Drei Uhr

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Es fühlt sich nicht so an, als hätten wir uns zufällig hier getroffen, es fühlt eher so an, als wäre es Schicksal."

Louis Stimme klang nachdenklich und Rose konnte das Lächeln auf seinen Lippen vor ihren Augen sehen, obwohl sie gar nicht zu ihm sah. Sie hörte das Lächeln durch seine Worte hindurch, während ihr Blick durch die alte Wartehalle schweifte und an einem Mann hängen blieb, der an der gegenüberliegenden Wand lehnte.

Er hielt eine große Gitarre in seinen Händen und zupfte an ihren Saiten. Rosie versuchte der Musik zu lauschen, doch die Klänge gingen im Stimmengewirr der anderen Menschen unter und Louis Stimme hallte noch immer in ihrem Kopf. Sie wandte den Blick ab, sah zu Louis und sobald sie das Lächeln erkannte, das um seine Lippen lag, da breitete sich auch auf ihren Lippen ein Lächeln aus.

„Du glaubst also an das Schicksal?" Sie drehte sich ihm zu, sodass nicht nur ihr Gesicht ihm zugewandt war, sondern auch ihr Körper. Sie zog die Beine ein wenig an ihren Körper und mustere sein Gesicht. Er nickte augenblicklich und seine Mundwinke zuckten erneut in die Höhe.

„Ja, ich glaube an das Schicksal." Rosie legte ihren Kopf schief, sie betrachtete ihn stumm und Louis schien ebenfalls in seinen Gedanken zu versinken. Mit einem Mal verrutschte das Lächeln auf seinen Lippen, ein Schatten huschte über sein Gesicht und Rose bemerkte die Veränderung sofort. „Louis?" Sein Name kam ganz leise über ihre Lippen, sie griff nach seiner Hand, die sie mit ihrer fest umschloss und betrachtete ihn.

Louis Blick fiel hinab auf ihre Hände, er spürte Rosies besorgten Blick auf seiner Haut, doch er hielt den Kopf weiterhin gesenkt und schwieg. Rosie blieb ebenfalls stumm, sie musterte ihn von der Seite und lauschte mit einem Ohr den sanften Gitarrenklängen, die zu ihr herüberdrangen. Als die Musik etwas lauter wurde, da erklang auch Louis Stimme wieder und Rose neigte sich ein wenig zu ihm, damit sie ihn besser verstand. „Ich glaube daran, dass es das Schicksal gibt, aber manchmal ist das Schicksal nicht für jeden gut. Doch irgendwas Gutes hat es immer, auch wenn das einem selbst gar nicht auffällt."

Rose dachte einen Moment lang über seine Worte nach, sie ließ ihre Augen über sein Gesicht wandern und eine Frage brannte auf ihrer Zunge, doch sie wagte es nicht, die Worte laut auszusprechen, denn sie wollte ihm nicht zu nahetreten oder ihn womöglich von sich stoßen. Sie wollte, dass er mit ihr sprach, wenn er sich bereit dazu fühlte und wenn dies niemals geschehen würde, dann wäre es auch okay, denn sie kannte ihn nun einmal nicht und sie hatte bei seinen Fragen ebenfalls geschwiegen.

So blieb sie still, sie hielt weiterhin seine Hand, drückte sie immer wieder, um ihn ein wenig aufzumuntern und als sie das nächste Mal zu ihm sah, da war der merkwürdige Ausdruck von seinem Gesicht verschwunden. Kleine Falten hatten sich auf seiner Stirn gebildet und er beobachtete den Gitarristen, der nur wenige Meter von ihnen entfernt, an seiner Gitarre zupfte. „Spielst du auch ein Instrument?", fragte Rosie und brach somit die Stille, die sich über die beiden gelegt hatte.

Als Louis ihre Frage hörte, wandte er sich ihr zu. Er nickte und Rosie sah ihn augenblicklich neugierig an. „Wirklich? Was spielst du?" Louis deutete unauffällig auf die große Gitarre und Rosie sah ihn überrascht an. „Du spielst Gitarre?", hakte sie nach und er nickte. Ihr Blick wanderte zu dem Gitarristen zurück, den sie einen Moment lang beim Spielen beobachtete, dann sah sie erneut zu Louis und er erkannte die Ungläubigkeit, die in ihren Augen stand. „Was ist? Glaubst du mir etwa nicht?", fragte er mit einem kleinen Lächeln im Gesicht. Über Rosies Lippen kam ein leises Lachen, dann schüttelte sie ihren Kopf und strich sich eine Haarsträhne hinter das Ohr, die ihr ins Gesicht gefallen war.

„Nein, es ist nur", sie verstummte für einen Augenblick lang und betrachtete ihn stumm. „Ich könnte mir dich besser als einen Schlagzeuger vorstellen, als einen Gitarristen", gab sie schließlich ehrlich zu und nun war es Louis, dem ein leises Lachen über die Lippen kam. Er öffnete den Mund um etwas zu sagen, doch Rosie ließ Louis keine Zeit zu antworten, denn sie stellte ihm schon die nächste Frage. „Wie lange spielst du schon?" Nachdenklich sah er sie an und legte den Kopf schief. „Ungefähr seit ich neun bin. Meine Familie ist sehr musikalisch und meine Mutter wollte immer, dass ich auch ein Instrument spiele."

Und da war er wieder, dieser Schatten, der über sein Gesicht huschte und das Lächeln von seinen Lippen verschwinden ließ. Rose schluckte, denn es war mehr als nur komisch Louis so zu sehen. Sie kannte ihn noch nicht besonders lange, aber ihn so traurig zu sehen, war ein komischer Anblick, denn seit sie ihn in dieser Nacht das erste Mal gesehen hatte, war er immer glücklich gewesen und hatte gelächelt. Er war es immer gewesen, der sie zum Sprechen gebracht hatte und plötzlich sagte er kein Wort mehr. Ratlos sah sie ihn an. Er hatte den Blick gesenkt und starrte auf seine Hand, die Rose fest in ihrer Hand hielt. Sanft strich sein Daumen über ihren Handrücken und sie drückte seine Hand leicht.

„Du musst loslassen", murmelte sie irgendwann in die Stille hinein. Louis musste kein Wort sagen, denn Rose hatte schon längst verstanden, was passiert war. Sie war vielleicht nicht die mutigste, aber sie war gut darin andere Menschen zu verstehen, auch wenn sie kein Wort sprachen.

„Loslassen?"

Louis hatte den Kopf gehoben und betrachtete Rosie. Sie nickte leicht und ein kleines Lächeln legte sich auf ihre Lippen. Sanft drückte sie seine Hand. „Ja, einfach loslassen. Das ist manchmal das einzige, das hilft."

•••

Die Widmung geht dieses Mal an StephVi.
Seid ihr bereit für das Ende? Wir haben nur noch 2 Kapitel vor uns und wenn ich es schaffe, lade ich die beiden Kapitel noch heute Abend hoch.

13. Januar 2018

Die Unendlichkeit einer Nacht | l.tWo Geschichten leben. Entdecke jetzt