonst auch schon.

„Hey, Snow!", wieherte dann plötzlich eine Stimme über ihr. Mit angelegten Ohren blickte Snow zu dem Felsen auf, auf dem Tinni, eine kleine, freche Fuchsstute stand und grinsend auf sie herab blickte. Das hatte ihr gerade noch gefehlt. Tinni war zwar ihre beste Freundin, aber eigentlich wollte sie jetzt einfach nur alleine sein.

Tinni ließ sich durch Snows genervtes Schnauben nicht beirren, kraxelte den Felsen hinunter und landete dann, mehr ungeschickt als elegant, direkt neben Snow auf ihrer Nase. Snow unterdrückte ein Kichern.

„Glaubst du, ich habe nicht gesehen, wie du Silberherz in letzter Zeit anstarrst? Da wird doch nicht etwa jemand verliebt sein!"

„Wie kommst du darauf?", schnaubte Snow mit vorgetäuschter Überraschung. Tinni sah sie aus skeptisch blickenden Augen an.

„Okay, ich gebe es ja zu!", wieherte Snow leise, „Ich meine, sieh ihn dir an! Ist er nicht einfach wundervoll?"

Silberherz galoppierte laut wiehernd zusammen mit den anderen Jährlingen an ihnen vorbei, warf sich auf seinen Vordermann, riss ihn zu Boden und johlte laut, als der sich unter seinem Gewicht geschlagen gab.

„Ich glaube, ich denke, ich weiß, was du meinst", brummte Tinni halbherzig. Man merkte ihr genau an, dass sie Snows Interesse nicht im Geringsten teilte und dass sie die Vorstellung der halbstarken Jährlinge eher lächerlich als aufregend fand.

„Wenn du was von ihm willst, dann unternimm was mit ihm", riet ihr Tinni dann. Snow ließ die Ohren hängen.

„Das habe ich schon versucht, aber ich will ihn dann nie beim Spiel mit seinen Freunden stören und wenn er alleine ist, dann traue ich mich nicht, ihn zu fragen. Vielleicht probiere ich es später noch einmal."

„Mach es doch einfach jetzt!", lachte Tinni. Snow riss die Augen auf und starrte ihre Freundin an, als wäre sie verrückt geworden.

„Jetzt? Aber, aber-!"

„Hey, Silberherz!", wieherte Tinni und sprang auf, als Silberherz sich zu ihr umdrehte. Ein Blitz durchzuckte Snow und ihr Herz begann wie wild zu pochen.

„Tinni, spinnst du?!", zischte sie und verpasste der kleinen Fuchsstute einen unwirschen Stoß in die Seite, als Silberherz näher trat. Was sollte sie nur sagen? Was sollte sie tun? Hing ihr jetzt Gras in der Mähne?

„Hab ich gerne gemacht, Süße", murmelte Tinni nur mit einem breiten Grinsen, „Ich lass euch dann mal alleine."

„Tinni, warte, ich-!", versuchte Snow ihre Freundin aufzuhalten, doch da stand Silberherz auch schon direkt vor ihr. Snows Gedanken flatterten beim Anblick seiner verwunderten, grauen Augen auseinander, wie ein Schwarm Vögel, durch den ein Pferd hindurch galoppierte.

Silver Heart - Die Legende des silbernen HengstesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt