Kapitel 17

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Wortlos nahm Eve die Decke und legte sie über sich. Natürlich vertraute sie Zayn, jedoch nagte es an ihr, dass sie den Verdacht etwas verschwiegen zu bekommen nicht ablegen konnte. Während sie schläfrig auf der Couch lümmelte, ging Zayn im Zimmer umher. Er schien nach irgendetwas zu suchen. Da er aber kaum ein Wort redete und sehr in sich gekehrt wirkte, sprach Eve ihn nicht an.
Kaum dass Mercury nach Hause kam, war Zayn dann verschwunden.
Er versicherte ihr zwar, dass es nicht lange dauern würde, doch verriet er kein Wort darüber, was er zu erledigen hatte.

Natürlich erhoffte sich Eve von Mercury mehr Informationen zu erhalten. Im Gegensatz zu seinem Cousin war dieser nämlich so entspannt wie gewohnt.

 “Mercury?”, begann sie, “Wie alt bist du?”

 “Zwanzig", antwortete er trocken mit einem belustigten Ausdruck in seinem Gesicht.

 “Nein, ich meine … in Wirklichkeit.”

 “Knackige 442", lachte er laut.

Einen Moment musste Eve seine Antwort sacken lassen, bevor sie eine weitere Frage stellen konnte.

  “Wie bist du mit dem Ganzen zurecht gekommen? Warum hattest du dich nie von Zayn abgewandt wie der Rest eurer Familie?”

Mercury setzte sich auf das Sofa gegenüber, so als wäre ihm bewusst geworden, dass dieses Gespräch eine ganze Weile in Anspruch nehmen würde.

 “Anfangs war es schwer, ganz besonders als nur noch Zayn und ich übrig waren. Unsere Familie und alle unsere Bekannten waren verstorben. Da fühlt man sich ziemlich einsam. Aber das hat uns dann auch richtig zusammengeschweißt.
Außerdem habe ich irgendwann gemerkt, dass diese ganze Sache auch etwas Gutes hat.
Ganz ehrlich, wer kann schon von sich behaupten alles erlebt und alles gesehen zu haben? Ich kann das.
Stell dir vor, du könntest tun und lassen was auch immer du willst, ohne Konsequenzen fürchten zu müssen.”

Eve hing an seinen Lippen, nahm jeden Satz in sich auf und dachte gründlich darüber nach.

 “Darf ich dich noch etwas Fragen?”

 “Klar”

 “Das im Krankenhaus eben, was hatte es damit auf  sich?”

Unschlüssig ließ Mercury den Blick durchs Zimmer wandern. Man sah ihm an, dass er überlegte, was er antworten solle.

 “Zayn hat dir nichts gesagt, stimmt's?”

Als Eve mit einem Kopfschütteln antwortete, biss er sich auf die Lippe. Er kämpfte sichtlich mit sich selbst.

 “Pass auf, Evelina, ich kann nicht viel dazu sagen”, brach Mercury daraufhin endlich sein Schweigen, “Nur soviel, ist es denn nicht merkwürdig, dass ein Pfleger in deinem Zimmer steht, dazu noch mit irgendeiner Spritze, obwohl Rosaline im Flur immer noch nach einer Schwester sucht, um ihr zu sagen, dass du wach bist?”

Es lief Eve kalt über den Rücken. Sie verstand was Mercury ihr damit andeuten wollte.

 “Kein Grund zur Sorge”, beschwichtigte Mercury sie schnell, “Zayn ist nur vorsichtig. Nach so langer Zeit ohne dich, ist er eben überbesorgt.”

 “Okay, aber wer sollte mir denn etwas antun wollen und warum?”

 “Zerbreche dir jetzt nicht deinen hübschen Kopf”, hörte sie Mercury, bevor er aufstand, “Ich mache uns jetzt mal einen Tee. Langsam wird es Abends echt kalt draußen.”

So glaubte er geschickt das Thema zu wechseln.
Nachdem er mit zwei Tassen schwarzen Tee zurückkam, hatte jedoch auch ihn die Neugier gepackt.

 “Wie kommst du denn klar?”, erkundigte er sich, wobei er Eve eine Tasse reichte, “Ich kann mir gut vorstellen, dass es ziemlich konfus sein muss.
Plötzlich bist du nicht mehr nur die kleine Studentin, sondern hast eine jahrhundertelange Geschichte … und einen Mann.”

“Konfus? Ja, das passt”, stimmte Eve nickend zu, “Wenn ich mich nur endlich an alles aus meiner Vergangenheit erinnern könnte, dann wäre es bestimmt leichter.”

Auch Mercury nickte als Zeichen seines Verständnis.

 “Kanntest du meine Mutter?”, äußerte Eve den behutsam Wunsch mehr über ihre Herkunft zu erfahren.

 “Nicht wirklich gut. Sie war sehr schön und gebildet. Sie und dein Vater gehörten zu den mächtigsten Familien im Land und wurden behandelt wie König und Königin. Mehr kann ich kaum sagen.”

 “Was ich auch seltsam finde ist, warum heißt das Buch dann ‘Romeo und Julia’, wenn es doch unsere Geschichte ist?”

 “Ihr habt damals einen riesigen Skandal ausgelöst. Da war es vielleicht das Klügste Ort und Name zu ändern.
Irgendwie hielt man es bei mir aber nicht für nötig.
Mercutio, das hat man einfach so stehen gelassen. Erst in den 60ern habe ich angefangen mich Mercury zu nennen. Man muss ja mit der Zeit gehen.”

Er grinste frech mit einem Augenzwinkern, bevor er hinzu fügte: “Kommt auch bei den Frauen besser an.”

Seine kesse Art entlockte Eve das erste Lächeln an diesem Tag.
Da kam auch Zayn wieder zurück ins Apartment.
In der Hand hatte er Eves Sporttasche.

 “Ich war auch gleich ein paar Sachen für dich holen. Besser du bleibst erstmal hier”, fiel er direkt mit der Tür ins Haus, “Rosaline hat die Tasche gepackt. Du müsstest also alles Wichtige haben.”

Daraufhin verzog Eve zwar kurz das Gesicht, besinnte sich dann allerdings auf das, was Mercury ihr erzählt hatte.
Zayn möchte nur ihr Bestes, auch wenn er dabei gerade über das Ziel hinaus schießt.

 “Ihr habt bestimmt Einiges zu besprechen”, murmelte Mercury, “Ich lasse euch mal alleine.”

Gerade als er aufstand, um sich in sein Zimmer zurückzuziehen, hielt Eve Mercury auf.

 “Nein, schon gut”, rief sie etwas zu laut, “Es ist auch deine Wohnung. Wir gehen rüber.”

Bevor Zayn überhaupt zustimmen konnte, war sie bereits vom Sofa aufgesprungen und hatte ihn an der Hand mit sich gezerrt.

Curse of TimeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt