Verloren

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"Ja. Und ich habe mit ihr geschlafen.", sagte Fynn. "Ich wusste aber nicht, dass sie meine Schwester ist.", fügte er hin zu. Nun realisierte ich die Lage. Ich hatte eine Schwester und meine große Schwester war tot. Sie lag nun leblos auf einen Bett in Carlisles Arbeitszimmer. Ihre langen schwarzen Haare verblassten und wurden grau. Ihre braunen Augen verloren an Kraft. Sie alterte in Minuten.

"Sie war so wunderschön.", sagte ich.

"Ja. Das war sie.", sagte eine Stimme. Ich drehte mich um und entdeckte Embry.

"Es tut mir so leid!", sagte ich.

"Ist schon gut. Ich muss jetzt wohl allein einen Mädchennamen finden.", sagte er.

"Aye.", schlug ich vor.

"Was bedeutet das?", fragte Embry.

"Leben.", antwortete ich. Siye und Aye. Überlebt und lebt.

"Sie war so eine wunderbare Mutter.", sagte Embry und weinte. Ich legte meine Hand auf seine Schulter.

"Sie war aber auch dein Mädchen.", hauchte ich und verließ den Raum. Embry sollte erst einmal allein mit ihr sein. Allein mit seiner toten Frau. Ich ging nach unten.

"Nun wird es kritisch. Was machen wir jetzt?", fragte Mom.

"Carlisle, wie geht es Brady?", fragte ich.

"Das Gift schadet seinen Körper. Er wird es nicht überleben.", antwortete er. Sofort liefen mir die Tränen und mein Dad nahm mich in die Arme.

"Scht… Scht…", sagte er. Doch es half nichts.

"Seth, bring sie in ihr Zimmer.", befahl mein Opa. Mein Dad nahm mich hoch und ging mit mir in mein Zimmer.

"Es tut mir ja so leid!", sagte er und wir setzten uns aufs Bett.

"Warum ich? Warum muss ich gleich zwei meiner geliebten Menschen verlieren?", fragte ich.

"Ich weis es nicht. Aber ich weis, dass Brady es nicht gewollt, dass du nun so sehr trauerst. Nein. Er hätte gewollt, dass du glücklich sein sollst.", antwortete mein Dad.

"Daddy, Fynn ist nur weggelaufen, weil er sich nicht würdig fand, dein Sohn zu sein. Bitte, zeig ihm, dass er falsch liegt!", flehte ich.

"Ewa, er hat zwar Menschenblut getrunken, doch ich liebe ihn so wie er ist. Er ist nun mal der kleine Rebell.", sagte er. Dann lag ich ihn seinen Armen. Wie hatte ich das vermisst. Irgendwann schlief ich ein.

Als ich aufwachte, saß meine Mom am Bettrand. "Mommy?", fragte ich. Sie drehte sich um und ich sah ihre Tränen. "Was ist?", fragte ich.

"Brady, er ist-", wollte sie mir erklären, doch ich sprang auf und lief zu Bradys Zimmer.

"Ewa, das ist keine so gute Idee.", sagte Emmett.

"Genauso gut wie damals?", fragte ich. Emmett schwieg und ich schob ihn zur Seite. Dann öffnete ich die Tür. Sofort spürte ich alle Blicke auf mir.

"Ewa", sagte mein Vater. Doch ich ging weiter. Ich sah zu Brady. Ich wollte seine Wärme spüren. Ich wollte sein Herz hören, doch da war nichts. Nur Kälte und diese Stille. Mir liefen die Tränen.

"Brady! Wach auf!", schrie ich ihn an.

"Es wird nicht funktionieren.", sagte mein Opa.

"Brady.", sagte ich. "Brady.", hauchte ich. "Wach auf!", sagte ich. "Wach auf.", flehte ich.

"Lasst sie in Ruhe.", sagte Edward und sie verließen den Raum.

"Ich brauche dich!", sagte ich. Ich weinte und legte mich neben den toten Körper. "Dein Kind braucht dich.", sagte ich.

Am nächsten Tag wachte ich auf. Heute ging es nach La Push. Wir wollten Siye und Brady beerdigen. Es war ein Abschied für sehr lange Zeit. Ich würde erst in ein paar Jahrzehnten zurückkehren. Ich duschte und zog mir mein schwarzes Kleid an. Ich packte in meine Tasche noch ein schwarzes Kleid und noch ein paar andere Klamotten und schnappte meine Taschen. Dann lief ich nach unten. Dort stand meine Familie und wartete auf mich. "Bereit?", fragte mein Bruder.

"Ehrlich?", fragte ich und Fynn nickte. "Nein.", antwortete ich und stieg in den Wagen. Ich war traurig und am liebsten wollte ich mich in mein Zimmer verkriechen und trauern. Allein. Nur das Kind und ich. Von der Fahrt bekam ich nichts mit. Ich dachte nur an das Kind. Wie werde ich es erziehen? Wie würde ich Fragen zu Thema Verwandlung beantworten? Oder wie wird sie ohne Vater  klarkommen? All dies beschäftigte mich die ganze Fahrt.

"Ewa, wir sind da.", holte mich Dad aus den Gedanken. Ich stieg aus und lief zum Flugzeug. Ich schritt auf den letzten gemeinsamen Weg mit Brady zu. Ich wünschte mir so sehr, dass er lebte, doch das war ein Wunsch. Im Flieger setzte ich mich abseits der anderen hin. Embry saß bei den anderen und schaute immer mal in meine Richtung. Ich schaute weg und dachte wieder über meine jetzige Situation nach. Ich würde Brady in La Push bei seiner Familie lassen. Ich jedoch würde wieder nach Aberfeldy zurückkehren und das Kind austragen. Leider ohne meinen Freund. Hätte ich ihn doch geheiratet! Aber jetzt war es zu spät. Er war tot und ich würde für immer leben.

"Hey!", sagte Mom. Ich drehte mich zu ihr.

"Was?", fragte ich.

"Es funktioniert nicht immer. Ich hatte Glück. Ich hätte euch auch ohne Seth großgezogen. Du lebst in einer wunderbaren Familie.", sagte sie.

"Ohne Vater erwachsen werden ist nicht toll.", sagte ich.

"Ich hatte auch keinen Vater.", sagte Mom. Ich schaute auf den Boden. "Lass den Kopf nicht hängen, Omobinrin.", sagte sie. Omobinrin bedeutet Tochter und so nannte mich Mom sehr oft.

Nach einigen Stunden landeten wir in Seattle. Dort wartete Sam, Leah und Paul. "Hallo Ewa! Mein herzliches Beileid!", sagte Paul, doch ich unterbrach ihn als ich ihn umarmte.

"Hallo!", sagte der Rest.

"Ewa, nicht so stürmisch!", ermahnte mich Dad.

"Es ist ewig her, seitdem wir uns gesehen haben.", stellte Paul fest.

"15 Jahre.", sagte ich.

"Embry, Emiliy passt noch auf deine Rasselbande auf.", sagte Sam.

"Lasst uns zum Haus gehen.", schlug Carlisle vor.

"Bis zur Beerdigung dauerte es noch drei Stunden.", erinnerte Leah. Eine Stunde und dann verließ ich ihn für eine lange Zeit. "Ach Ewa!", sagte sie und umarmte mich. Erst jetzt bemerkte ich, dass ich weinte.

"Lasst uns losfahren!", schlug Sam vor und alle stiegen in die Autos.

Biss das Schicksal sich entschiedWo Geschichten leben. Entdecke jetzt