Teil 2

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Professor Laray führte die Erstklässler über das weitläufige Schulgelände zum Hauptgebäude. Hinter der Traube neuer Schülerinnen und Schüler, folgten die Fakelträger. Lola fiel auf, dass jeder von ihnen eine kleine Goldene Anstecknadel mit einem Bärenkopf trug. Anscheinend waren sie soetwas wie die Vertrauensschüler.
"Das hier ist das Hauptgebäude", fing Laray an. "Hier geht es in die Eingangshalle, wo ihr gleich in die Häuser eingeteilt werdet und dann in die Schlafsäle gehen könnt, um euer Gepäck loszuwerden. Danach wird gegessen. Gemeinsam in der Speisehalle. Dort lernt ihr die anderen Schüler kennen. Wer ein bisschen mit der Entstehungsgeschichte Ilvermornys vertraut ist, weiß, wer hier dargestellt ist." Er deutete auf die großen Statuen neben der Eingangstür. Sie stellten einen Mann und eine Frau dar. Mehrere Hände schnellten nach oben. Professor Laray deutete auf ein großes Mädchen: "Ja? Du da." "Das sind James und Isolt." Schulleiter Laray lächelte und nickte: "Ja da hast du ganz recht. Und wer sich noch ein bisschen besser auskennt weiß, dass in der Gründungsgeschichte Ilvermornys auch Pukwudgies eine große Rolle spielen. Nicht zuletzt haben wir ein Haus, welches nach ihnen benannt ist. Also erschreckt euch nicht, wenn ihr sie seht. Sie arbeiten hier. Aber jetzt lasst uns zum Eingemachten kommen." Nun öffnete der Schulleiter endlich die Tür zum Hauptgebäude und ein großer, runder Raum eröffnete sich Kindern. Er hatte hatte hohe Decken und eine Glaskuppel, durch die schimmerndes Mondlicht fiel. Schnell scheuchten die Vertrauensschüler die Neuzugänge in den Raum, während von einem runden, offenen Balkon im ersten Stock, neugierige Augenpaare nach unten blickten. Lola hatte noch nie so viele Kinder und Jugendliche auf einem Fleck gesehen und sie fühlte sich etwas verloren. Sie suchte Malbos Blick und bekam ein warmherziges Lächeln geschenkt.
Was jetzt kam war einfach.
Sie sollten sich alphabetisch nacheinander auf das, in der Mitte des Raumes in den Stein gelassene, Bild eines gordischen Knotens stellen. Der Raum beinhaltete außer der Bodenplatte noch vier aus dunklem Holz geschnitzte Statuen. Die erste war eine große Schlange. Sie bäumte sich auf, wirkte aber nicht gefährlich. Auf ihrer Stirn war ein funkelnder, weißer Edelstein eingelassen. Sie stand anscheinend für das Haus der gehörnten Schlange. Die zweite Statue stellte ein Katzenartiges Wesen dar. Es war so groß wie ein Puma und hatte zum Sprung angesetzt. Lola schloss auf das Haus des Wampus. Gegenüber der Wampusstatue stand die eines großen, Totem-ähnlichen Vogels, der seine Flügel ausgebreitet hatte. Ohne Zweifel das Haus Donnervogel. Und die letzte Statue? Sie sah nicht wirklich so imposant wie die anderen aus. Sie zeigte einen Pukwudgie mit Pfeil und Bogen. Irgendwie fehl am Platz.
Abigail West wurde aufgerufen. Sie war die erste. Leicht nervös stellte sie sich auf den Knoten in der Mitte. Lola wartete gespannt, was passieren würde. Würde etwas anfangen zu sprechen? Aber für eine Minute passierte nichts. Dann plötzlich ertönte ein lautes Brüllen in der Halle, welches die neuen Schüler und ganz besonders Abigail zusammenfahren ließ. Wir starrten alle auf den Wampus. Hinter ihm war eine Tür aufgegangen. Die älteren Schüler klatschten anerkennend und ein Vertrauensschüler führte das Mädchen zur Tür. Sie verschwand und die Tür schloss sich wieder.
"Alexander Videz" Der Junge trat hervor und stellte sich auf den Knoten. Hier ging es schneller. Sofort leuchtete der Edelstein der gehörnten Schlange, aber gleichzeitig schlug der Donnervogel mit seinen Flügeln. Alexander hatte eine Wahl. Er konnte sich aussuchen, in welches Haus er wollte. Er wählte den Donnervogel. Auch hier öffnete sich eine Tür und der Junge verschwand dahinter.
So ging es immer weiter. Malbo wurde immer nervöser und sprang von einem auf das andere Bein. "Alles ist gut", flüsterte Lola, während Katlyn Best ins Haus Wampus kam. "Mach dir doch nicht so viele Sorgen." Malbo antwortete nicht. Sein Blick wanderte unruhig durch den Raum. Lola hatte jedoch keine Zeit, sich zu wundern.
"Lola Harvey!"
Sie stolperte aus der Menge hervor und stellte sich neben ihr Gepäck unbeholfen auf den gordischen Knoten. Sofort durchfluteten mehrere Stimmen ihren Kopf. Nein, sie durchfluteten ihren Körper und Lola hatte Mühe, aufrecht stehen zu bleiben. Die Stimmen redeten wild durcheinander und es war schwer, etwas zu verstehen.
"Ssehr ssschlau. Sssehr Gewisssenhaft", zischte eine tiefe, betörende Stimme. Eine ebenso tiefe, aber besonders kräftige rief: "Mutig. Loyal. Sie sucht das weite und die Ferne. Sie sucht eine Aufgabe. Sie hat eine Aufgabe!" "So ein kleines Mädchen, nicht so kräftig. Aber Waffen kann sie tragen", meinte eine kratzige, raue Stimme. "Hehe. Seht mal in ihr Herz. Es ist so rein und sie hat so viele Gaben. Oooh~" Eine dünne, quäkende Stimme schaltete sich ein. "Sie ist mächtig. Sie hat Mut", sagte die kräftige, tiefe Stimme. Die betörende Stimme schien alle anderen zu übertrumpfen: "Es ist vollbracht. Die Wahl wurde getroffen!"
Nun passierte etwas. Neugierig betrachtete Lola die Holzfiguren, die sie alle anstarrten. Sie staunte nicht schlecht, als sie bemerkte, dass gleich zwei Statuen sich bewegten.
Der Donnervogel bewegte seine großen Schwingen eindrucksvoll auf und nieder, während die kleinere Pukwudgie-Statue den Pfeil und den Bogen spannte und zur Decke zielte. Gleich zwei Häuser. Gebannt schauten die Älteren von oben auf sie hinab. Was sollte sie wählen. Sie erinnerte sich an das, was ihr Vater gesagt hatte: "Du würdest gut nach Donnervogel passen." Donnervogel. Lola hatte sich schon über dieses Haus informiert. Es repräsentierte die Seele. Die Abenteuerlust. Aber die verspürte Lola gar nicht. Sie war eher ein ruhiges Kind. Sie wollte anderen gerne helfen und stand nicht gerne im Mittelpunkt. Sie schaute hinüber zu Malbo. Er lächelte sie an. Lola atmete tief durch, dann ging sie mit ihrem Gepäck entschlossen zur Pukwudgie-Statue und trat durch die Tür, die hinter ihr aufging.

Hinter der Tür lag ein kleineres Zimmer. Es wurde von Kerzen erleuchtet, die in goldenen Fassungen an den leeren Wänden hingen. Das Wachs tropfte auf den Boden. Hier stande auch mehrere Tische nebeneinander und Lola spürte deutlich die Magie, die von überall auf sie einprasselte, wie ein leichter Regenschauer. Auf den Tischen lagen mehrere Zauberstäbe. Große, kleine, dicke und dünne. Einige aus hellem, andere aus dunklem Holz. Eine Vertrauensschülerin lehnte in einer Ecke. "Ah. Eine neue. Hallo. Willkommen." Sie war groß, hatte blaue Augen und hübsche, weiß gefärbte Haare. Sie trug neben der goldenen Anstecknadel das Wappen des Pukwudgie Hauses auf ihrer Brust und nickte Lola freundlich zu. Dann deutete sie auf den Tisch: "Zauberstäbe. Such dir einen aus. Pass aber auf, einige können dich vielleicht nicht mögen und tun dir dann weh." Lola betrachtete skeptisch den Tisch und die Stäbe. "Wie weh?" "Also in den letzten drei Jahren war eine kleine Explosion mit Verbrennungen dritten Grades das Schlimmste, glaube ich. Aber keine Sorge." "Aha. Danke." Wow. Da warteten also dutzende Stäbe darauf, Lola möglicherweise in die Luft zu sprengen und sie sollte sich keine Sorgen machen? Was eine tolle Vertrauensschülerin. "Wie heißt du überhaupt?", fragte diese jetzt. Wenigstens zeigte sie etwas Interesse. "Lola. Lola Harvey." Die Ältere löste sich von der Wand und reichte ihr freundschaftlich die Hand: "Hallo Lola. Ich bin Valerie Dam." Lola stutzte. "Dam? Das klingt nicht sehr amerikanisch." Valerie lachte: "Meine Großeltern sind aus Dänemark. Es ist ein Dänischer Name. Aber jetzt lenk nicht vom Thema ab. Los... Entscheide dich endlich für einen Zauberstab. Schau, wie wäre der denn?" Sie deutete auf einen dunkelbraunen Zauberstab. Lola streckte die Hand nach ihm aus, doch bevor sie ihn greifen konnte, rollte er ein paat Zentimeter von ihr weg. Lola versuchte es nocheinmal. Aber wieder entglitt ihr der Zauberstab. "Oh. Der wird es wohl nicht gewesen sein. Was ist mit dem?" Aber Lola hörte gar nicht hin. Ihr war ein anderer Stab ins Auge gefallen. Helles Holz, dass im Kerzenschein glühte. Das musste er sein. Und tatsächlich tat er ihr nicht weh, sondern Lola konnte den Stab ganz einfach nehmen. Valerie pfiff durch die Zähne: "Oho. Hui. Der also? Lass mal sehen. Ich bin jetzt kein Experte, aber mein Freund Roger hat so einen ähnlichen. Ich glaube, das ist Birnbaumholz und... Oh... Siehst du das?", sie deutete auf den verschnörkelten Griff, der aussah, wie ein kleines Wurzelgeflecht. Man konnte leicht durch den Zauberstab hindurchsehen. In seinem Inneren schimmerte es organge und golden. "Phönixfederessenz. Gute Qualität. Und wirklich kurz ist er auch nicht, dein Zauberstab. Ja. Du kannst dich echt glücklich schätzen, Kleine. Nicht so wie ich." Valerie zog ihren Zauberstab hervor. Er war kleiner, ebenfalls aus hellem Holz, aber weniger filigran. Anscheinend hatte Valerie selbst Hand angelegt und einige Runen und Zeichen eingeritzt. "Hartriegelholz. Hasenbock Geweih. 9 Zoll. Etwas stur, wenns ans zaubern geht." "Sieht doch nett aus", meinte Lola. Einen Zauberstab in der Hand zu halten war ungewohnt, aber dennoch fühlte es sich richtig an. Die Tür öffnete sich. Ein Junge kam herein. Er hatte braunes Haar und beinahe schwarze Augen. Er war groß, trug eine Jacke mit Tarnmuster, eine schwarze Hose und Army-Schuhe. Er sah ganz und gar nicht wie ein Pukwudgie-Schüler aus. Wahrscheinlich hatte auch er mehrere Angebote erhalten. Lola tippte auf Wampus. "Ehm... Hallo." Die schüchterne Stimme passte so gar nicht zu ihm. "Hallo. Komm rein. Such dir einen Zauberstab aus", sang Valerie fröhlich. Dann wandte sie sich an Lola: "Geh die Treppe rauf. Dann links den Gang und am Ende findest du den Gemeinschaftsraum mit den Schlafsälen. Du bist in Raum Nummer 3. Hier. Vergiss dein Gepäck nicht. Wir sehen uns beim Abendessen" Sie schob Lola durch eine weitere kleine Holztür.

Sie fiel leise zurück ins Schloss und Lola war allein.

Die Kinder der Aphrodite • HP × PJ FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt