IX

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Mein ganzes Leben hielt ich mich für unnormal, einen Außenseiter. Ich war praktisch immer alleine, hatte Angst wieder jemandem zu schaden. Dann finde ich diesen Ort und für einen kurzen Moment war ich nicht mehr alleine, war normal, hatte einen Ort, wo ich hingehöre. Doch die Blicke mit denen ich gerade angeschaut werde, erschrocken, verängstigt, erstaunt, sagen mir dass ich, mal wieder, alles andere als normal bin.

Wie die Geier stehen sie alle um mich herum und glotzen. Auf mich und Cáno. Er hat sich mittlerweile von den Ranken befreit und steht wieder. Ich komme nicht damit klar, so im Mittelpunkt zu stehen. Zu viel Aufmerksamkeit auf einmal. Dann wird mir klar, dass ich Cáno gerade vor allen hier bloßgestellt habe. Ich habe ihn auf ziemlich unfaire Art besiegt. Er hatte nicht mal ansatzweise eine Chance. Ich hätte ihn töten können. Er kommt auf mich zu und hilft mir hoch. "Komm, weg hier", sagt er sanft und zieht mich leicht mit. Mit gesenktem Kopf trotte ich hinter ihm her, raus aus der Menge, weg von den Blicken und dem Getuschel.

Wir kommen irgendwann an einer Hütte an die etwas größer ist als die anderen. Den ganzen Weg über habe ich auf meine Hände geschaut. Es war als hätte die Kraft von mir Besitzt ergriffen und instinktiv gehandelt. Es ging alles so schnell. Wäre dieses Brennen an meiner Schulter nicht gewesen, hätte ich ihn vermutlich noch umgebracht. 

"Nariell", ich zucke zusammen und blicke hoch. Vor mir steht Sael. "Was macht ihr hier?" Cáno antwortet für mich. "Sie hat kein Element-Tattoo. Ich wollte mit ihr kämpfen um es rauszubekommen, was ihre Gabe ist. Doch der Kampf ist anders verlaufen als geplant. Sie dir das an", er deutet auf meine Schulter. Sael scheint kein Stück überrascht. "So etwas habe ich mir schon gedacht. Ich habe eine seltsame Machtverzweigung in dir gespührt, die auf kein Element genau hindeutet. Ich hielt es zuerst für eine Einbildung, doch jetzt sehe ich, dass du einfach eine sehr mächtige Bändigerin bist, die alle vier Elemente beherrscht", erklärt er ruhig. Ich nicke. "Was bedeutet das jetzt für mich?", frage ich zögernd. Er schaut mir tief in die Augen. "Wenn es rauskommt, dass du so mächtig bist, werden die anderen Völker in dir eine Bedrohung sehen und Himmel und Erde in Bewegung setzen, um dich zu vernichten. Und das so schnell wie möglich. Denn je länger sie warten, desto mächtiger wirst du."

Uff. Das muss ich jetzt erstmal verdauen. "Das heißt ich muss mich versteckt halten und keinem was hiervon", ich lasse eine Flamme auf meiner Hand erscheinen, "sagen, oder?" Sael nickt. "Du scheinst dich schon gut mit Cáno zu verstehen. Ich möchte dass du ihr nicht von der Seite weichst und sie beschützt", sagt er an ihn gewandt. Cáno nickt. "Natürlich."

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Die nächsten Tage trainierte ich jeden Tag mit Cáno und Sael. Mit Waffen und ohne. Cáno ist der stärkste Bändiger nach Sael. Ich wurde immer besser darin meine Gabe mit Waffen zu verbinden und so effektiver zu kämpfen. 

"Du lernst schnell", meint er als wir grade Pause machen und ich am Bach, der neben der Grube langfliest, Wasser in mein Gesicht spritze. Er kniet sich neben ich und tut es mir gleich. "Danke. ich gebe mein Bestes." Er blickt mich an. In Bruchteil einer Sekunde erkenne ich meine Chance und nutze sie. Eine Liane schieße aus dem Bach, erfasst Cáno am Bein und zieht ihn rein. Wie ein nasser Hund sitzt er da. Ich falle rückwärts um vor Lachen. Und ehe ich's mir versehe schwappt eine Welle über mich. Ich schnappe nach Luft, weil das Wasser so kalt ist. Jetzt lacht er. "Ey", rufe ich und spritze ihn voll. Grinsend spritzt er zurück. Wie kleine Kinder planschen wir rum. 

Mit einem Satz springe ich auf ihn und er fällt rückwärts ins Kniehohe Wasser. Ich sitze auf seiner Hüfte und fixiere seine Arme mit meinen Händen. Ich bemerke erst an seinem breiten Grinsen wie zweideutig diese Position ist. Ich werde rot und stehe schnell auf. Ich steige aus dem Wasser und wringe meine Kleidung aus. ich erhitze meine Haut so weit, dass das Wasser verdampft und Ich wieder trocken bin. Cáno sitzt immer noch im Wasser und hat mich die ganze Zeit beobachtet. Er sieht sogar verdammt gut aus, wie er da mit nassen, zerzausten Haaren sitzt und mich anschaut. "Fertig mit glotzen? Willst du auch mal aufstehen", motze ich. Er grinst und steht auf. "Weist du eigentlich wie niedlich du bist, wenn du rot wirst?", sagt er und macht einen Schritt ausm Wasser. Natürlich werde ich sofort wieder rot. Peinlich berührt drehe ich mich um und gehe zurück in die Grube. Hinter mir höre ich ihn noch lachen bevor er mir folgt.

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Die Sonne verschwindet gerade als ich auf dem Weg zur Großen Halle bin. Von Innen hört man schon Stimmen, Gelächter und der Geruch von Essen strömt heraus. Ich bin jetzt seit einer Woche hier und fühle mich schon total zuhause. Doch mich plagt immer noch das schlechte Gewissen, weil ich 1. nicht weiß, wie es Legolas, Frodo und den Anderen geht und 2. Rovhón ist immer noch alleine da oben und weiß nicht was los ist. 

Ich betrete die Halle und gehe zur Essensausgabe. Eine Schüssel mit Gemüsesuppe, ein Stück Brot und ein kleiner Krug mit Wasser. So wie jeden Abend. Ich kenne hier erst sehr wenige, also suche ich mir einen leeren Tisch und setze mich. Sobald ich mich über mein Essen beuge erscheint eine Gestalt neben mir und setzt sich. Ohne auszuschauen, weiß ich wer das ist. "Da ist doch sicher noch frei, oder?", ertönt seine tiefe Stimme neben mir. Ich nicke. "Wie du siehst, ja", antworte ich. Wir essen schweigend nebeneinander bis ich aufstehe meine Schüssel wegzubringen.

Als ich wiederkomme steht Cáno. "Hast du jetzt was zu tun?", fragt er. Ich runzel die Stirn. "Nein, nicht dass ich wüsste-" "Gut. Komm mit, ich zeig dir was." er macht eine winkende Handbewegung. Verwirrt folge ich ihm.

Er führt mich über die dunklen Pfade, durch die Hütten bis zu einer Wand. Dort erkenne ich einen kleinen Weg der hinauf führt; wohin kann ich nicht erkennen. Zögernd bleibe ich stehen. "Sicher, dass es da lang geht?", er nickt und hält mir einen Hand hin. "Vertrau mir!" Langsam ergreife ich seine Hand und gemeinsam steigen wir hinauf.

Wir kommen immer höher und die Hütten unter uns werden immer kleiner. Es sieht so friedlich aus. Die Wasserdecke über uns kommt immer näher und ich frage mich, wo er mich da bitte hinbringt. Ganz oben zieht er mich in einen Felsspalt und es ist dunkel. Ich sehe nicht mal eine Hand vor Augen. Dann verlassen wir den Spalt und stehen vor dem See. Der Mond spiegelt sich auf dem Wasser und Glühwürmchen schwirren umher. "Es ist so wunderschön", hauche ich. "Ja allerdings...", murmelt er. "Wunderschön." Ich drehe meinen Kopf und blicke in das tiefe Dunkel seiner Augen. Wie ein tiefer Ozean, in dem man ertrinkt. "Vertraust du mir?", fragt er leise. Ich nicke. "Mach mal die Augen zu." Ich tue wie geheißen und schon spüre ich seine Lippen auf meinen. Nur kurz und federleicht aber das Gefühl war da. Langsam öffne ich die Augen wieder und er ist verschwunden. 

Laica Lóce || Herr der Ringe FF🛑Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt