Sing Me To Sleep

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Remind me how it feels to hear your voice

Your lips are movin', I can' t hear a thing

Livin' life as if we had a choice

Sing Me To Sleep - Alan Walker

"Na, wen haben wir denn da?" Niall tauchte auf. Er hielt eine Bierflasche in seiner Hand, kam auf uns zu gelaufen. "Ich glaube, das ist die schönste Frau auf Erden", beantwortete er seine Frage selber. Mark Jarvis gab Würglaute von sich. 

"Ich sag ja, sie sind echt widerlich", kam es von Louis, offenbar an Mark gerichtet. Louis warf Niall einen fast schon strafenden Blick zu, grinste mich dann aber und klopfte mir im Vorbeigehen auf die Schulter. "Über was redet ihr?", Niall setzte sich nun neben mich, legte seinen Arm um mich und zog mich näher an ihn heran. 

"Nur das Wetter. Ist ziemlich warm für den Monat Juni", antwortete ich hastig. Niall, Mark und Louis zogen ihre Augenbrauen in die Höhe. "Das Wetter", wiederholte mein Freund langsam. Es war offensichtlich, dass ich gelogen hatte. Sie wussten es. Mark räusperte sich. "Ja, es ist wirklich warm, findet ihr nicht? Von Schweden hatte ich eigentlich etwas Anderes erwartet", meldete er sich nun.

Niall sah von ihm zu mir und wieder zurück. Er beäugte uns kritisch. "Okay, was ist hier los?", lachte Louis nun, "Mal ehrlich, niemanden juckt das Wetter. Es ist Sommer." Er sah mich abwartend an, fuhr sich mit der Hand durch die braunen Haare. Da saß ich also und wurde nun angestarrt. Ich war eben eine schreckliche Lügnerin. Verdammt. 

"Nichts Wichtiges", seufzte ich auf. Die beiden Sänger ließen nicht locker. Ich wollte jetzt nicht mit Niall und Louis darüber reden. Sie sollten nicht davon erfahren. Das würden sie noch, je nachdem wie ich mich eben endgültig entscheiden würde. Bei diesem Gedanken seufzte ich ungewollt frustriert auf. Im Grunde hatte ich mich schon entschieden, aber ich hatte Angst vor den Folgen, vor der Zukunft.

***

Es war bereits ein Uhr morgens und ich konnte hören, wie alle um mich herum ruhig atmeten. Sie waren alle ruhig und entspannt, schliefen vermutlich. Und dann war da noch ich. In meinem Kopf kreisten die Gedanken und ich konnte mich einfach nicht entspannen. Ich wusste nicht, wie ich mich entscheiden sollte, denn obwohl meine bevorzugte Wahl eindeutig mehr Vorteile hatte, könnte ich die Entscheidung ziemlich bereuen und mir meine Zukunft versauen. 

Als ich das nächste Mal auf mein Handy sah, war es bereits vier Uhr morgens. Ach fuck. Der Bus war schon kurz nach Mitternacht losgefahren, denn wir wurden von Stockholm nach Oslo umdisponiert. Momentan waren wir wohl noch auf der Reise. Ich kletterte aus dem Bett und tappte in meiner kurzen Stoffshort und dem T-Shirt in den vorderen Teil des Busses. 

"Hey", sagte ich zum Busfahrer. Er sah auf und lächelte mich an. "Hey?", erwiderte er etwas irritiert. Scheinbar wusste er nicht, was ich von ihm wollte. Ich wusste es selber nicht genau. "Ich mach kurz eine Raucherpause", informierte er mich, "Falls du also frische Luft schnappen möchtest..."

Ich nickte dankbar. "Ja, mach ich", teilte ich ihm mit. Es dauerte nicht lange, da hielt er auf einem Parkplatz. Irgendwie fühlte ich mich schlecht, da ich den Namen des Fahrers gar nicht kannte. Bei der letzten Tour mit One Direction war das anders gewesen: Noch heute wusste ich, dass der Busfahrer Don geheißen hatte. 

Er parkte den Bus und öffnete dann die Türe, stieg aus. Ich zog mir schnell Schuhe an, folgte ihm dann. "Wir wurden uns noch nicht vorgestellt", sagte ich dann. Der Fahrer hielt eine Packung Zigaretten in der Hand und öffnete die Schachtel gerade. Als ich ihn ansprach, lächelte er. "Ich bin nicht so wichtig", sagte er und schien das gar nicht negativ zu meinen. 

"Ich heiße Keegan", stellte er sich dann vor, als er meinen abwartenden Blick bemerkte. Er wusste wohl, wer ich war. Ich ging einfach mal davon aus. Zur Not konnte er mich googlen. Oh Gott, ich klang schon wie diese eingebildeten Stars. Tja, das brachte der Ruhm wohl mit sich. "Rauchst du?", fragte er und ich zuckte mit den Schultern.

Keine Ahnung, warum ich nicht direkt Nein sagte. Immerhin war ich doch seit einer Weile Nichtraucherin. "Hab grade keine Zigaretten", sagte ich dann nur, auch wenn ich ja eigentlich aus einem anderen Grund nicht mehr rauchte. Vor allem war es ja nicht so, dass ich nicht rauchte, weil ich keine Zigaretten hatte, sondern ich hatte keine Zigaretten mehr, weil ich nicht mehr rauchte. Ach Gott, das war alles so kompliziert. 

"Willst du?", er hielt mir die Schachtel entgegen. Ich zögerte für ein paar Sekunden, dann nickte ich und nahm mir eine Zigarette. "Danke." Er reichte mir das Feuerzeug nicht, sondern zündete mir direkt die Zigarette an. Für ein paar Minuten standen wir einfach nur da und rauchten, mehr nicht. Die frische Luft war kühler als tagsüber und irgendwie weckte sie mich noch mehr auf.

"Schlafprobleme?", erkundigte sich Keegan bei mir. Er war vielleicht etwas mehr als dreißig Jahre alt, aber bestimmt noch keine vierzig. An seinem Ringfinger konnte ich einen Ehering entdecken. "Ja und nein. Ich denke gerade über etwas nach", seufzte ich auf. Es fühlte sich gut an, nach der langen rauchfreien Zeit wieder eine Zigarette in der Hand zu halten und auch wirklich zu rauchen. Das Nikotin hatte mir  gefehlt. 

Keegan musterte mich. "Ich kann nicht helfen, oder?", wollte er wissen und ich schüttelte den Kopf. "Mir kann niemand helfen, fürchte ich", lächelte ich ihn an, "Das muss ich alleine entscheiden." Er nickte nun. Ob er ahnte, um was es ging? 

"Ich habe eine Tochter, sie ist noch ein Teenager. Ab und zu rede ich mit ihr über Jungs. Wenn du also Beziehungsprobleme haben solltest, kannst du jederzeit mit mir reden", bot er seine Dienste dennoch an, "Ich verrate Niall auch nichts. Oder den anderen." Er zwinkerte mir zu und zündete sich noch eine zweite Zigarette an. 

Ich lachte leise auf und schüttelte den Kopf. Nett von ihm, aber mit Niall hatte ich gerade kein Problem. Noch nicht. Das könnte noch kommen, je nachdem wie ich mich entscheiden würde. "Nein, alles bestens mit Niall", teilte ich ihm deshalb mit, "Ich liebe ihn und es könnte gar nicht besser sein. Trotzdem danke für das Angebot. Falls was sein sollte, wende ich mich an dich." Ich versuchte ihm klar zu machen, dass mit meiner Beziehung wirklich alles in Ordnung war. Zwar war ich mir sicher, dass der Busfahrer einen Vertrag unterschrieben hatte, der ihm zum Schweigen verpflichtete, aber er könnte trotzdem Gerüchte an die Medien verbreiten. 

Keegan reichte mir noch eine Zigarette und zündete sie an. Nach einigen Minuten stiegen wir dann wieder ein und er fuhr weiter. Ich legte mich ins Bett und versuchte zu schlafen. Es musste bereits früher Morgen sein, als meine Augen endlich zufielen. 

In meinen Träumen war ich im Fitnessstudio eingesperrt, prügelte mich mit Jake und erlebte dann noch eine Menge Dinge, welche mich im wachen Zustand vermutlich in eine Entzugsklinik gebracht hätten. Noch ahnte ich gar nicht, dass der arme und ahnungslose Keegan mich in eine dumme Situation bringen würde, ohne das überhaupt zu wollen. 







@EffieDevineWo Geschichten leben. Entdecke jetzt