Kapitel 7

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Die ersten Sonnenstrahlen berührten meine Haut und ein warmer Schauer strich mir über den Rücken bis zu meinen eingefrorenen Schenkeln.

Während ich mich genüsslich streckte, verließ ein wohliges Seufzen meinen leicht schmunzelnden Mund. Die Vögel zwitscherten bereits in den Baumkronen und erfüllten den Wald mit Leben. Somit stimmten sie den Beginn des Frühlings an, einer Zeit in der das Gute wieder erwacht und sich durch die eiskalte Schneedecke kämpft.

Obwohl ich den Winter liebte, freute ich mich schon auf die etwas wärmeren Tage, in denen man unter offenen Himmel schlafen konnte, so wie jetzt, nur ein bisschen angenehmer.

Ich konnte es nicht fassen, dass ich gestern einfach hier eingeschlafen war, ohne Decke, ohne Lagerfeuer oder ohne jegliches Dach über meinen Kopf.

Ich sollte froh sein, dass dieser Ort so weit von der Zivilisation abgeschottet war, dass mich kein Seuchen-erkrankter unerwartet überfallen konnte oder viel mehr irgendjemand. Nur meine engsten Freunde kannten diesen Platz und das waren ziemlich wenige, für meinen Geschmack. Genauer genommen passten sie alle auf eine Hand.

Nachdenklich rieb ich mir das Kinn und starrte angestrengt auf den dreckigen Boden. Wen könnte ich denn dazu zählen ? Eigentlich müsste man das wissen, aber seitdem mir vor vier Jahre der Großteil meiner Erinnerungen durch die Regierung gelöscht wurde, konnte ich sie nur lückenhaft wieder aufbauen. Die enrscheidenende Momente waren jedoch fest in meinem Hinterkopf verankert.

Langsam sickerte mir alles wieder ins Gedächtnis, zumindest die wichtigsten Details zu meinen Blutsbrüdern, so nannten wir uns früher, da wir einen Packt geschlossen hatten, der besagte, dass wir immer für einander da sein müssten, zu jeder Zeit, anschließend besiegelten wir ihn mit Blut.

Natürlich konnte ich mich noch daran erinnern, dass Hudson einer der wichtigsten Mitglieder in dieser Gruppe war, denn ich kannte ihn schon mein ganzes Leben lang und er war mir nie von der Seite gewichen.

Adrian Thompson, dessen Eltern schon vor langer Zeit ihr Leben an der Seuche verloren hatten. Ich konnte sogar sicher behaupten, dass seine Mutter Liana Thompson zu einen der ersten Menschen gehörte, die mit dem Virus infiziert worden ist. Damals fand ich Adrian, dreckig, allein gelassen und dem Tod geweiht am Straßenrand. Ich hatte Mitleid mit ihm, weshalb ich beschloss, ihn in meine Obhut zu nehmen und ihn als meinen Stiefbruder an zuerkenne, obwohl wir uns kaum kannten. Jedoch lernten wir schnell miteinander zu leben und von einander zu profitieren. Ich fing an ihn wirklich zu mögen und er gewöhnte sich an, mich seine Schwester zu nennen, so als würden wir uns schon eine halbe Ewigkeit kennen. Er gehörte zu den ersten Mitgliedern der Rebellen und wurde überdies zu meinen zweit besten Freund nach Hudson. Jedoch fiel er mir trotz allem in den Rücken und schloss sich der Regierung an. Ich war mir sicher, dass ich ihm dass nie wieder verzeihen würde.

Jetzt stellte sich nur noch die Frage, wer waren die anderen Beiden ?

Matthew Hamilton...
Ich lernte ihn vor genau 6 Jahre in einem erbitterten Kampf kennen. Er war knapp davor mich zu besiegen, jedoch wendete sich schlagartig das Blatt und er lag blutend am Boden. Grinsend hatte ich ihm die Hand ausgestreckt und ihm aufgeholfen, das kam sehr selten bei mir vor, doch er hatte etwas an sich, dass ich mochte, etwas das uns näher bringen wollte, als mir lieb war. Es stellte sich heraus, dass wir ziemlich viel gemeinsam hatten. Als er dann ein Jahr später von der Regierung, wegen eines angeblichen Mordes, festgenommen wurde, half ich Matthew zu entkommen und er gab mir sein Wort auf ewig in meiner Schuld zu stehen. Seitdem arbeitete er, als Spion und Grenzgänger für die Rebellen.

Und schließlich gab es da noch Val Kurzform von Valerie Jefferson. Sie war die Letzte, die uns beigetreten ist, doch blieb länger als die meisten Menschen in meinem Leben und dass wusste ich wirklich zu schätzen. Für sie musste es jedoch am schmerzvollsten gewesen sein, als Adrian uns verlassen hatte, da er sowas wie ein Bruder oder mehr Seelenverwandter für sie war. Damals nahm er sie einfach in unsere Gruppe auf, ohne mich nur in geringster Weise davon zu informieren. Ihre Vergangenheit war sicherlich einer der schockierensten von uns allen, denn entführt und gequält zu werden, musste einen gewissen Teil in ihr zerstört haben. Einen den sie uns nie wieder zeigen würde. Es dauerte eine Weile bis wir uns fanden, doch an diesem einen schicksalhaften Abend, veränderte sich alles zwischen uns.

Flashback:
Ich hörte ihr leises Schluchzen, gefolgt von harten Schlägen auf Granit. Ein kurzer Schrei durchbrach die Stille in unserem kleinen Waldhäuschen und brachte die Wände zum Zittern. Der Boden vibrierte unter meinen Füßen und ihre schweren Schritte hallten durch die leeren Räume, wie ein erklingendes Echo. Keuchend stand ich im Flur und lauschte ihren zornigen Schreien.

,,Wie konntest du nur?! Ich werde dir das nie verzeihen, du Heuchler! Tu was du willst und hau ab, ich will dich nie wieder sehen! Adrian, du bist ein verdammter Verräter!" Polternd fiel die Tür ins Schloss und ein leises Schluchzen drang zu meinen Ohren. Bis jetzt hatte ich starr die Luft angehalten, doch mit einen Mal durchströmten mich all die Gefühle, die ich zurückgedrängt hatte. Mitgefühl - Reue - Schuld - Enttäuschung - Wut - Trauer, alles kam, als Adrian die Tür hinter sich schloss. Weinend sank ich zu Boden und stemmte meine Arme gegen die Wand, um Halt zu finden. Mein Herz wurde schwer und sackte in sich zusammen.

Wieso entschied er sich für die Regierung, obwohl sie es doch waren, die indirekt seine Eltern umgebracht hatten? Ich fand den Sinn dahinter nicht, aber es musste doch eine logische Erklärung dafür geben.

Meine Gedanken rasten und fanden kein Ziel, sie bewegten sich im Kreis und ihnen kam einfach nicht die Antwort.

Langsam merkte ich, wie in mir die Wut aufstieg, denn er fiel uns nicht nur in den Rücken, sondern verriet uns sogar an die Regierung! Uns! Seine Freunde! Ich sollte nicht um ihn trauern, wie einen gefallenen Soldaten, sondern sollte ihn hassen, dass er uns hintergangen hatte! Mein Gesicht lief rot an und ich stürmte ihm verärgert hinter her. Die Tür fiel ein weiteres Mal ins Schloss und Val blickte mir verdattert hinter her.

Zornig packte ich ihn am Kragen und schleuderte ihn gegen den Baum. ,, Bist du etwa verrückt geworden? Für wen hältst du dich, dass du glaubst, du könntest mich einfach anfassen?!" Doch sobald er realisierte, dass ich es war, die ihm Leid zufügen wollte, erstarrte er in seiner Bewegung und blickte schockiert zu Boden.

Ich holte meine Hand aus und schlug ihm ins Gesicht. Er zischte kurz auf, bevor er mich erschrocken musterte, da ich ihn zuvor noch nie so derart geschlagen hatte, wie in diesem Moment. ,, Das hast du verdient Adrian! Dachtest du wirklich,ich würde dich einfach so gehen lassen, ohne dir nocheinmal zu sagen, wie enttäuscht ich von dir bin!? Ich hab dich bei mir aufgenommen, dich geliebt wie meinen echten Bruder und du fällst mir eiskalt in den Rücken? Hijo una puta ! Scher dich zum Teufel und verrotte in der Hölle, ich hätte dich sterben lassen sollen! Du hast uns nicht verdient!"

Tränen strömten über seine Wange und ließen die wunde Stelle im Gesicht aufglühen. Zitternd hatte er mich, während meiner Standpauke am Handgelenk gepackt, doch ich entriss mich ihm. Bevor er versuchte sich zu rechtfertigen, kehrte ich um und schritt zurück zum Haus, wo mich Val bereits an der Schwelle erwartete. Verletzt blickte sie zu Adrian, welcher seine Konzentration nur auf mich gerichtete hatte. Während der Regen auf ihn herab prasselte, legte ich meinen Arm um Val's Schultern und wir richteten schweigend unseren Blick auf Adrian. So als würde der Junge, den wir beide liebten, vor unseren Augen sterben. Wir nahmen seine verzweifelten Schreie nicht mehr wahr, wie er versuchte sich uns zu nähern, doch mit einer einzigen Handbewegung gab ich ihn Bescheid, dass er sich fern halten sollte und das ich ihn hiermit offiziell aus der Organisation der Rebellen ausschließen würde. Das Schlimmste war dennoch, dass wir nicht nur einen guten Schützen verloren hatten, sondern mehr einen guten Freund.

In diesem Moment erkannte ich schlagartig, wie wichtig Freundschaft doch war und dass Val und ich jetzt umso mehr zusammen hallten müssten.

Flashbackende.

Der Gedanke daran, dass Val jetzt vermutete, ich hätte sie, wie Adrian im Stich gelassen, verpasste mir ein schmerzhaftes Stechen in der Brust. Ich versprach ihr, sie niemals alleine zu lassen, doch dass fühlte sich plötzlich an wie eine Lüge, die immer schwerer wurde. Ich musste zu ihr zurück, ich musste alles hinter mich bringen und dass wichtigste ist, ich musste zu mir selbst zurück finden, ohne dass mir jemand dabei half....

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Die Menschen mit denen wir unsere Erinnerungen teilen, ob gut oder schlecht, machen aus einer Freundschaft, etwas viel Wertvolleres.

No human love Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt