Diesen Morgen wache ich nicht wie gewöhnlich als erste auf. Gemurmel, ein weinendes Kind und Chaos durchdringen meinen Schlaf. Was ist denn nun wieder los? Genervt schlage ich die Augen auf, schließe sie jedoch direkt wieder, da das helle Licht der Lampe meine Sicht verschwimmen lässt. Mit geklärmtem Blick versuche ich die Situation zu erfassen: Am Gitter hat sich eine Barrikade aus Kindern, Erwachsenen und sogar den Senioren errichtet. Alle reden wild durcheinander und scheinbar auf jemanden auf der anderen Seite des Gitters ein. Mühevoll rappele ich mich auf und bemühe mich um einen festen Stand.
"Was ist denn hier los?", frage ich Paige, die anteilnahmslos auf ihrem Platz sitzt. Noch leicht benommen von des eben erst verblassenden Taumes schwanke ich und meine Hand greift wie von selbst in die Tasche, in der in den Schlüssel aufbewahre. Mit der Berührung des kalten Metalls überkommen mich die Erinnerungen an den gestrigen Tag.
"Sie wollen raus", antwortet mir die ehemalige Rebellin immernoch desinteressiert wirkend. Sie wollen raus. Heißt das, es gibt Aufstände? Ohne mir den Kopf über Paiges seltsames und für sie untypisches Verhalten zu zerbrechen gehe ich auf das Gitter zu. Seitlich schiebe ich mich durch die aufgebrachte Masse, dieser neue Zustand macht mich immer neugieriger.
"Lasst uns raus!", schreien einige wild durcheinander.
"Nein, ihr seid schuldig." Klare, unmissverständliche Worte.
"Sind wir nicht! Wir können nichts für die Taten unserer Eltern oder Großeltern!" Andere Prostestrufe stimmen mit ein, und obwohl alles ein einziges Chaos bildet, ergibt sich doch ganz klar eine Einheit.
"Es ist Gesetz." Monoton, unverändert, abwesend, emotionslos. Die Wächter scheinen wie ferngesteuerte Roboter, sie scheinen keine eigene Meinung mehr zu haben. Chris ist da ganz anders. Er hat eine eigene Persönlichkeit mit eigenem Willen. Hör auf an ihn zu denken, er gehört zur anderen Seite!, ermahnt mich meine innere Stimme. Sie hat Recht.
Proteste, Unruhen, Unzufriedenheit, diese Zustände verbreiten sich. Von hinten und von den Seiten drücken sich Leute an mich und ich fühle mich das erste Mal in meinem Leben wirklich bedrängt. Notgedrungen versuche ich mir mit meinen Ellbogen etwas mehr Platz zu verschaffen, doch darauf folgt nur noch mehr Druck. Auf Zehenspitzen hole ich tief Luft und quetsche mich dann so einfach wie möglich an großen und kleinen Insassen vorbei.
"Paige, was ist los mit dir?", fahre ich sie an als ich schließlich vor ihr stehe und sie immer noch nicht reagiert. Die Rebellin, die jetzt schweigt. Wie absurd. Ihr Blick klärt sich und fixiert sich auf mich, ihre grünen Augen bohren sich in meine und ich wende beschämt den Blick ab, da ich das Gefühl habe sie könnte bis tief in meine Seele schauen.
"Ich kenne das. Von draußen, weißt du? Aber das hier ist unkontrolliert, da hilft es nichts sich dazuzuquetschen." Erstaunt von der Erkenntnis, dass sie vermutlich Recht hat, lasse ich mich neben sie sinken und beobachte die Menschenmenge. Mein grummelnder Magen unterbricht dieses Schweigen.
"Hier", sagt Paige und reicht mir eine volle Schüssel. Dankbar lächle ich ihr zu und greife danach.
"Ich sehe mal nach Jackson, ja?", verkünde ich.
"Jackson?"
"Hm?"
"Sieh mich an", fordere ich. Da er diese Anweisung ignoriert wiederhole ich sie, diesmal bestimmter. Er tut, was ich ihm gesagt habe und sein Anblick jagt mir eine Gänsehaut über den Körper. Seine müden Augen mustern mich und bleiben schließlich an meinen hängen.
"Deine Augen sehen hübsch aus", meint er nebensächlich. Etwas verdattert lächel ich, was seine Mundwinkel ebenfalls etwas nach oben zucken lässt, doch das Lächeln erreicht seine Augen nicht.
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Caught
Teen FictionDas Lager. - Ein Gefängnis. Hochkontrolliert. Sicher. Undurchdringbar. Doch was ist, wenn Pläne entstehen? Kann eine Liebe das Leben aller verändern? Caught You'll never get out ©Copyright by KimvonGler