88. Kapitel

227 11 3
                                    

Meine Freundinnen und zukünftigen Ex–Bandkolleginnen hatten die Nachrichten zwar nicht begeistert aufgenommen, aber sie hatten wesentlich besser reagiert, als ich es gedacht hatte. Vermutlich hatte mein offensichtlich beschissener seelischer Zustand ein wenig dazu beigetragen. Immerhin war ich immer noch verheult und aus irgendeinem Grund konnte ich auch nicht aufhören zu heulen und vor mich hinzuschleichen. „Und hat er dann noch etwas gesagt?", wollte Rylee wissen. Wir hatten angefangen über Niall zu reden. „Ja. Er hat gesagt, dass wir befreundet bleiben können", berichtete ich schluchzend. Die Mädels zogen synchron ihre Augenbrauen in die Höhe. „Das ist ja so, als würde jemand deine Katze überfahren und dir dann anbieten, dass du sie behalten darfst", murmelte Caddie. Sie klang sichtlich verärgert. Ich wusste nicht, ob ich das gut fand. Immerhin liebte ich Niall doch und eigentlich war ich ja bei der ganzen Aktion auch nicht ganz unschuldig und unverantwortlich gewesen. Ich hatte ja, wenn auch ungeplant und unbeabsichtigt, beinahe mit ihm Schluss gemacht.

Ich fühlte mich wie ein vierzehnjähriges, eher weniger mit Intelligenz gesegnetes Mädchen, dessen Freund namens Kevin oder Jeremy–Pascal oder wie auch immer gerade mit ihm Schluss gemacht hatte, obwohl sie schon die Blumen für die Hochzeit und Namen für ihre neunzehn Kinder herausgesucht hatte. Wie konnte man sich so sicher mit etwas sein und dann nach so langer Zeit feststellen, dass man sich vollkommen getäuscht hatte? War ich zu naiv gewesen? Sollte das mit Niall und mir einfach nicht sein? Oder war dies der passende Zeitpunkt, um unsere Beziehung zu kämpfen? Er hatte sich doch schwer getan, also musste er mich doch noch lieben.

„Und was machst du jetzt?", erkundigte sich Elele vorsichtig. Es war fast schon so, als könnte sie meine Gedanken zwar gut genug lesen, um zu wissen, worüber ich mir den Kopf zerbrach, aber nicht gut genug, um zu wissen, dass ich selbst weit davon entfernt war, eine Antwort auf diese Frage zu finden. Hilflos zuckte ich mit den Schultern. „Ihr solltet nochmal reden", fand Caddie. Erneut erntete sie lediglich Schulterzucken von mir. Mit mir war nicht viel anzufangen. Rylee stupste mir vorsichtig in die Seite: „Soll ich mal mit ihm reden?" Schon wieder nur Schulterzucken. Ich wusste nicht, was richtig und was falsch war, was helfen würde und was man lieber lassen sollte. Bis vor einigen Stunden hatte ich aber auch noch gedacht, dass meine Beziehung super lief, also vielleicht war ich einfach nicht die hellste Kerze am Kronleuchter. Wie hatte ich so blöd sein können?

An diesem Tag vermied ich jeglichen Kontakt zu meinen Mitmenschen und verzog mich stattdessen mit meinem Handy und Kopfhörern ins Bett, vergrub mich unter der Decke, so als könne ich mich so vor der restlichen Welt verstecken und weinte noch ein wenig vor mich hin. Ich war überfordert mit meinen Gefühlen und Gedanken. Ja, eigentlich war ich sogar überfordert mit mir selbst. Als ich einige Stunden später aufwachte, benötigte ich erst einmal einige Augenblicke, ehe ich realisiert hatte, dass all das nicht nur ein böser Traum gewesen war, sondern die bittere Realität.

Es war etwa dreizehn Uhr laut der Anzeige auf meinem Handy, dessen Akku sich dem Ende neigte, da ich es über Nacht nicht geladen hatte. Ich stand auf, lief durch den Bus und stellte erleichtert fest, dass niemand da war. Auf dem Tisch lag ein Zettel, auf dem in krakeliger Schrift stand: Guten Morgen, Maus! Wenn du Frühstück in den Bus geliefert bekommen möchtest, schreib mir einfach deine Bestellung :–)

Ich hatte die Handschrift als Rylees identifizieren können und so schickte ich ihr schnell eine Nachricht, ehe ich notgedrungen ein Ladekabel für mein Handy suchte und es in die Steckdose steckte. Ich trug noch die Kleidung von gestern, da ich mich vor dem Schlafengehen nicht umgezogen hatte. Um ehrlich zu sein, war es mir aber egal, wie ich aussah. Ich schnappte mir eine von Rylees Zigarettenpackungen, ging nach draußen und zündete mir eine an. Als ich sie zu Ende geraucht hatte, stand auch schon Rylee mit einem beladenen Teller in der einen und einer Saftflasche in der anderen Hand da. Perfektes Timing.

@EffieDevineWo Geschichten leben. Entdecke jetzt