14 - "Zieh dein Oberteil aus."

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Gleissend helles Licht, bohrt sich wie kleine Nadelstiche in meine Augen. Ich blinzle und halte eine Hand vor mein Gesicht. Meine anderen Sinne machen sich bemerkbar. Ich fühle das ich auf weichem Untergrund liege. Hintergrundgeräusche erreichen mein Gehör, eventuell klirrendes Geschirr. Ich versuche mir ins Gedächtnis zu rufen, was zuletzt geschehen ist. Meine Hand nehme ich vor meinem Gesicht weg und reibe mir stattdessen damit die Augen. Zwei Männer haben sich geprügelt. Plötzlich sehe ich es vor meinem geistigen Auge wieder. Zayn im Rahmen unserer Ladentür. Wie er auf die beiden Typen einprügelt und Richtung Hölle befördert. Ich blinzle einige Male und versuche mich an die Lichtverhältnisse in diesem Raum zu gewöhnen. Dann war ich mit Zayn in seinem Auto. Ich habe ihm erklärt wo er hinfahren muss und dann .. An dieser Stelle gerät meine Erinnerung ins Stocken, doch die Lücke füllt sich schnell. 

Und dann bin ich eingeschlafen. Ruckartig setzte ich mich auf. Schwindelerregt und von schrecklichem Schmerz durchzuckt, entweicht meinen Lippen einen kleiner Schrei. Fuck! Meinen Rücken habe ich total vergessen.

Endlich sehe ich wieder klarer, doch das Licht bereitet mir immer noch Kopfschmerzen. Ich befinde mich in einem grossen Zimmer und sitze am Rand eines gigantischen Bettes. Vom Bett aus Links, erstreckt sich eine weite Glastür, die fast die Hälfte der Wand einnimmt. Das Licht, dass mir solche Kopfschmerzen bereitet, kommt jedoch von der Deckenbeleuchtung und nicht von draussen. Denn draussen herrscht stockfinstere Nacht. 

Der Stoff unter mir, der sich wie Seide anfühlt, ist vermutlich auch Seide. Die Bettwäsche und eigentlich auch der komplette restliche Raum ist hochmodern eingerichtet und in eher neutralen Farben gehalten. Das in Holz, Beton und Grau gestaltete Schlafzimmer ist mit einem Schreibtisch und einem raumhohen, mattschwarzen Kleiderschrank ausgestattet. Das Bett auf dem ich sitze, liegt in der Mitte des Zimmers, angelehnt an eine Akzentwand mit indirekter Beleuchtung zwischen verspielten Betonplatten. Wo zur Hölle bin ich hier gelandet? Die Holztür, einige Meter vom Kopfende des Bettes entfernt, wird kurzerhand aufgestossen. Ich halte den Atem an, doch es gibt eigentlich nur eine Person, die im Türrahmen stehen könnte. Und meine Theorie bestätigt sich. Es ist Zayn, der mit einem Glas Orangensaft in der Hand, den Raum betritt.

Als er bemerkt, das ich wach bin und ihn beobachte, hält er in der Bewegung inne. 

"Hi.", sagt er schliesslich.

"Eh hi.. wo bin ich?", erkundige ich mich etwas verunsichert, von seiner Gegenwart. 

"Bei mir Zuhause.", erklärt er schlicht, als wäre es das normalste der Welt. Wenn ich bei ihm Zuhause bin, dann habe ich bis eben wahrscheinlich in seinem Bett gelegen. Irgendwie ist mir das unangenehm. Was mich aber noch viel mehr erschreckt, ist die Vorstellung, wie ich überhaupt erst hier gelandet bin.

Zayn nimmt wieder Schritt auf. Er reicht mir das Glas und eine in Plastik eingeschweisste Tablette. 

"Ich sagte doch du sollst mich nach Hause fahren." Ich beäuge die weisse, runde Pille, unschlüssig darüber, was ich jetzt damit anfangen soll. 

Zayn platziert mir gegenüber einen Stuhl und setzt sich. "Nein, du hast nur gesagt, dass ich auf die Route 23b einbiegen soll. Und das kleine Ginger, habe ich getan. Zufällig wohne ich nämlich in dieser Strasse."

Welch eine Überraschung. Wir wohnen beide in der Nähe der Uni. Und warum nennt er mich schon wieder Ginger?

"Und jetzt nimm die Tablette und trink!"

Ganz. bestimmt. nicht. Ich schlucke doch nicht einfach irgendwelche Pillen, nur weil es mir irgendein hochnäsiger Vollarsch befiehlt.

"Keinen Durst, danke.", erwidere ich trocken.

"Du willst wirklich aus reinem Trotz auf eine Schmerztablette verzichten?" Zayn zieht eine Augenbraue Richtung Haaransatz und mustert mich besserwisserisch.

Ja.

"Das ist kein Trotz."

Zayn lehnt sich in seinem Stuhl zurück und verschränkt die Arme unter der Brust. Sein Bizeps und seine Brustmuskeln kommen so viel stärker zur Geltung und ich komme nicht umhin sie kurz abzuchecken. Abgesehen davon, fällt mir auf, dass er sich umgezogen hat. Er trägt ein schlichtes, schwarzes Shirt und eine graue Trainerhose. Keine Accessoires, kein Klimbim nur das. Wie kann er mit einem solch simplen Outfit, nur so gut aussehen? 

"Es ist also kein Trotz. Nur was ist es dann?"

Ich gebe mir zwei Sekunden um meine Antwort zu überdenken. "Sagen wir mal Prinzipien."

Zum ersten Mal seit er den Raum betreten hat, scheint er zu Grinsen. Und er steckt mich ein bisschen damit an. Aber nur ein bisschen.

"Weisst du, manchmal im Leben, da sollte man seine Grundsätze eifach über Bord werfen und sagen 'Leckt mich Prinzipien'." Während er das sagt, steht er auf und schlendert in Richtung seines Schreibtischs, auf dem er einige Sachen gelagert hat. Als er wieder zurück kommt, hat er einen gekühlten Eisbeutel, Papierhandtücher, Mullbinden und eine rote Tube bei sich. Er legt sie neben mir aufs Bett.

"Zieh dein Oberteil aus." Ich verschlucke mich fast an meiner eigenen Spucke. Zayn allerdings, wickelt ungerührt Papierhandtücher um den Eisbeutel.

Abgesehen davon, trage ich kein Oberteil, sondern immer noch meine Arbeitskleidung. Und diese besteht lediglich aus einem einteiligen, blauen Stück Stoff, ich kann also nicht bloss ein T-Shirt ausziehen.

"Hast du sie noch alle?"

Zayn verdreht die Augen zum Himmel und seufzt. "Haley, ich will dir nicht an die Wäsche." Autsch. "Alles was ich will, ist mir deinen Rücken und deine Schulter ansehen."

"Wenn du nicht zufällig Medizin studiert hast, dann weiss ich nicht, wieso du dir meinen Rücken ansehen solltest!"

Zayn fährt sich sichtlich frustriert mit der Hand durchs Haar. "Hör zu, entweder ich sehe mir jetzt deine Schulter an, oder ein Arzt tut es." Ich schüttle entschieden den Kopf. "Du .. wurdest von diesen Schwein, gegen den Tresen geschleudert! Und du weisst nicht wie das ausgesehen hat, aber ich schon! Du wollest auf keinen Fall ins Krankenhaus, na gut, aber lass mich wenigstens kurz .." Zayn gestikuliert irgendetwas mit den Händen, da ihm offensichtlich die Worte fehlen. Und da begreife ich, dass er sich tatsächlich, einfach nur Sorgen macht. Nur warum? Ich meine, ich wusste nicht einmal, dass so etwas wie Sorge für ihn überhaupt existiert. 

Zayn setzt sich geschlagen wieder auf den Stuhl und schliesst die Augen. Was ist nur los mit ihm? Ich habe Morgen höchstens Kopfschmerzen und einen Bluterguss.

Als er seine himmelblauen Augen wieder aufschlägt, drücke ich wortlos die weisse Tablette aus ihrer Verpackung.

Ich lege sie auf meine Zunge und spüle sie mit einigen grossen Schlucken Orangensaft, meine Kehle runter.

Als das Glas etwa bis zur Hälfte leer ist, nimmt er es mir ab und stellt es auf den Nachttisch. 

Erwartungsvoll blickt Zayn mich an.

Da ist er nun gekommen, der Zeitpunkt.

Also dann, leckt mich Prinzipien.











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⏰ Letzte Aktualisierung: Jan 27, 2018 ⏰

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