Kapitel 81

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Kore

Meine Naivität war mir zum Verhängnis geworden. Ich konnte nicht anders, als ehrfürchtig den Titan vor mir zu mustern. Sein Lächeln war sanft, warm und freundlich. Ganz anders, als seine Augen, die eine ganz andere Sprache zu sprechen schienen. Grausam, kalt und berechnend betrachteten sie mich. Er streckte seine Hand plötzlich nach mir aus und ein besitzergreifender Zug stahl sich in sein Gesicht, zeigte kurz das wahre Monster, welches sich hinter der Maske makelloser Schönheit versteckte. Ich wollte instinktiv zurückweichen, aber Ares Hände, die sich um meine Arme schlossen, waren wie starke Schraubstöcke, er wich keinen Zentimeter von der Stelle, an der wir uns befanden, zurück. ,,Ich bin so unendlich froh, dich wieder zusehen, meine Gute." Bitte? Mich wiedersehen? Ich konnte meinen Ohren nicht trauen. Ich hatte diesen Mann noch nie zuvor gesehen. Nicht in diesem Leben. Ich biss mir auf meine Lippe, bis ich Blut schmeckte. Die Situation, in der ich mich befand, war so oder so schon schlimm, sie durch mein vorlautes Mundwerk noch miserabler zu machen, wollte ich lieber vermeiden.

Kronos zog amüsiert eine Augenbraue hoch. ,,Sprich, meine Gute. Mir sollst du nichts verschweigen." Die unterschwellige Drohung brach meine Zurückhaltung in Stücke. Ares neben mir lachte höhnisch. Er hatte gemerkt, wie sehr ich mich fürchtete. Ich zitterte am ganzen Leib. Doch meine Gedanken rasten. Erst wurde ich unterschätzt, geformt von meiner Muttere und schließlich verbannt, getrennt und zerrissen in zwei Teile. Ich verlor die Chance auf meine große Liebe, mein Herz schien bei dem Gedanken verwirrender Weise zu zerspringen, so sehr schmerzte es mich. Ich hätte sie vielleicht in Poseidon gefunden... Und nun nachdem ich wieder ich selbst war, verlor ich nichtsdestotrotz alles erneut. Ich konnte die Verzweiflung auf meiner Zunge schmecken und sie ließ mich meine nächsten Worte ruhig und mit kräftiger Stimme sagen: ,,Ich kenne dich nicht, du irrst dich. Ich habe dich noch nie gesehen. Hätte ich das getan, hätte ich dich nicht vergessen. Also, sag mir, was willst du von mir, Kronos?" Asklepios zischte gereizt aufgrund meiner harten, respektlosen Worte. ,,Wie sprichst du mit ihm?", doch ich ignorierte ihn, genauso wie Ares, der während meiner Ansprache immer fester zugedrückt hatte. Ich war mir sicher, dass meine Arme voller Blutergüsse waren. Doch die Angst betäubte mich. Kronos schwieg unterdessen. Seine Augen waren auf mich gerichtet, als er die nächsten Worte ruhig, aber mit einem tiefen Knurren sprach: ,,Wagst du es, dich meinen Befehlen zu widersetzen, Ares?!" Ares zuckte zusammen, ein leichtes Zittern erfasste ihn. Kurz streifte ich ihn mit einem Blick, seine Hautfarbe hatte erneut den aschfahlen Ton angenommen und er wirkte schwach, krank und leblos, als er mit einer tiefen Verbeugung antwortete und die Hände von mir löste. ,,Verzeiht, mein Herrscher." Meine Verwirrung stand mir anscheinend ins Gesicht geschrieben, denn Kronos begann zu meiner größten Verwunderung zu Lachen. ,,Niemand verletzt dich, meine Gute. Nicht, solange ich es nicht wortwörtlich befehle." Ich merkte, wie meine Knie drohten unter mir nachzugeben und ich stürzte. Meine Knie schürften am Boden auf und ich zischte wütend. Diese Schwäche war erbärmlich. Ich hob meine Hände und mein Blick fiel auf meine Arme. Wie erwartet, waren sie mit dunklen Blutergüssen übersäht. ,,Sieh mich an.", seine Stimme zerschnitt die Luft. Ich blickte auf. Sein Gesichtsausdruck zeigte tiefsitzende Verachtung und Missbilligung. ,,Du sagst mir, du erinnerst dich nicht an mich. Das kann nicht sein. Lüg mich nicht an." Ich hielt seinem kalten Blick wortlos stand. Er schien zu überlegen, ehe er das Wort an Asklepios richtete: ,,Bestrafe Ares später für mich." Asklepios verbeugte sich vor ihm und nickte ergeben. Das Blut gefror mir in den Adern. Er... das war einer seiner Verbündeten... wie konnte er... ,,Wer meinen Befehlen nicht gehorcht, wird bestraft.", erklärte er milde lächelnd und seufzte dann auf. ,,Nun denn, wenn du dich nicht erinnern willst, dann sei dem so. Du wolltest wissen, weshalb du hier bist? Das, meine Gute, ist einfach zu beantworten. Du gibst mir das, was mir zusteht." Eine schreckliche Vorahnung erwachte in mir. ,,Und was soll das sein?"

,,Das ist-" Ein lautes Knallen ertönte plötzlich, gefolgt von schlimmen Fluchen. Die Wand neben uns begann zu bröckeln und zerbarst in tausend Stücke, die durch die Explosion gefördert, wie schnelle Geschosse in alle Richtungen flogen. ,,Uff." Mit einem dumpfen Laut fiel Ares auf den Boden. Seine Schläfe schimmerte golden. ,,Was geschieht hier!", grollte Kronos, sein Blick surrte zwichen uns und der sandigen Staubwolke hin und her. ,,Das wa-hu-rs für dich, Ares!", krächzte eine mir nur allzugut bekannte Stimme und flog mit lautem Gekrächze aus der Wolke heraus. Ihm folgte ein wütender Poseidon und der Fremde, schwarzhaarige Mann. Beide starrten mich an und bei meinem Anblick begannen sie zu grollen, wie tollwütige Tiere. Eine Gänsehaut breitete sich bei mir aus: ,,Poseidon, nicht, das ist-" ,,Poseidon?", Kronos hatte sich wieder beruhigt, doch seine Stimme hatte einen bedrohlichen Unterton bekommen. ,,Du bist es?" Poseidons Blick löste sich von meiner Gestalt und wanderte zu Kronos. Ebenso die des schwarzhaarigen Mannes. Sein Gesicht verfinsterte sich und er sah plötzlich genauso gefährlich aus, wie Kronos selbst. Wer auch immer dieser Mann war, er war unglaublich mächtig. Und ebenso wunderschön. ,,Kronos.", knurrte dieser nun und seine Stimme war so tief, rau und hasserfüllt, dass sie mir durch Mark und Bein ging: ,,Was tust du hier?" Kronos sah beinahe fröhlich aus, als er die beiden betrachtete, doch seine Stimme strafte seinen Anblick lügen. ,,Meine zwei Söhne. Wo wart ihr nur in all diesen Jahrzehnten?" Seine Worte waren gehässig und voller Wut, doch überraschten mich am Meisten. Der andere Mann war Hades? Der Name weckte etwas in mir, ich fühlte mich, wie bei einem Dejavu. Mir wurde schwindelig.

Kuss eines GottesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt