Kapitel 61

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Hades
Sand? Der Wind verwehte ihn allmählich. Ich beobachtete stumm, wie er immer noch aus meine Hand herabrieselte. Malochais Worte hatten sich in meinen Kopf eingebrannt. Die grausame Tat, die er erlebt hatte, würde nicht vergessen werden. Und nicht ungerächt bleiben. Mein Gefühl hatte sich also doch bestätigt. Er war zwar ein Verräter gewesen, aber nur, weil er keine andere Wahl gehabt hatte. Es war verworren und kompliziert, aber ich wusste, dass sich alle Puzzelteile noch zusammensetzen würden. Dann würde ich es verstehen.

Ich erhob mich und mein Blick schnellte zu Ambrosium. Um ihn herum türmten sich Berge aus Leichen. Es war ein grausamer Anblick. Aber Krieg ist nie schön gewesen. Ich eilte auf ihn zu und bemerkte in dem Moment die Stille um uns herum. Verwirrt hielt ich, neben ihm angekommen, an und sah mich um. ,,Wo ist Poser? Wo ist der Vogel?" Es war mir nicht aufgefallen- aber beide waren sie verschwunden. Ambrosium legte seine Köpfe schief. Meint ihr eure Begleiter? Ich nickte stumm und sah mich hektischer um. Er könnte doch nicht einfach abgehauen sein oder? Wütend ballte ich meine Hände zu Fäusten. ,, Dieser Kleine... Er hat sich einfach verpisst! Was habe ich auch anderes erwartet?!"
Ich schlug mit meiner Faust gegen einen Felsen und es knackte. Ein Teil des Felsen fiel herunter und ein Rinnsal goldenen Blutes floss an meiner Faust hinab. Warum blutete ich?
Herr! Ich zuckte zusammen und drehte mich zurück zu Ambrosium. In meiner Wut hatte ich ihn ganz vergessen. ,,Was ist?" Ich habe die beiden gesehen. Ich dachte euch wäre es auch aufgefallen. ,,Was aufgefallen?" Sie sind gefallen. Ein Kopf wies hechelnd auf einen schwarzen Spalt, der sich im Boden aufgetan hatte. Sie sind jetzt im Tartaros. ,,Was?!" Geschockt schrie ich auf. Dieser Idiot! Diese Idioten!
Ich begann unruhig auf und ab zu laufen. Was sollte ich tun? Ihnen folgen? Aber wie groß war die Wahrscheinlichkeit, sie sofort zu finden? Über den Tartaros hatte ich keine Gewalt. Unten herrschten, wie Malochai es so gut ausgedrückt hatte, andere Gesetze, andere Regeln. Andere Wesen. Aber ohne mich wären beide verloren. Ich seufzte und fasste mir an den Kopf. Mit den beiden würde ich noch den Verstand verlieren. Meinen Verstand. Verstand.

Ach, verdammt! Wozu war ich denn überhaupt hierhergekommen? Ich drehte mich wieder um und rannte zurück zu der Stelle, an der ich Malochai bekämpft hatte. Nicht weit entfernt lag auf dem Boden eine bewusstlose Göttin. Athen. Wenn ich ihr erzählen würde, das sich sie auf ihrer Rettung einfach vergessen hatte... besser, ich lies es bleiben. Ich kniete mich hin und hievte sie vorsichtig auf meine Schulter. Leise Pfiff ich und ein Bellen ertönte als Antwort. Ambrosium kam zu mir und ich legte sie vorsichtig auf seinen Rücken. ,,Du musst sie beschützen, solange ich weg bin. Bring sie in mein Schloss, dort sollte sie sicher sein. Aber weich nicht von ihrer Seite!" Ambrosium heulte leise. Wohin geht ihr, Herr? ,,Ich rette meinen kleinen Bruder und den dummen Vogel.", knurrte ich und öffnete mit einer Bewegung der Hand noch schnell das Tor zu meinem Schlossgarten, ehe ich mich umdrehte und mit einem Sprung kopfüber in das schwarze Loch im Boden fiel.

Warum ist dieser Idiot so unzuverlässig? Man gibt den beiden eine Aufgabe. Nur eine. Und zwar bei mir zu bleiben. Ich hab ja schließlich Athen gerettet. Nur bei mir zu bleiben, war ihre Aufgabe. Mehr hätten sie auch nicht tun müssen. Aber nein. Das geht ja nicht.
Wütend knirschte ich mit den Zähnen. Wieso müssen diese zwei sich trotzdem immer wieder in Schwierigkeiten bringen?! Meine Gedanken wanderten zu Leia. Viel zu lange schon hatte ich sie nicht mehr gesehen. Nicht mehr ihre Stimme gehört. Ich wollte sie sehen. Und ich musste sie finden. Eigentlich hatte das Priorität, aber ich konnte mich doch nicht dazu überwinden diese zwei Idioten alleine zu lassen. Und so kam es, dass ich weiterhin durch den Tartaros fiel.
Eine Gänsehaut überkam mich. Zu lange schon hatte ich diesen Ort nicht mehr betreten. Aus gutem Grund.
Es war tintenschwarz hier unten, sodass ich, wäre ich kein Gott der Unterwelt gewesen, kaum etwas gesehen hätte. Aber ich war an das Kalte gewöhnt. An die Dunkelheit und das schwarze Nichts, welche hier unten herrschten. So sah es auch lange Zeit in mir aus... bis sich mein Herz wieder erwärmt hatte. Durch sie. Sie war wie ein Licht, dass ich lange verloren geglaubt hatte. Nie hätte ich erwartet, es wiederzufinden.
Ein Ruck ging durch mich hindurch, als ich mich mit meiner ganzen Kraft an einem Felsbrocken festkrallte.

Kuss eines GottesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt