So kurios, wie der gestrige Tag begonnen hatte, endete er zum Glück nicht. Ganz im Gegenteil! Wandas kleiner Versprecher entpuppte sich im Laufe des Tages als eine Überraschungsparty im Garten. Meine Eltern übertrafen sich jedes Jahr auf's Neue und so auch dieses. Im gesamten Garten hingen Lichterketten. Sie hatten etwas magisches in der Abenddämmerung und zauberten eine angenehme Atmosphäre. Passend zu den Lichtern umhüllten weiße Tischdecken und Sitzbezüge die jeweiligen Gartenmöbel. Das Buffet war köstlich, die Blumen wunderschön und alles erinnerte an eine kleine, gemütliche Gartenhochzeit.
"Kim?", wurde ich aus meinen Gedanken gezerrt.
"Kim? Es tut mir sehr leid, falls ich Sie aus ihrer Traumwelt geholt habe, aber würden Sie bitte dem Unterricht folgen? In ihrer Freizeit können Sie noch genug träumen!", fuhr die kratzige Stimme meines Mathelehrers fort.
Ich bat um Entschuldigung und versicherte ihm, dass so etwas nicht noch einmal vorkommen werde. So ganz wollte er mir das jedoch nicht glauben und um ehrlich zu sein, konnte ich ihm das nicht einmal verübeln.
Ungeduldig wartete ich auf das kurze, aber ohrenbetäubende Läuten der Schulklingel.
"Denkt bitte an eure Projekte!", versuchte uns Mr. Walters mitzuteilen. Jedoch vergeblich, denn kurz nach dem Signal sprang die gesamte Klasse auf und verließ den Raum in einem Tempo, als würde eine Horde Stiere hinter ihnen her sein.
"Hey! Ich beende den Unterricht!", schrie er uns verzweifelt nach.
So ziemlich jeder Lehrer sprach diesen Satz am Ende seines Unterrichts aus und so gut wie jedes Mal fragte ich mich, wozu wir, wenn das der Fall wäre, den lästigen Lärm der Schulklingel ertragen müssen.
"Kimi!", rief ein Mädchen auf dem langen Schulflur nach mir.
"Kimi? Hast du schon von unserem neuen Schüler gehört?", fragte sie mich aufgeregt.
Sie hechelte wie ein alter Hund der eben seine letzte Kraft aufgebracht hatte, um einem Stock hinterher zu rennen, der viel zu weit zu Boden kam.
"Atmen nicht vergessen!"
"Würde ich nie."
Sie holte tief Luft bevor sie weitersprach.
"Er ist so heiß! Du müsstest ihn sehen!"
"Klingt gut. Stell ihn mir bei Gelegenheit mal vor.", scherzte ich.
Sophia, die von allen Phia genannt wurde, war meine beste Freundin. Zu behaupten, sie würde mich und meine Macken bis ins kleinste Details kennen, so wie es bei klischeehaften besten Freundinnen dank etlichen Teenie-Filmen angeblich sein müsste, wäre übertrieben. Nicht einmal ich kenne alle Details meines Lebens, allerdings gab sie sich alle Mühe eine gute beste Freundin zu sein.
Im Biologieraum angekommen, setzte ich mich auf meinen Platz neben der bekritzelten Wand, packte gemütlich meine Sachen aus und versuchte zu Stundenbeginn dem Unterricht zu folgen. Keine All zu leichte Aufgabe, denn es gab genügend Dinge, die einen ablenken konnten. Sei es der Fakt, dass Mr. Mell eine monotone und einschläfernde Stimme besaß, dessen er sich anscheinend selber nicht im geringsten bewusst war, oder die Tatsache, dass die Hälfte der Klasse aus diesem Grund machte, was sie wollte. Ich wurde trotz all dem nicht von der Klasse oder dem langweiligsten Lehrer auf Erden, sondern vom "Bssss, bssss" meines iPhones abgelenkt.
"Er starrt dich an.", schrieb mir Phia via WhatsApp mit einem Smiley, den ich als Emoticon mit großem Pädophilie-Problem bezeichnen würde.
"Wer?", antwortete ich.
Wenig später vibrierte mein Handy erneut.
"Der Neue ;)"
Mir war beim Betreten des Raumes kein neuer Schüler aufgefallen. Vermutlich saß er in der hintersten Ecke des Klassenzimmer, jedoch traute ich mich nicht nachzusehen.