Kapitel 3

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Die Wolken hingen dunkel und bedrohlich über London. Während ich mit einer, tief ins Gesicht gezogen Kapuze, durch die verdreckten Gassen wanderte, prasselte der Regen in Strömen auf mich hinab.

Mein Gesicht strahlte Erschöpfung und Trauer aus, die sich ebenfalls in meinem Verhalten der letzten Tage widerspiegelte. Unter meinen Augen konnte man deutlich die dunklen Augenringe erkennen, die zeigten was ich psychisch durchgemacht hatte.

All die schlaflosen Nächte, in denen ich darüber nachdenken musste, was wäre wenn... Es machte mich einfach fertig und ich verlor fast meinen Verstand.

Gleichmäßig joggte ich am Pier entlang und genoss die Aussicht der eingestürzten "Golden Bridge", welche selbst nach ätlichen Jahren, so atemberaubend aussah wie am ersten Tag.

Der Wind brauste mir um die Ohren und brachte meine braunen Haarsträhnen zum fliegen. Mit einer kurzen Handbewegung, strich ich sie mir hinters Ohr und seufzte leise.

Allmählich verlangsamten sich meine Schritte und ich hielt abrupt an, um eine kleine Pause einzulegen. Dabei lehnte ich mich gegen die Brüstung am Fluss und starrte belanglos auf die gegenüberliegende Seite.

Nach genaueren Betrachten, entdeckte ich ein winziges Detail, welches nicht zu der Umgebung
passte. Es war wie das letzte Puzzleteil in einem fast perfekten Gemälde, nur war es das Falsche. Also blieb das Bild unvollständig.

Angestrengt kniff ich meine Augen zusammen und starrte neugierig zu dem unbekannten Objekt hinüber. Was es wohl war?

Abenteuerlustig kletterte ich unbeholfen über die Brüstung und sprang mit einem Satz an das kalte Gitter der halb versunkenen "Golden Bridge". Die losen Drahte, bohrten sich in meinen Körper und verhedderten sich ununterbrochen in meiner zerrissenen Kleidung.

Fluchend löste ich mich aus den Gewirr und rieb mir stöhnend das Knie, welches ich mir blutig aufgeschürft hatte.

Als mir der steiniger Asphalt immer näher kam, beschloss ich mich rücklings fallen zu lassen. Nach dem Absprung, drehte ich meine Achse um genau 180° und landete sanft auf dem Boden. Die Steine gaben knirschend unter mir nach, weshalb ich beschloss mich lieber auf der saftig grünen Wiese zu bewegen, um keine unnötige Aufmerksamkeit auf mich zu ziehen.

Obwohl dieser Gedanke allgemein komplett absurd war, da die meisten Londoner nach dem Seuchenausbruch panisch geflohen sind und die Bewohner, welche überlebt hatten, sich den ganzen Tag in ihren Häusern verschanzten, um ja nicht befallen zu werden.

Als ob das etwas bringen würde,denn letztendlich findet der Tod Jeden. Nur wer sich anpasst, hat vielleicht noch eine minimale Überlebenschance.

Misstrauisch spannte ich meine Muskeln an und hielt die Glock schussbereit in der Hand. Die Atemschutzmaske schnürrte sich zischend um meinen Hinterkopf und stellte für einen kurzen Moment ein geschlossenes Vakuum her, sodass ich japsend nach Luft rang. Als das System wieder reine Luft hineinpumpte, atmete ich erleichtert ein und setzte meinen Weg fort.

Erschrocken fasste ich an mein pochendes Herz, als ich eine liegende Person vorfand, die sich leicht zuckend vor Schmerz im kalten Schnee wand. Ich gesellte mich zu ihm und legte meine warme Hand auf seine Brust. Auch wenn mir Hudson, unser Wissenschaftler, jeden Abend eindringlich erklärte, dass ich meine Finger von den Infizierten lassen sollte, konnte mein gutmütiges Herz nicht eiskalt zu sehen, wie jemand alleine und zurückgelassen starb.

Der Junge war glücklicher Weise erst in der stationären Phase angelangt. Weshalb ich mich ihm problemlos nähern konnte,überdies hatte das Virus sein Gehirn noch nicht erreicht und er war immerhin fähig zu sprechen. Trotzdem hatte es schon innerliche Schäden angerichtet, sodass er schmerzverzerrt zu mir aufsah. Seine haselnussbraunen Augen bohrten sich hilflos in meine, als er stöhnend seinen Bauch umschlung.

Mit zusammengepressten Lippen, blickte er auf und erwiderte flehend: ,,Töte mich bitte, ich halte es nicht aus. Weißt du eigentlich wie verdammt weh das tut ? All die Jahre habe ich überlebt und für was für einen Preis? Damit ich letzten Endes doch elend vor mich hinsterbe. Alleine, ausgestoßen von meiner Familie?"

Mitfühlend legte ich meine Hand auf seine errötete Wange und strich ihn sanft über die braunen, weichen Haare. ,, Du bist nicht alleine, ich bin bei dir und den Kampf hast du auch nicht verloren, denn es gibt Menschen die für dich und die Gerechtigkeit siegen werden. Du hättest einen wirklich guten Rebell abgegeben." flüsterte ich aufmunternd.

,, Also gibt es euch wirklich ? Ich fasse es nicht, all die Geschichten und Hoffnungen über euch sind wahr ? Wieso habt ihr jahrelang nur im Untergrund gekämpft und nie normale Bewohner rekrutiert ?" erwiderte er mit aufgeregter Stimme. Ich lächelte ihn schief an und sprach beruhigend auf ihn ein.

,,Weil es uns zu gefährlich gewesen wäre in der Öffentlichkeit gegen die Regierung auszusagen und sich gegen sie zu stellen. Wir hätten auffliegen und geschnappt werden können, weswegen wir auch all die Jahre lang nur im Untergrund gearbeitet hatten, wir sind nur der beschützerische Schatten Londons. Doch auch wir hatten mit massiven Problemen zu schaffen, wie zum Beispiel,die Erkenntnis, dass ein fieser Maulwurf unter uns ruht, welcher sich sehnlichst unseren nahen Tod wünscht. Aber vergessen wir das mal, wichtig ist dass es eine Zeit geben wird in der wir es schaffen werden , die Regierung zu stürzen und für die Gerechtigkeit zu siegen." antwortete ich mit stolzen Worten. Er lächelte mich schief an, bevor er sich verkrampft an den Saum meiner Jacke festkrallte.

Ich erinnerte mich an seine Worte und fragte ihn ruhig: ,, Bist du bereit oder willst du deine Meinung noch ändern? Ich ertrag es nicht länger, wenn du dich vor mir in schrecklichen Schmerzen windest. So ein Ende hast du echt nicht verdient, aber weißt du was? Ich verspreche dir, dass dich eine schöne Zukunft erwarten wird."

,, Ja, doch bevor du mir das Leben nimmst, erfüllst du mir noch einen letzten Wunsch ? Bitte finde meine Eltern und sag ihnen dass ich sie liebe, überreiche Ihnen den Brief, welcher sich in meiner Tasche befindet. Nicht zu vergessen, tu mir diesen Gefallen und rette meinen kleinen Bruder, ich möchte nicht das ihm das selbe Schicksal ereilt wie mir. Unbekannte? Danke für alles, was du für mich getan hast und das du mich auf diesem Weg begleitet hast." entgegnete er mir und nahm meine Hand in seine. Ich gab ihm einen sanften Kuss auf die Wange, bevor ich mich erhob und ihm zögerlich die Waffe an den Kopf hielt.

Eine Träne kullerte über meine Wange und tropfte ihm auf sein weißes Hemd, bevor ich mich überwand und abdrückte.

Ohne einen Blick zurück zu werfen, packte ich seinen Rucksack am Riemen und lief so schnell wie meine Beine mich nur tragen konnten. Ich hielt es nicht aus, ihn bluten zu sehen und mich dann daran zu erinnern, dass ich diejenige war die ihn erschossen hatte....

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Manchmal ist Hoffnung mehr als nur ein Funke, es ist der flehende Ruf nach Gerechtigkeit.

No human love Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt