Kapitel 1

426 25 4
                                    

In einer dunklen Höhle, tief unter der Erde lebte der Gorgyn. Gorgyn stammte aus der alten Sprache und bedeutete so viel wie wandelnder Stein. Er war eine Kreatur, die aus dem steingewordenen Magma des Erdkerns entstanden war.

Seit hunderten von Millionen Jahren war das Magma im Erdkern auf und ab gesunken und hatte sich ausgerechnet in einer Höhle gesammelt, in der ein Magiestau schwarzer Magie ruhte. Es zogen dort Funken aus Zumarya, der dunklen Schattenwelt umher. Ein Klumpen aus Magma füllte die Höhle und begann dort auszukühlen. Die enorme Hitze zog die schwarze Magie an und verschmolz mit ihr. Und so hauchten die Funken dem leblosen Steinbrocken Leben in die Glieder.

Im Laufe der Jahre formte sich der Klumpen zu einer pferdeartigen Gestalt mit zwei spitzen, nach oben gebogenen Hörnern auf der Stirn. Seine Mähne bestand aus den Flammen der Unterwelt und sein Herz formte sich aus Stahl. Sein Körper strahlte eine solche Hitze aus, dass die Felswände der Gorgynhöhle zu schmelzen begannen, wen er ihnen zu nahe kam.

Im Laufe der Jahrtausende hatte der Gorgyn sich so mit seiner Hitze ein Tunnelwerk durch die Erdkruste gegraben. Einige der Tunnel stürzten mit der Zeit ein, sodass er sich weiter vor arbeitete und der Erdoberfläche somit immer näher kam. Wenn das passierte, egann die Erdoberfläche zu beben.

Der Gorgyn wusste jedoch nicht, dass er mit seiner Wanderung sein Leben gefährdete, denn an der Erdoberfläche war es lange nicht so heiß, wie im Erdinneren. Sein Feuer begann mit der Zeit zu versiegen und er versteinerte zusehends, was ihm sein Leben deutlich erschwerte.

Das Leben des Gorgyn hing am seidenen Faden, denn wenn er der kalten Erdoberfläche noch näher kam, wäre sein Schicksal besiegelt. Doch der Gorgyn war nicht dumm. Er spürte einen Vulkan auf und schmolz sich seinen Weg bis in den heißen Vulkankrater, wo er zum ersten Mal einen Blick über die Erde werfen konnte.

Einen Augenblick lang war er so erstaunt über den Anblick, dass er sich selbst vergaß. Das sanfte Licht, das sich über Berge und Täler legte, die grünen Bäume, die gluckernden Flüsse, der strahlend blaue Himmel, der Duft von Blumen und Heu, das Geräusch von Wind in seinen Ohren. Noch nie zuvor hatte der Gorgyn, der sonst immer in der Dunkelheit unter der Erde gelebt hatte, etwas so wundervolles gesehen.

Doch die Funken aus Zumarya, die im Inneren des Gorgyns loderten, gaben sich damit nicht zufrieden. Sie befahlen dem schwachen Wesen, die Macht über das Tal um jeden Preis an sich zu reißen. Ein Satz begann sich in seinem kleinen Kopf zu formen. Ein Name, so stark wie seines Trägers Macht.

Silver Proud.

Silver Proud.

Silver Proud.

Der Gorgyn wusste nicht recht, was er mit dieser Information anfangen sollte, also verzog er sich wieder zurück unter die Erde und erschuf einen Boten, der die obere Welt erkunden und ihn mit Informationen zu diesem besagten Silver Proud versorgen sollte.

Das Pferd, vom Gorgyn erschaffen, tat seine ersten Schritte an der Erdoberfläche, lernte zu sprechen und sich so zu verhalten wie alle anderen Pferde. Es lernte zu kämpfen, zu leiden, zu lieben. Und es schloss sich Silver Prouds Herde an.

Über Jahre hinweg schlich sich das Pferd von Silvers Herde davon, um seine Freunde an den Gorgyn zu verraten. Silver Proud ahnte weder etwas davon, wer der Verräter war, noch davon, was hinter seinem Rücken unter der Erde geschah. Er ahnte nicht, welch großer Verschwörung er all die Jahre über ausgesetzt war und welch großes Unheil sich deshalb über seine Herde ausbreiten würde.

Der Gorgyn wusste alles über ihn. Er wusste über seine Vergangenheit Bescheid. Er kannte seine Schwächen und seine Ängste. Er kannte ihn wie einen guten Freund, obwohl er ihn noch nie zuvor gesehen hatte. Über Jahre hinweg wuchsen Hass und Neid in der Kreatur aus Stein und Feuer, wie eine teuflische Saat.

Silver Heart - Die Legende des silbernen HengstesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt