Achtundvierzig.

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Mystic Falls

Damon war froh, dass seine Schwester noch immer benebelt vom Eisenkraut war. Es hatte zwar seinen halben Bestand gebraucht, um ihre Widerstandskraft gegen das Zeug zu umgehen, aber das war es allemal wert gewesen.
"Wie wär's wenn wir uns erstmal setzen", forderte er sie auf und klopfte auf den Platz neben sich.
Cecilia rührte sich nicht vom Fleck. Ihre Stirn legte sich in Falten. "Wo ist Kol?", fragte sie nun etwas lauter. Im selben Moment fingen die Lichter an zu flackern. Ihre Augen füllten sich mit Tränen. Ihr Atem beschleunigte sich. Eine der Glühbirnen zersprang. Vielleicht hätten sie ihr doch die andere Hälfte an Eisenkraut intervenös injizieren sollen, schoss es Damon durch den Kopf. 

Keine Sekunde später reagierte Stefan, indem er seine Schwester gegen an den Schultern gegen die Wand drückte und sie eindringlich ansah. "Hey! Sieh mich an! Cecilia du musst dich beruhigen!", sagte er so ruhig, wie es ihm möglich war, und schüttelte sie leicht. Tatsächlich schien ihr Blick klarer zu werden. "Hey, alles gut! Wir sind's. Deine Brüder."

Das Flackern der Lichter ebbte langsam ab. Cecilia sah aus, als wäre sie gerade aus einem Traum aufgeweckt worden. "Oh mein Gott", flüsterte sie und hörte sich dabei so an, "Es tut mir leid. Es tut mir leid. Es tut mir leid." Sie hörte sich so an, als hätte sie gerade einen Marathon hinter sich.
"Es ist alles okay. Komm her", erwiderte Stefan und drückte sie an sich. Dann gingen sie gemeinsam zum Sofa.

Nachdem Damon seinen Gedankengang, dass er die andere Hälfte des Eisenkrauts vielleicht auch noch in seine Schwester hätte pumpen sollen, beiseite geschoben hatte, gesellte er sich zu seinen Geschwistern. Er blieb einen Moment still und versuchte sich dann daran, die Stimmung wenigstens etwas aufzuhellen: "Weißt du was? Langsam wird mir dein Ehemann echt sympathisch!"
Cecilia legte die Stirn in Falten. "Warum? Weil er auf die Idee gekommen ist, mich in den Keller unter dem Anwesen meiner Familie zu sperren?"
Hinter ihr schüttelte Stefan mit dem Kopf und warf seinem älteren Bruder einen wütenden Blick zu, der eindeutig sagte: Falscher Zeitpunkt.
Damon lies hörbar die Luft aus seinen Lungen entweichen, verschränkte die Arme und lies sich zurück in die Kissen fallen. "Wenn du das sagst, klingt das wirklich überhaupt nicht nett, Miesepeter."

Der Rotschopf ignorierte den Kommentar und versuchte die Konversation wieder auf das eigentliche Problem zu lenken. "Also, zurück zum eigentlichen Thema: Was ist hier eigentlich los?"
"Kol hat den Hexen in Chicago einen Besuch abgestattet."
"Nicht zu Kaffee und Kuchen, nehme ich an."
Damon schüttelte den Kopf. "In der Hoffnung, dass du mir nicht gleich die Leber herausreißt: Er ist gegangen, weil ich ihm erzählt habe, was mit dir los ist. Nicht, dass das nicht sowieso schon offensichtlich gewesen ist."
"Und jetzt habt ihr alle sein Todesurteil unterzeichnet und ihn auf ein Himmelfahrtskommando geschickt?"
"Niemand hat gesagt, dass das ganze tödlich enden wird, Cecilia", mischte sich nun auch Stefan ein, "Fakt ist aber, dass sie einfach zu viele sind, als dass wir den ganzen Zirkel einfach auslöschen können. Verhandlungen sind unsere beste Chance, endlich diesem Alptraum zu entkommen."
Cecilia legte die Stirn in Falten. "Glaubst du eigentlich ernsthaft, was du da erzählst?"
Ihre Frage war unnötig gewesen, denn es war ihm anzusehen, dass das nicht der Fall war.
Stefan seufzte. "Jetzt ist es sowieso zu spät. Das einzige, was wir noch tun können ist warten."
Cecilia wollte bereits wieder anfangen zu diskutieren, als Damon sich mit erhobenem Finger einschaltete. "Als die Geduld verteilt wurde, warst du bereits weg, weil's dir einfach zu lange gedauert hat. Wissen wir, Schwesterchen. Aber Stefan hat recht. Alles, was du jetzt versuchen willst, wird Kol nicht weiterhelfen."
Seine Schwester wollte gerade erneut zu einer Erwiderung ansetzen, als es an der Tür klingelte. Das Mädchen beschloss, die Wartezeit wenigstens etwas zu verkürzen und selbst die Tür zu öffnen.

Stefan und Damon standen beide mit verschränkten Armen und dem Gedanken da, wer zur Hölle ihnen um kurz nach elf in der Nacht einen Besuch abstattete. "Hat Kol eigentlich Klaus in seine Pläne eingeweiht?", murmelte Damon, so dass nur Stefan es hören konnte.
"Woher soll ich denn das wissen?"
Sein älterer Bruder zuckte mit den Schultern. "Hätte ja sein können. Es wäre auf jeden Fall von Vorteil zu wissen, ob er genauso wie unsere Schwester reagiert. Denn dann haben wir beide eine Leber weniger."
Stefan fing gerade an zu schmunzeln, als Cecilias ungläubige Stimme zu ihnen durchdrang. "Kol?"
Die beiden Brüder warfen sich einen Blick zu. "Das ging erstaunlich schnell", meinten beide, wie aus einem Mund.

~

Cecilia hatte keine Ahnung, wie viel Zeit zwischen dem Öffnen der Tür und ihren ersten, nicht wirklich geistreichen Worten, vergangen war. Es hätten Stunden sein können, vermutlich waren es aber nur wenige Sekunden gewesen.
Im ersten Moment wusste sie nicht, wie sie reagieren sollte, entschied sich dann aber, ihrem ersten Instinkt nachzugeben. Kurz darauf war ein lautes Klatschen zu hören, welches dazu führte, dass sich Kol Mikaelson mit schmerzverzerrten Gesicht die Wange hielt.
"Mit all der Magie, die du hättest verwenden können", fing er an und grinste dabei schief, "Schätze, dass hab ich verdient."
"Was zur Hölle hast du dir dabei gedacht?", brüllte sie, weniger aggressiv, als sie es sich gewünscht hätte.

Das Mädchen versuchte ihren Herzschlag unter Kontrolle zu bekommen, ehe sie Kol um den Hals fiel. Dieser schlang einen Arm um ihre Hüfte und hielt mit dem anderen ihren Kopf fest.
"Alles ist gut", flüsterte er und drückte sie an sich, als würde könnte sie ihm im nächsten Moment entrissen werden.
"Cecilia, du musst mir zuhören", meinte er nach einiger Zeit. Dem Mädchen liefen Tränen der Erleichterung über die Wangen und Kol tat es im Herzen weh, das auszusprechen, was er ihr zu sagen hatte. "Es ist alles erledigt", fing er an und wischte ihr eine Träne aus dem Gesicht, "Die Hexen werden dich in Ruhe lassen."

Cecilia konnte die Unsicherheit in seiner Stimme hören. Irgendetwas stimmte nicht. "Zu welchem Preis?", fragte sie. Ihre Stimme schien ihr fremd, viel zu leise, viel zu rau.
"Sie sagen, sie sind keine Monster. Und das mag vielleicht stimmen. Nicht mehr als du und ich", er zwang sich zu einem Lächeln, "Naja, eher als ich. Was ich dir letztes Jahrtausend angetan habe, ist nicht zu verzeihen. Und ich habe meinen Preis dafür bezahlt."
Cecilia runzelte die Stirn. "Was? Ich-"
"Du musst mir etwas versprechen."
"Was?"
"Versprich es."
"Was soll ich dir versprechen, wenn ich nicht einmal weiß, was du von mir willst?"
"Tu es", erwiderte Kol und nahm ihren Kopf mit einer Verzweiflung in seine Hände, die sie fast wieder zurückweichen ließ.
"Okay", gab sie sich geschlagen, "Ich versprech's"
"Bitte, bitte mach nichts unüberlegtes."
"Würdest du bitte aufhören, dich so kryptisch auszudrücken?"
Er holte einmal tief Luft. Auch er schien die Tränen nicht mehr lange zurückhalten zu können. "Ich hab den gleichen Preis bezahlt, den du wegen meiner eigenen egoistischen Arroganz bezahlt hast. Und bitte, lass diesen gottverdammten Zirkel in Ruhe. Du bist stark. Und das wissen sie auch. Sie haben Angst um die ihren, also gib ihnen keinen Grund, Angst vor dir zu haben. Lass das ganze nicht umsonst gewesen sein."
Cecilia wich einen Schritt zurück, sodass Kol sie nicht mehr anfassen konnte. Dann riss sie die Augen auf, als ihr bewusst wurde, was er getan hat. Er war bereits tot. Irgendwo lag er mit einem Stück Weißeiche in der Brust und würde entweder brennen oder verrotten.
"Nein. Nein, nein, nein", flüsterte sie atemlos, "Das geht nicht Wir müssen-"
"Liebes, es ist zu spät", erwiderte er, sein Blick so voller Liebe, als hätte er nicht gerade eröffnet, dass er bereits tot war und nur als Geist vor ihr stand, "Ich liebe dich, für immer und ewig. Und ich will nicht, dass du das gleiche tust. Ich wünsche dir, jede Liebe dieser Welt."
Erneut zog er sie zu sich heran, wollte die Lippen auf die ihren legen - und verschwand.

Cecilia Salvatore starrte auf den Fleck, an dem eben noch ihr Ehemann gestanden hatte. Dann fiel sie auf die Knie und wollte noch immer nicht ganz verarbeiten, was soeben geschehen war.

~~~

Hallöle, Freunde der Sonne!
Ich hatte in den letzten Wochen des öfteren gesundheitliche Problemchen. Daher die minimale Verzögerung.
Das hier ist im Übrigen das letzte reguläre Kapitel, ein Epilog wird noch folgen!
-Lali 


Anomalia ||Kol Mikaelson||Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt