Teil 12

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"Es wäre am besten", meinte Malbo nach einigen Minuten, "wenn ihr mitkommen würdet. Es ist wirklich nicht mehr weit bis zum Camp... Wir könnten morgen früh da sein, wenn wir einen Bus nehmen sogar schon in ein paar Stunden." "Du willst zu viert reisen, mit Kindern, die wir eben erst getroffen haben?", warf Lola dazwischen. Malbo kratzte sich am Kopf: "Naja, es zieht schon Aufmerksamkeit auf uns, aber im Camp ist es sicher, sie werden wie du anerkannt und-" "Was?", Peter war aufgestanden, "Wir sollen alles, was wir uns aufgebaut haben zurücklassen? Weil ein Satyr, der kaum älter als wir ist, es uns sagt? Weißt du eigentlich, wie viel Zeug hier ist? Das können wir nicht einfach alles hier lassen. Jenny, sag doch auch was!" Er wandte sich an seine Schwester, die zu zögern schien.
Sie neigte den Kopf langsam hin und her, dachte nach und faltete stetig die Hände, bis ihre Knochen ganz weiß waren.
"Was bedeutet anerkannt? Gibt es im Camp noch mehr Kinder wie uns? Müssen die auch alle gegen Monster kämpfen?", fragte sie. Malbo nickte: "Ja. Aber im Camp selbst gibt es wenige, bis keine Monster, da es geschützt ist. Es ist wie gesagt der einzig sichere Ort für Halbg- Kinder wie euch!" Er schwitzte. Beinahe hätte Malbo sich verplappert. "'Kinder wie uns'... Was bedeutet das überhaupt? Also ich bin nicht überzeugt. Wir leben hier doch gut und das ist unser Zuhause, Jenny." "Ach halt den Mund, Peter." Jenny funkelte ihren Bruder böse an: "Du weißt ganz genau, wie hart der letzte Winter war, und ich habe keine Lust jede Woche Essen klauen zu müssen oder gegen die Gesichtslosen zu kämpfen. Wenn es einen Ort gibt, an dem wir wirklich sicher sein können, dann sollten wir die Chance ergreifen. Oder nicht?" Peter schwieg eine Weile. Seine Miene war angestrengt, die Augen geschlossen und er wägte seine Entscheidung wohl sehr genau ab. 

Schließlich öffnete er seine Augen und seufzte: "Du hast ja recht, Jenny. Wir sollten mit ihnen gehen." "Na also, geht doch", rief seine Schwester und stand auf. "Ich werd dann mal einen Rucksack zusammenpacken, wenn das okay ist?" Malbo nickte und Jenny und Peter machten sich daran, ihre wertvollsten Gegenstände in einen großen, grauen Rucksack zu stecken. 
"Also jetzt ganz im Ernst, wir wollen die Beiden mitnehmen?", zischte Lola, sodass nur Malbo sie hören konnte. "Ich muss sie mitnehmen, Lola. Das ist meine Aufgabe, als Beschützer. Es ist ein Wunder, dass die zwei es so lange hier draußen geschafft haben." "Hm", meinte das blonde Mädchen nur und setzte dann hinzu, "übrigens Danke, dass du mich nicht verraten hast. Wegen der Magie und so." "Ich muss aufpassen, was ich sage", antwortete der Satyr knapp, "eigentlich wisst ihr schon viel zu viel."

Nach circa einer Stunde waren sie bereit zum Aufbruch. Jeder der vier Reisenden hatte eine Tasche oder einen Rucksack dabei. "Mach's gut, liebe Höhle", sagte Peter traurig und beschaute sich alles, was sie zurücklassen mussten. "Bald kommen bestimmt Wanderer und fragen sich, was hier passiert sei. Dann kommt die Polizei und bringt das alles weg. Ist wirklich schade.", meinte Jenny und tätschelte die Schulter ihres Bruders. Aus ihrem halb-offenen Rucksack ragte das Ende ihres Bogens und ein paar Pfeilspitzen, Peter hatte sich, nach seiner kleinen Umhängetasche mit Proviant, eine kleine Ukulele umgehangen.
"Genug verabschiedet", sagte Malbo, "es ist Zeit von hier zu verschwinden."
Gemeinsam verließen die Kinder und der Satyr die Höhle und traten hinaus ins Freie.
Es wurde schon Nachmittag und der Himmel schien sich langsam zuzuziehen. Doch ohne auf das Wetter zu achten, schlugen sie sich wieder quer durchs Unterholz. Malbo führte sie an, vom Fluss weg. Lola war erstaunt, als sie bemerkte, dass sie auf genau dem Selben Weg gingen, der sie hergeführt hatte. Malbo schien einen richtig guten Orientierungssinn in der Natur zu haben.
"Wohin gehst du, eigentlich", fragte sie den Satyrn, nachdem sie eine Weile gelaufen waren, "meinst du, der Bus ist noch da?"
Der Lockenkopf schüttelte sich: "Bestimmt nicht. Aber Nachschauen kostet ja nichts."
Doch als sie an dem Seitenstreifen ankamen, war keine Spur mehr vom Bus zu sehen.
"Und was machen wir jetzt?", fragte Peter missmutig und kickte mit der Schuhspitze einen Stein weg.
"Auf jeden Fall in Bewegung bleiben, sonst locken wir Monster an", meinte Malbo. Er schlug den Weg entlang der Straße ein. Die Kinder folgten zögerlich und Jenny hatte ihn nach kurzer Zeit eingeholt: "Woher weißt du, ob wir richtig laufen." "Intuition."

Nach zwei Stunden taten ihnen allen die Füße und Hufe weh. Bisher hatten sie noch keine Rast gemacht und die Straße schien kein Ende zu nehmen. Außerdem fing es zu allem Übel auch noch an zu regnen.
"Ich denke, wir sollten versuchen, ob uns jemand mitnimmt", schlug Jenny vor. Sie schien wirklich eine der Vernünftigsten Kinder zu sein, die Lola kannte. Das blonde Mädchen stimmte also schnell zu. Peter sah das ganze jedoch skeptisch: "Was, wenn jemand uns entführt oder uns zur Polizei bringen will? Wir sind ja noch Kinder..." Aber seine Schwester zwinkerte ihm nur zu: "Du weißt schon. Der Trick!" Malbo und Lola schauten sich fragend an. "Was für ein Trick?", fragte Lola neugierig. War Peter etwa auch ein Zauberer? "Ich kann Menschen dazu bringen, alles zu tun, was ich will", sagte der Junge und schien ein bisschen stolz zu sein. "Keine Ahnung warum, aber dazu muss ich ihnen nur meinen Willen in einem Gedicht erklären." "Woah. Wie praktisch", meinte Lola bewundernd und Peter grinste. "Was hälst du von der Idee?", wandte sich die Hexe an Malbo. Doch der Satyr antwortete nicht, ja er schien ganz in Gedanken verloren zu sein. "Malbo! Was hälst du davon?", fragte Jenny etwas lauter. "Huh- Was?" Der Satyr zuckte zusammen. Lola konnte nicht anders, als zu lachen. Und Peter und Jenny stimmten mit ein. Malbo schaute verlegen weg und sagte: "Entschuldigung. Das ist keine schlechte Idee, Peter."
Jenny klatschte in die Hände: "Also gut. Jetzt heißt es: Auf ein Auto warten!"

Sie mussten ziemlich lange warten, bis ein kleiner Transporter an den Straßenrand fuhr und sich der Fahrer aus dem Fenster lehnte.
Mittlerweile hatte es angefangen zu regnen, alle vier waren nass von Kopf bis Fuß.
Der Fahrer, ein älterer Mann mit leuchtend grünen Augen mit Lachfältchen und einem dicken braunen Bart, musterte sie verwundert. "Seid ihr ausgebüchst?", fragte er mit schwerer Stimme. "Nein, Sir. Wir reisen. Es wäre sehr hilfreich, wenn sie uns ein Stück mitnehmen könnten", entgegnete Jenny höflich. Der Mann klang nicht überzeugt: "Soso... Ihr reist. Wohin soll's denn gehen? Und wo sind eure Eltern?" "New York, Long Island!", schaltete sich Malbo ein. "Aha. Das ist ja noch n ganzes Stück. Aber jetzt mal wirklich, wo sind eure Eltern? Wenn ihr allein seid, muss ich die Polizei anrufen." "Schon gut, Sir!", Peter ging dazwischen. Seine Stimme hatte einen beruhigenden Ton angenommen und die goldenen Augen funkelten warm.
Jenny lächelte triumphierend, sie wusste genau, was jetzt passieren würde.

"Stell keine Fragen
Und nimm uns doch mit
Wohin wir auch wollen
Bring du uns - Ich bitt'
New York, Long Island
Das ist unser Ziel
Und das zu erreichen
Das wünsche ich mir."

Erstaunt blickten Lola und Malbo den Fahrer an. Sein Gesicht war vollkommen entspannt und er schien sogar zu lächeln. "Na, wenn da so ist", sagte er in ungewohnt fröhlichem Ton, "steigt ein. Ich bring euch nach New York!"

Malbo setzte sich geschwind nach vorne, neben den Fahrer, während Jenny, Peter und Lola sich auf die Hinterbank drängten. Eine dünne Plastikwand trennte sie von dem Laderaum ab.
Lola wischte sich eine nasse Locke aus dem Gesicht.
"Das war voll krass", sagte sie zu Peter, welche sie daraufhin stolz angrinste, "irgendwie wie - wie Magie." Jenny zuckte mit den Schultern: "Es ist vielleicht auch ein wenig Magie, wir wissen es nicht so genau." "Was wisst ihr denn dann so?", fragte Lola. Sie war von Malbos Erklärungen und Ausflüchten immer noch verwirrt. "Naja. Ich schätze, nicht mehr als du. Wir haben besondere Gaben, sind anders, als andere Kinder und anscheinend sehr begehrt von Monstern." Sehr begehrt von Monstern.
Nach dem ganzen Tag schien der Vorfall in Ilvermorny so weit zurück zu liegen.
Ob man Lolas Verschwinden bemerkt und ihren Vater informiert hatte? Ob er sich Sorgen machen würde und sie suchen würde? Sie musste ihm so schnell wie möglich Bescheid sagen.
Und sie wollte Antworten.
Langsam wusste Lola nicht mehr genau, wer sie eigentlich war.

Gedankenverloren beobachtete Lola die Regentropfen auf der Fensterscheibe, die immer dicker zu werden schienen. Und irgendwann schlief sie ein.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Aug 21, 2018 ⏰

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