II

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Mit einem drückendem Gefühl erwachte ich am nächsten Morgen. Mein Kopf fühlte sich als würde er gleich explodieren, ein mit bereits sehr bekanntes Gefühl. Es dauerte einen Moment bis ich registrierte das mein Wecker mich aus dem Schlaf gerissen hatte. Meine steifen Glieder reibend, stand ich auf und tapste zu dem kleinen Tisch neben meine Bett um den Wecker endlich zum schweigen zubringen.

Ich verzog mein Gesicht bei dem Gedanken nun trainieren zu gehen, doch ich wusste das ich die Übung benötigen würden. Mit müden Schritten stapfte ich ins Bad um eine kurze, kalte Dusche zu genießen. Danach zog ich mir meine Trainingsklamotten an und griff nach meinem Schlüssel bevor ich mein kleines Reich verließ. Eigentlich hatte ich nur ein Schlafzimmer und ein kleines Bad, doch das hatte ich mir hart erarbeitet, immerhin war ich nun schon seit fast 10 Jahren hier.

Langsam folgte ich dem kleinen Gang vorbei an all den identisch aussehenden Türen. Hinter der den meisten verbargen sich ähnliche Zimmer wie die meinen, nur mussten die meisten Zimmer zu zweit oder zu dritt bewohnt werden.

Es ist schon lange her das ich in so einem Gruppenzimmer untergebracht war. Selbst als ich nicht mehr hatte verbergen können, dass ich in Wahrheit ein Mädchen bin, hatte ich noch mit einigen anderen Kämpfern zusammen gewohnt. Der Grund warum sie mich nicht weg geschickt hatten ist der selbe, aus dem ich auch ein Einzelzimmer bekommen hatte. Ich war verdammt gut - zumindest solange ich nüchtern war.

Es gab zwar immer weniger Menschen doch die wenigen die es noch gab, könnte man eigentlich recht leicht in Gruppen einsortieren. Da wäre einmal die Sklavinnen, sie bedienten die Wölfe und tun was auch immer diese von ihnen verlangten. Dann gibt es noch die Arbeiter, eigentlich taten sie so ziemlich das selbe wie die Sklavinnen - auch sie taten genau das was die Wölfe von ihnen verlangten. Doch sie hatten ein paar mehr Freiheiten, da sie nicht dauerhaft so nahe an den Wölfen waren. Zuletzt gab es da noch uns.

Wir waren die Kämpfer. Leider keine Rebellengruppe, wie man eventuell annehmen könnte. Nein, niemand würde es je wagen die Herrschaft der Wölfe anzuzweifeln. Wir trainierten Tag für Tag, Woche für Woche, Monat für Monat und Jahr für Jahr. Unglaublich wie viel Anstrengung dahinter steckte, wenn man bedachte das wir nur am Leben waren um die Wölfe zu unterhalten.

Sie nannten es die Fights, wir nannten es unseren Job. Eigentlich war es wie damals, im alten Rom, als die Gladiatoren gegeneinander kämpften.

Wölfe, erzählte man sich unter uns, hätten einen gewaltigen Blutdurst und dieser müsse gestillt werden, damit sie sich nicht gegenseitig zerfleischen. Natürlich möchte ER - der König und Anführer der Wölfe - das vermeiden. Deshalb gibt es uns. Wir kämpfen gegeneinander um die Wölfe daran zu hindern völlig durchzudrehen. Meistens waren es nur ein paar Schrammen und Narben die man bei dem Kampf gewann doch ab und zu wurden wir auch angewiesen einen Kampf um Leben und Tod auszufechten. Das kam meist so zwei bis drei Mal im Jahr vor, doch bald würde sich das ändern.

Zur Feier des gewonnen Krieges vor 10 Jahren wird es ein großes Fest geben und dafür wird es den ganzen Mittag bis Nachts nur Kämpfe um Leben und Tod geben. Das gab es zuvor noch nie und es bereitete mir Tag und Nacht Kopfschmerzen. Ich kannte nicht einmal alle Kämpfer in unsere Arena und anscheinend sollen noch andere hinzukommen. Optimistisch geschätzt lägen meine Chancen also bei höchstens fünfzig Prozent lebend aus der Sache rauszukommen.

Mit einem energischen Kopfschütteln versuchte ich die Gedanken in meinem Kopf zu vertreiben und bemerkte erst jetzt das ich bereits in der Halle war und begonnen hatte meine üblichen Runden zulaufen.

Obwohl ich versuchte mich auf den Klang meiner Schritte und meinen Atem zu konzentrieren schaffte ich es ausnahmsweise nicht meine Gedanken abzuschalten. Genervt verließ ich die dunkle Halle in den kleinen Nebenraum mit der Ausstattung. Ich wusste nicht einmal ob wir mit Waffen oder Fäusten würden kämpfen müssen. Die beste Chance hätte ich mit zwei Schwerstern. Ich war schnell, clever und taktisch einfach nur perfekt. Doch die anderen würden alle stärker sein als ich und in einem Faustkampf hätte ich wohl keine richtige Möglichkeit die Sache zu überleben.

Genervt atmete ich aus. Ich musste es endlich schaffen meine Gedanken bei Seite zuschieben und diesen düsteren Zukunftsausblick zu vergessen. Ich hatte schon oft Ältere und Größere besiegt auch im Faustkampf. Ich wusste das es nicht unmöglich war, mit einer guten Strategie und genug Training.

Energisch griff ich nach zwei Ledernen Handschuhen in einem Karton unter einem Metall Tisch. Ich zog sie mir flink über meine rauen Hände. Nach zehn Jahren gab es noch immer kein paar Handschuhe das klein genug für mich war, doch es interessierte auch niemanden ob ich gut ausgestattet war oder nicht, also hatte ich gelernt solche Sachen einfach zu ignorieren.

Der schwere, schwarze Boxsack hing von der Decke in einer der Ecken des Trainingsraumes. Zu meiner eigenen Überraschung mochte ich den Raum. Er war sicher 40 Mal so groß wie mein Schlafzimmer und wenn es draußen hell wurde konnte man, dank des großen Glasdaches , zusehen wie die Sonne langsam den Himmel hinauf kletterte. Eigentlich war dies meine einzige richtige Möglichkeit die Sonne zusehen. Mein Zimmer hatte keine Fenster und die kleinen die es im Speisesaal gab, sahen eher aus wie kleine Löcher in der Wand, nicht wie Fenster.

Dagegen bot das nach außen gewölbte Glasdach einen wundervollen Ausblick.

Ich wand meinen Blick dennoch von dem Dach ab und konzentrierte mich auf den schwarzen Sack vor mir. Schritt für Schritt ging ich die verschiedenen Techniken durch, die wir damals schon als Kinder gelernt hatten. Mit jedem Schlag auf den Boxsack wurde das erdrückende Gewicht auf meinen Schultern etwas leichter. Stück für Stück verzogen sich meine düsteren Gedanken bis meine ganze Konzentration nur noch dem Boxsack galt. Zum ersten Mal am heutigen Tag konnte ich alles andere loslassen und genoss den leichten Schmerz an meinen Knöcheln.

Fight, Love or DieWo Geschichten leben. Entdecke jetzt