Sechs.

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So sehr Cecilia die unendlich vielen Lichter und die ausgesprochen geschmackvolle Deko auch gefielen, so konnten diese trotzdem nichts gegen ihre generelle Abneigung gegenüber jeglichen Festen ausrichten. Zu viele fremde Menschen, die sich zu laut miteinander unterhielten, auf zu engem Raum. Ihr fiel es einfach nicht leicht, eine Konversation mit Leuten zu führen, von denen sie überhaupt nichts wusste, weil sie sie noch nie in ihrem Leben gesehen hatte.
Das Mädchen war mehr als froh gewesen, als Stefan durch die Eingangstür in den Ballsaal gekommen war und sich direkt mit zwei filigranen Gläsern zu ihr gesellt hatte.
"Schrecklich", seufzte Cecilia und war sich dabei fast schon sicher, dass Stefan sie gar nicht über die Lautstärke hinweg gehört hatte. Sie hatte sich geirrt.
"Was genau von alledem meinst du?"
Mit einem Nicken in Richtung Eingang gab sie ihrem Bruder zu verstehen, seine Aufmerksamkeit auf Mrs. Lockwood zu richten, die bestimmt schon seit Stunden steif neben ihrem Mann stand.
"Dieses gequälte Lächeln. Es sieht aus, als wäre es eingefroren. So falsch. Sie kennt diese ganzen Leute doch gar nicht. Irgendwelche hochrangige, reiche Familien, die nur hier sind, um etwas von der Prestige des Bürgermeisters zu erhaschen", flüsterte sie und schüttelte mit dem Kopf," Es ist ein Wunder, dass sie überhaupt so freundlich bleiben kann. Ich wette, sie fragt sich genauso wie wir, warum sie überhaupt hier sein muss."
Stefan lachte leise neben seiner Schwester. "Eines muss man den Lockwoods lassen: Gutes Essen haben sie immer!"
Cecilia stimmte mit in sein Lachen ein und lies ihren Blick erneut durch den Saal schweifen, bis er diesmal an der etwas kleineren Tür hängenblieb, die in den großzügig angelegten Garten hinausführte. Durch diese spazierte gerade Kol. Bei ihm untergehakt die ältere Frau mit dem strengen Gesicht, das Cecilia nur allzu vertraut war.
"Ich wusste gar nicht, dass Tante Fiona in der Stadt ist!", murmelte sie in freudiger Erwartung ihre Tante wiederzusehen.
"Toll", erwiderte ihr Bruder, der ihren Enthusiasmus ganz offensichtlich nicht teilte. Tatsächlich war es Cecilia ebenfalls aufgefallen, dass Fiona offenbar eine große Abneigung gegenüber ihrer gesamten männlichen Verwandtschaft hegte. Dem Mädchen störte das in diesem Moment allerdings herzlich wenig, als sie sich schnellen Schrittes ihrer Tante näherte und ihr Glas auf eines der bereitstehenden Tabletts abstellte. Sehr zum Leidwesen ihres Bruders, der ihr deutlich langsamer folgte, um die Schwester seines Vaters zu begrüßen.
"Tante Fiona!", rief Cecilia bereits aus einiger Entfernung, mit einem strahlenden Lächeln im Gesicht, "Ich wusste gar nicht, dass du in Mystic Falls bist! Warum hast du nicht geschrieben?"
"Ruhig Kind", erwiderte Fiona, als sie sich von Kols Arm löste.  Sie bedachte ihre Nichte mit einem warmen Blick, bevor sie diese umarmte und sie dann mit etwas Abstand musterte. "Wie hübsch du geworden bist. Ich hätte früher kommen sollen, ich weiß, aber Geschäftliches hat mich aufgehalten, Liebes. Jetzt war ich zufällig in der Stadt, da konnte ich es mir nicht nehmen lassen, meine Lieblingsnichte zu besuchen."
Ihre hellbraunen Augen wanderten hinüber zu Stefan, wobei sie so aussah, als wäre ihr jetzt erst aufgefallen, dass sich ihr Neffe überhaupt im gleichen Saal befand wie sie selbst. Ihr Blick verlor sofort  an Wärme.
"Tante Fiona", nickte er ihr kurz zu.
"Stefan. Du hättest dir ruhig einen ordentlichen Haarschnitt verpassen können", antwortete sie ebenso knapp und tonlos. Cecilia hatte ihre Tante in den letzten 10 Jahren vielleicht zwei gute Dinge über Stefan und Damon sagen gehört. Und eines davon hatte mit Damons Einzug in die Armee und seinem Tod, mit dem er seiner Familie endlich mal keine gänzliche Enttäuschung wäre, zu tun gehabt.
Als niemand etwas erwiderte, seufzte Fiona theatralisch, als sie erneut das Wort ergriff: "Wie dem auch sei, ich habe noch einiges mit meinem Bruder zu besprechen. Ich hoffe doch sehr, dass er diese schreckliche Angewohnheit abgelegt hat, stets und ständig überall als Letzter zu erscheinen. Offensichtlich braucht er die Aufmerksamkeit, um sich gut fühlen zu können. Was ihm fehlt ist-"
Fionas Worte verloren sich im allgemeinen Gemurmel, als sie sich Stefans Arm schnappte, wie sie es bereits bei Kol getan hatte und sich einen Weg zu Giuseppe verschaffte. Es war offensichtlich, dass sie das auch ohne Stefans vermeintliche Hilfe geschafft hätte. Die Frau strahlte eine Aura aus, die andere Menschen entweder vor Ehrfurcht zurückweichen lies oder in die Knie zwang. Da die steifen Fracks und die riesigen Reifröcke letzteres nicht zuließen, war dieses Mal Variante Eins der Fall.

Während Cecilia verträumt dem Rücken ihres Bruders, der in der Masse verschwand, hinterher sah, bemerkte sie gar nicht, wie Kol sich wieder neben sie gesellte.
"Verzeih mir, aber du siehst alles andere als glücklich aus", riss er sie schließlich aus ihren Gedanken.
Cecilia winkte ab. Sie hatte nicht wirklich die Lust dazu, ihm noch einmal das Gleiche zu erzählen, wie bereits Stefan zuvor. "Ich muss zugeben, dass mein erster Gedanke auf solchen Veranstaltungen meinem eigenen Bett gilt und wann ich es wohl wieder sehen werde", lachte sie.
"Nun, bevor ich meiner Pflicht als Gentlemen nachkommen muss und dich wohlbehalten an jenes Bett abliefern werde, sollten wir wenigstens einmal in diesem Jahr zusammen tanzen", grinste ihr Kol zu und hielt ihr seine ausgestreckte Hand entgegen. Cecilia entwich ein mädchenhaftes Kichern. Sie war sich selbst noch nicht bewusst gewesen, dass sie in der Lage war, solche Laute von sich zu geben. Trotzdem legte sie ihre Hand in die seine und lies sich von ihm zur Tanzfläche führen.

~

Cecilia hätte sich nie als jemand bezeichnet, der gut tanzen konnte. Gerade ein ordentlicher Walzer war ganz und gar nicht ihre Stärke. Aber im Gegensatz zu dem was Kol Mikaelson an jenem Silvesterabend zusammentanzte, lies Cecilia so aussehen, als hätte sie ihr Leben lang nichts anderes getragen als Tanzschuhe. Ob er es nun mit Absicht tat oder nicht, wusste sie nicht, aber sie amüsierte sich köstlich.  
Nachdem sie ihm das dritte Mal -vergeblich- versucht hatte die Schrittfolge zu erklären, was nur zu weiteren Stolperern seinerseits führte, die -sehr zu ihrem Leidwesen- immer auf Cecilias halboffenen Schuhen endeten, gab sie es schließlich auf.
"Ich scheine ein hoffnungsloser Fall zu sein."
"Allerdings", lachte sie, als er sie von der Tanzfläche und hinaus auf die beleuchtete Veranda führte.
Die frische Luft des kalten Winterabends war eine willkommene Abwechslung zur stickigen Luft in der Villa. Während Cecilia die Wolken ihres eigenen Atems beobachtete, die sich deutlich vom Schwarz der Nacht abhoben, hatte Kol nur Augen für sie.
Für ihre zierliche Gestalt, die trotz der hohen Schuhe noch immer um einiges kleiner war als die seine.
Für ihre wilden Locken, die trotz aller Bemühungen einfach nicht in der Hochsteckfrisur bleiben wollten.
Für den sorglosen Ausdruck auf ihrem Gesicht, der verriet, dass sie bisher vor den Widerlichkeiten dieser Welt beschützt wurde.
Kol sah sich noch einmal kurz um, um sicher zu gehen, dass sie auch wirklich alleine waren, bevor er Cecilia leicht an der Schulter berührte, damit sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf ihn richtete.
"Ich hoffe ich bin in dieser Sache wenigstens kein hoffnungsloser Fall", murmelte er.
"Das war ein Scherz. Ich hoffe, das ist -", begann Cecilia, brach aber sofort wieder ab, als Kol vor ihr auf die Knie ging.
"Ich würde jetzt eigentlich gerne eine große Rede schwingen. Aber das, was ich eigentlich sagen will, kann ich einfach nicht in Worte fassen. Und ich weiß, du hättest sie verdient. Cecilia Salvatore, würdest du mir die Ehre erweisen meine Frau zu werden?"
"Ich...", fing sie an, schon verwirrt darüber, was sie eigentlich sagen wollte. Sie kannte ihre eigene Antwort bereits. "Natürlich! Ja!", lachte sie, zog ihn wieder auf die Beine, nur um ihm dann überschwänglich um den Hals zu fallen.
Und als Kol Mikaelson ihr den Ring aus Lapis Lazuli an den Finger steckte, war sie vermutlich der glücklichste Mensch auf diesem Planeten.

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Weiß nicht, was größer ist mein Cringe oder das Clichè.
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-Lali

Anomalia ||Kol Mikaelson||Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt