Kapitel 1

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An Sonntagen scheint die Schule wie eine Geisteratadt. Coleen ist vollkommen allein unterwegs. Ihr Atem ist flach und sie räuspert sich, ehe sie das verlassene Schulgelände betritt. Alles ist still. Nun ist es soweit sie macht den ersten Schritt auf das Gelände. Nachts scheint der Mond so grell wie eine Taschenlampe und doch ist es so dunkel und düster wie im Keller der Schule. Das die Schule einen Keller hat weiß allerdings nur Coleen. Denn nicht einmal die Lehrer wissen davon Bescheid. Umso seltsamer ist es, dass dort mitten in der Nacht Menschen sind. Jeder würde sich jetzt fragen: Welcher normale Mensch geht mitten in der Nacht in eine Schule? Nun in dieser Stadt gibt es Dinge von denen andere keine Ahnung haben. SIE waren noch nicht zu sehen. SIE sind der Grund warum Coleen von zu Hause weg zur Schule gerannt ist. SIE sind keine Menschenen, oder zumindest keine normalen Menschen. Sie sind nicht in etwa blutsaugende Vampire oder hirnlose Zombies. Sondern tote Menschen die am leben sind. Coleen hat sie mit eigenen Augen gesehen. Zuerst sterben sie und dann leben sie ganz einfach weiter, als ob nichts geschehen wäre. So war es. Coleen nannte dies den Jesus-Effekt. Wer auch immer starb kehrte an diese Schule zurück. Schüler und Schülerinnen die vor ihren Augen starben kehrten zurück ins Leben. Coleen vergrub ihr Gesicht in den Gebüschen der Schule. Ihre Angst war unermesslich und ihre Neugier dennoch groß. Sollte sie heute erfahren was sich im Keller befand, über was diese Menschen dort reden, so war es ein Abenteuer was seine Risiken hatte. Niemand würde ihr je glauben, doch das war ihr egal. Ihre Pläne, herauszufinden wie es ist den Tod zu überleben, waren groß. Das Risiko dabei entdeckt zu werden ist groß. Als sie das letzte Mal zählte waren es um die dreißig Personen die sich auf dem Gelände rumtreiben. Dass auch nur einer sie entdecken könnte wäre für Coleen eine absolute Katastrophe! Jemand könnte sie sehen, dieser Gedanke allein brachte sie ins Grübeln ob sie es wagen sollte oder nicht. Sie könnte auch einfach nach Hause gehen und sich die Aufzeichnung von Criminal Minds ansehen. Doch sie wollte nicht, sie lebt nicht in "könnte" sondern in Casey Hills. Einem Ort an dem Menschen sterben und dann lebendig wieder aufkreuzen. Coleen hat immer nur Schüler gesehen, also musste die Schule etwas damit zu tun haben. Nur was? Sie flitzte auf leisen Sohlen über den frischgemähten Rasen. Heute Nachmittag war der Hausmeister der letzte der hier war und nun sind andere Gestalten in hier, diesem Raum unter der Erde. Zwei Stockwerke höher knipste jemand das Licht für kurze Zeit an. Coleen erkannte eine Silhouette auf dem Boden. Es war ein kleiner Junge, gerade mal fünfte Klasse oder so. Der Schein traf nicht Coleen aber trotzdem klopfte ihr Herz wie wild. Das Licht ging aus. Plötzlich vernahm Coleen Schritte. Jemand stampfte durch das Gras. Nur wenige Meter hinter ihr. Coleen lugt rasch um die Ecke und dreht sich auch genauso schnell wieder um. Die Person die sich ihr näherte war ein Mädchen. Sie gehörte auch noch ausgerechnet in ihre Klasse, was noch schlimmer war. Ihr Name ist Kadence. Sie konnte Coleen nicht ausstehen und roch immer nach Parfum und Haarspray. Ihr mindestens fünfzig Euro teures Parfum lag in der Luft. Der Geruch verpestet die halbe Schule. Sie stand nur wenige Schritte von Coleen entfernt. Hatte sie etwas gemerkt? Was suchte sie dort? Etwa Coleen? Schweiß tropfte von Coleen's Stirn. Ihr Herz schlägt wie wild. Das Atmen war eine Qual, denn ihre flachen Ein- und Ausatmung durfte nicht zu laut sein. In der Stille der Nacht würde sie alles hören können, sogar das. Jetzt ja keine Anstalten machen und durchhalten. Jede Bewegung würde das Aus für ihre Mission bedeuten. Ob sie es wagen konnte einmal um die Ecke zu blinzeln? Oder wäre es doch zu viel? Coleen nahm ihren Mut zusammen und wagt es einen Blick zu riskieren. Keine Menschenseele. Dunkle Leere. Da diese Gefahr nun vorüber ist, ist es höchste Zeit für Schritt zwei. Coleen rast über den Rasen bis zu den Fahrradständer. Die weit entfernte Sporthalle warf einen Schatten auf die Steine und die Bäume schütteln wie wild. Der Wind bläst Coleen um die Ohren und sie sah über die Rosenhecke hinter der sie sich versteckt. Die Türen der Schule scheinen nicht abgeschlossen zu sein. Coleen schleicht hinüber zur Tür und öffnet sie leise. Im Gang ist es ruhig, etwas zu ruhig. Auf einmal kam ein Lautes Poltern aus dem zweiten Stock. Etwas fiel hinunter. Coleen überkam der plötzliche Wunsch wieder nach Hause zurück zukehren. Doch so schnell wieder die Flucht ergreifen kam nicht in Frage. Bis zum Sekretariat ist es nicht sehr weit. An der Wand entlang, schleift sie mit den Schuhen seitlich über den Boden. Alles war lahm gelegt und die sonst so volle Aula ist nun menschenleer. Die Gänge sind total düster. Alle Lichter sind aus und keine lauten Geräusche waren zu hören. Es war eigentlich ganz friedlich und doch unheimlich alleine in der Schule zu sein, wenn alles still ist. Im Sekretariat angekommen, sucht Coleen nach ihrer Taschenlampe die sie in ihrem Beutel hat. Sie knipste sie an und blickte nun in einen leeren Raum. Das Sekretariat befand sich in einem kurzen Gange. Die erste Tür zur ihrer Linken war das Rektorenzimmer und das des Konrektoren. Zur Rechten waren die Lehrertoiletten und ein kleiner Raum mit einem Drucker und einem Kopierer. Am Ende des Ganges befindet sich das Lehrerzimmer, das Zimmer des Vertrauenslehrer und natürlich das Sekretariat. Der Raum beschien nun ein Lichtkegel und Staubkörner tanzen in der Luft. Die Atmosphäre ist nicht besonders erfreulich: ein verwelkter Blumenstrauß und ein Haufen Papierkram. Coleen hockt sich vor einen der großen Schränke und öffnet die erste Schublade. Neben ungedeckten Rechnungen für neue Computerprogramme, Klassenfahrten und Strom- und Heizkosten, entdeckte Coleen in den anderen Schubladen wiederum ein paar Schülerakten sowie deren Krankenakten. Die erste Mappe die Coleen rausfischt ist dick und trug den Namen: Coco Dustin. Sie hat unzählige Kurse belegt und immer gute Arbeit geleistet. Sie befindet sich im letzten Jahr an dieser Schule. Die zweite Mappe ist ihre eigene. Mit den Fingern streicht sie sachte über den Namen: Coleen Mellbourne. In ihrer Mappe steht etwas über Sozialverhalten und somit klappt sie die Mappe nach den ersten fünf Sätzen zu. Danach war die Mappe von Kadence dran. Kadence Martim ist eine schlaue Schülerin und legt allerdings kein Wert auf soziales Arrangement. Es steht nichts darüber dass sie tot ist. Wieso auch eine Mappe von einem toten Mädchen aufbewahren, wenn diese doch noch lebt. Coleen reicht es sich Mappen durch zugucken und schleicht eine Tür weiter zum Lehrerzimmer. Alles ganz ruhig. Kein Kaffeegeruch und keine Gespräche über nervende Schüler im Unterricht. Wo die Lehrer eigentlich sitzen um mit ihren Kollegen zu frühstücken und die nächsten Stunden vorbereiten, sitzt nun gähnende Leere. Coleen findet auch hier nichts Interessantes und geht wieder. Mit einem Knarren ging die Tür wieder zu. Nun konnte sie sich nicht mehr davor drücken in den Keller zu gehen. Der dunkelste Ort in dieser Schule. Durch eine offene Tür, gelangt sie zu einen Wendeltreppe nach unten. Frau Lindner glaubte Coleen nicht als sie sie nach einem Untergeschoss fragte. Niemand tat das. Zumindest hatte niemand eine Ahnung der nicht zu ihnen gehörte, die Toten die von diesem Versteck wissen und sich dort treffen. Es hat lange gedauert herauszufinden, wann genau sie sich dort treffen. Durch langes, wirklich stunden- Nein! tagelanges Wachlegen und Beobachten, gelang es ihr heute einen der Toten zu sehen. Er wurde von ihr entdeckt wie er ins Schulgebäude lief. Das Treppengeländer fühlt sich eiskalt an und die Vorstellung was sie dort unten sehen würde ließ ihr einen Schauer über den Rücken laufen. Es gibt eines was diese Menschen gemeinsam haben: das Überleben de Todes. Man muss sich das mal vorstellen, resistent gegen den Tod zu sein. Sein Leben einfach weiter führen. Sterben und dann eine Art zweite Chance bekommen und ins Leben zurückkehren. Was würde geschehen wenn sie Coleen gleich entdecken? Es ist ein Geheimnis, denn sonst wären sie nicht so übervorsichtig und würden nicht alles genau kontrollieren. Sie haben alles abgecheckt und darauf geachtet dass sie nicht zur selben Zeit zur Schule und sich nicht sehen zu lassen. So gut es ging, haben sie an alles gedacht nur nicht an Coleen, die gerade noch unten zu ihnen schlich. An der letzten Stufe der Treppe angekommen, sah sie um die Ecke um sicher zu gehen dass niemand sie sehen konnte. Stimmen waren zuhören und das Aufschlagen von Büchern. Coleen geht in gebückter Haltung zu einer alten, vermoderten Tür die einen Spalt offen steht und durch die ein flackerndes Kerzenlicht scheint. Durch den Spalt kann man einige Schattengestalten sehen. Plötzlich erschreckt sich die Bande und Coleen auch. Die Sirene eines Polizeiautos. Die toten Schüler stehen alle auf und die zurückgeschobenen Stühle quietschen laut. Alle packen Dinge weg und Coleen geht davon aus, dass sie gleich alle rausstürmen um das Gelände zu verlassen. Für Coleen ist es auch an der Zeit zu gehen. Es darf niemand herausfinden, dass sie sich in der Schule aufhält. Es ist strafbar sich dort aufzuhalten und sie hätte keine passende Erklärung für den Einbruch in eine Gesamtschule. Wie kann sie die Schule verlassen ohne entdeckt zu werden? Die Schüler müssen doch auch irgendwie herauskommen. Coleen sieht nach ihnen, doch sie sind weg! Wie konnten sie entwischen? Coleen sieht nach, doch niemand ist da. Eben waren doch ein Haufen Schüler dort. Wie kann es sein dass sie auf einmal alle verschwunden sind. Die Polizei rückt immer näher. Sicher könnte sie sich einfach im Keller verstecken aber dann würde die Polizei die Türen wieder verschließen und wenn sie nun rauslaufen würde, könnte ein Polizist sie entdecken und mit auf die Wache nehmen. Eins war klar: sie muss jetzt handeln! Alles hängt davon ab. Coleen rennt die Treppe hoch und schleift mit der Hand über das Geländer. Die Zeit drängt. Nichts wie weg; sagte sie zu sich selbst und rannte dabei durch die Gänge raus in die Freiheit. Doch sie war noch lange nicht in Sicherheit. Erst musste sie noch über den Schulhof und dann über die Seitenstraßen und den Feldweg nach Hause. Ihr taten bereits die Knie weh, als sie an ein paar Gebüschen und Sträucher stehen blieb. Wenn sie schnell dort durch huscht kann sie direkt über die Felder nach draußen. Ihr Herzschlag wird immer schneller, während sie sich durch die Zweige und Äste kämpft. Haufenweise Kratzer zeigen sich auf ihrer Haut, doch sie musste weiter. Immer wieder verheddern sich kleine Stachelzweige in ihrem Haar und zogen dran. Auch wenn sie nun ein Viertel ihrer Haare rausreißt, sie muss weiter. Endlich war der Schein des Mondes vollständig zu sehen. Sie ist frei. Gerade als sie einen Schritt auf die Felder gehen wollte, packte sie etwas am Bein. Ein Polizist hatte sie entdeckt und ihr gefolgt. Sie versucht sich zu befreien. Der Griff des Beamten war zu fest. Es war vorbei.

Auf der Polizeiwache saß bereits Coleen's besorgter Vater. Er sieht nicht gerade glücklich aus. Seine Miene hatte diesen "ich-bin-von-dir-enttäuscht-Blick". Coleen schämt sich so. Nie im Leben hätte sie gedacht, dass sie eines Tages auf der Wache sitzt. Nun bekäme sie nicht nur Ärger von ihrem Vater sondern auch mit den Polizisten und vermutlich würde noch einer von der Schule auch mit ihr sprechen wollen. Sie wusste nicht wer. Sicher wenn sie morgen in die Schule geht, würden alle sie anstarren. Sie müsse zu einem Vertrauenslehrer oder so. Coleen's Vater spricht mit den Polizisten um sie da rauszuboxen. Sie blickt bloß auf den Fußboden zu ihren Turnschuhen. Der Pony fällt ihr ins Gesicht und sie hofft dass ihr Papa nicht allzu streng mit der Bestrafung ist. Wo vor sie aber am meisten Angst hat ist die Frage: Warum brichst du nachts in die Schule ein? Die Erklärung dafür würde sie verrückt klingen lassen. Niemand anderes außer sie war da. Die Geisterkinder sind ja einfach verschwunden. Und wenn sie es jetzt so sagt wie es ist, so glaubt man sie lüge oder leidet unter Warnvorstellungen oder sie wäre psychisch krank. Ihr Vater und ein Polizist kamen aus dem Zimmer und sagten noch etwas. Coleen hatte keine Ahnung was. Sie musterte lieber den Boden. Ihr Vater sagte leise so etwas wie "komm". Coleen steht auf und das Quietschen ihrer Schuhe war deutlich zu hören. Ihr Blick war wieder nach unten gerichtet und nur für kurze Zeit sah sie einmal auf. Der kurze Gang zur Tür kam ihr endlos lang vor. Die Lichter lassen geputzten Boden aufleuchten und an den weiß-grauen Wänden waren Poster mit Erwachsenen oder Jugendlichen mit Sträflingskleidung und einem Schild wo drauf steht: Gesetzesbrecher enden so. Sei keiner von ihnen. Die Schilder machen einen ernst zunehmenden Eindruck. Draußen steht schon der Wagen. Die kühle Luft macht Coleen eine Gänsehaut. Das Adrenalin von vorhin war verflogen. Im Auto tastet Coleen ihre Haut ab und es waren überall Kratzer. An den Armen und an den Beinen zeichnen sich weiße Linien. Sie strich sanft mit den Fingern drüber. Der Schmerz ist nun deutlicher zu spüren als am Angang. Der Vater sagt kein Wort und macht den Motor an. Der Wagen fuhr los. Auf der ganzen Fahrt wurde kein einziges Wort geredet. Das Radio blieb aus und als sie dann zu Hause ankamen, sagte der Vater bloß:" Mach die bettfertig und geh schlafen. Wir reden morgen darüber. Der verschlafene Blick ihres Vaters deutete ihr dass sie auf ihn hören sollte und wunden Augen sahen nach Schlafmangel und Erschöpfung aus. Coleen denkt darüber nach was sie getan hat und zog die Bettdecke hoch. Der Abend war furchtbar verlaufen. Besser kann man es nicht ausdrücken. Auch Coleen ist müde und viel zu erschöpft um nun über eine gute Erklärung für Morgen auszudenken. Sie knipst rasch das Licht aus und kuschelt sich ein. Sie braucht unbedingt einen Schlachtplan. Eine Idee. Eine Erklärung um ihren Vater nicht zu kränken. Sonst würde man sie in eine Zwangsjacke stecken und in eine psychiatrische Klinik einweisen wollen. Irgendeine Erklärung doch ihr fiel keine ein. Was sollte sie sagen? Wieder lügen? Schon wieder Lügen erzählen?

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