Kapitel 16 Laufen Lernen

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Ich habe Menschen um die ich mich sorge. Ich habe aber auch Menschen die sich um mich sorgen. Menschen die es nicht begrüssen das ich eine Woche lang nur so vor mich hinlebe und nachdenke, über Dinge welche ich nicht ändern kann. Nachdenke, wie ich eine Person glücklich machen kann und ich denke nach, was bloss aus mir und meiner kleinen Gefühlswelt in den letzten Wochen geworden ist.

Ich habe nie an Liebe geglaubt, zu oft wurde ich enttäuscht, zu oft sah ich einen betrunkenen Vater seine Frau grün und blau schlagen. Diese Bilder werde ich nie wieder los. Trotz all meinen guten Erinnerungen mit Jackie und Zachary, ein liebesvolles Paar mit liebevollen Kindern und einem stabilen Umfeld. Alles ist hübsch und nett, dass es mir manchmal so vorkommt als würde in den nächsten Jahren ein grosser Knall kommen und all das Perfekte zersprengen. Ich möchte darauf vorbereitet sein. Doch glaube ich nicht, dass dieser Knall wegen meiner jetzigen Familie geschehen wird, nicht mehr zumindest.

Entweder werde ich ertrinken, weil ich trotz allem Liebe in mein Herz gelassen habe, Liebe zu einem Mädchen von dem es klar war das sie diese zerreissen wird. Ein Mädchen, welches wegen Allem jeden Tag ihren Flachmann umklammert und hofft das es aufhört weh zu tun. Oder die Bombe wird explodieren, weil ich es zuliess, weil ich es nicht einmal versuchte, sie zu retten und somit mich.

Vor einer Woche habe ich versucht das schlafende Mädchen so leise es eben geht nach Hause zu bringen. Ein Ort der sicher sein sollte. Seit diesem gescheiterten Versuch habe ich nichts mehr von ihr gehört, nicht einmal auf dummen Fernsehsendern.

Seit einer Woche beobachte ich mehr und mehr die Liebenden in meiner unmittelbaren Umgebung. Ich schaue zu wie Zachary auch noch nach zwanzig Ehejahren Jackies Hand nimmt und mit dem Daumen zwei Mal über die Hand gleitet, wenn ihr ein Missgeschick passiert. Aber auch eine Jackie die jeden Tag die gerade gerichtete Krawatte geraderichtet, bloss um ein paar Sekunden Zweisamkeit neben Familienstress und einen Haufen voller Arbeit zu haben.

Auch Nathan bewundere ich. Obwohl er kranke Scheisse erlebt hat, über die er nur sehr selten ein Wort verliert, hat er zugelassen wieder berührt zu werden und die Wunden heilen zu lassen. Und Grace, die obwohl sie erst ein paar wenige Jahre auf den Rücken trägt und eigentlich nichts über Liebe weiss um Ihre gekämpft hat und es war ein Kampf zu Beginn. Doch nun, was soll ich sagen inspirieren sie mich.

So sehr ich auch wünschte, Ryan wieder ein Mädchen anlächeln zu sehen wie er Becca anlächelte, ist es im Moment nicht möglich für ihn. Becca die erste und bis jetzt einzige wirkliche Freundin unseres Frauenschwarmes. Eine konstante Bezugsperson, eine Zuflucht und nicht nur eine «fünf Minuten an einer Party» Geschichte. Aber Becca war nicht nur das. Sie war ein Teil von uns, Graces einzige weibliche beste Freundin, wenn man Suri nicht mitzählt. Jedoch haben einige Dinge einen hohen Preis, denn sie und wir bezahlen mussten.

Was Chris betrifft, der kennt doch bloss seine Liebe zu diesem bescheuerten Ball. Aber wenn es ihn glücklich macht, macht es mich glücklich.

Noch zwei Wochen Sommerferien, noch zwei Wochen und danach startet mein letztes Jahr in der High-School. Mein letztes Jahr voller Zickenkriege und Lästereien. Obwohl ich mir nicht sicher bin ob dies jemals aufhört.

Und obwohl ich jetzt am Strand sitzen sollte und mit der lauten Musik im Hintergrund und dem unberührten Bier in meiner Hand Spass haben soll bleibt dieser aus.

Anstelle dessen, tue ich bloss so als ob ich Ryan, unserem surfenden Beachboy, dabei zusehe ein paar Monsterwellen zu reiten.

„Ohhh meiiin Gott, Baby, Liam!", höre ich eine viel zu hohe Stimme schreien, „Babe, habe dich letztens, auf dem Titelbild der ‚Watch' gesehen. Ava Brians? Schon klar bekam ich bloss ein paar Minuten." Danke, Meghan.

Meghan McKillen, meine letzte wilde Nacht auf einer lahmen Party. Mein letzter Fehler und es war ein Fehler. Ich weiss nicht warum aber sie fand es ganz geil meinen Rücken mit diesen Killernägeln aufzukratzen, kein Wunder ist das Wort „Kill" in ihrem Nachnamen versteckt. Ich fand es eher abtörnend aber Gott was hätte ich tun sollen? Sie hat nur so ihre aufgepushten Brüste in mein Gesicht gestreckt.

Zu meinem Glück bleibt sie aber nicht stehen, sondern schwingt ihre langen blonden Haare bloss hin und her wie ihren Arsch und macht einen Abgang samt ihrer Gang von Mädels. Sie ist kein schlechter Mensch, nur zum Kotzen nervig.

„Wow, Meghan Mckillen Liam. Du hast mir nie davon erzählt", Grace gesellt sich zu mir.

„Weil es zu peinlich ist", ich grinse sie von der Seite an.

„Weisst du. Ich habe keine Ahnung ob ich dieses Mädchen lieben oder hassen soll", sagt Grace.

„Meghan? Sie soll dir scheiss egal sein." Von wo dieser ernste Unterton von Grace kommt weiss ich nicht.

Grace schüttelt, in die Ferne blickend, ihren Kopf. „Ava."

Ich sage nichts dazu. Was schon?

„Zum Einen zwingt sie dich zu fühlen, zum Anderen weiss ich aber nicht ob dir diese Gefühle guttun."

„Ich kenne sie nicht einmal richtig Grace", möchte ich herunterspielen das ich im Moment wohl mehr weiss als ihr eigener Vater. Der es vermutlich weiss aber sich einen Scheiss dafür interessiert wie sie sich fühlt.

„Mag sein, aber manchmal muss man eine Person nicht jahrelang kennen um sie zu kennen", ihr Blick schweift zum Volleyball spielenden Nathan, „Manchmal aber schon." Ein kleines Lächeln bildet sich auf ihren Lippen.

Wir sitzen still da, lauschen dem Meer welches, obwohl laute Musik dröhnt, diese übertönt.

„Wie hast du dich gefühlt? Als er dich wegstiess?", frage ich nun, in der kleinen Hoffnung nicht gehört geworden zu sein.

Aber natürlich hat sie mich verstanden.

Ein kleiner Seufzer ist zu hören, ihr Kopf dreht sich zu mir und sie schaut mich zum ersten Mal seit diesem, mehrheitlich durch Schweigen geführten Gespräch an. „Es tat weh natürlich. Ich dachte ich wäre nicht gut genug oder täte etwas falsch. Ich dachte, wenn ich nicht aufhöre würde er mich irgendwann so sehen wie diese Männer, wie seine Mutter, würde mich hassen. Also liess ich es, wie du weisst. Und das tat mehr weh, ihn alleine zu lassen."

„Sie trauert und niemand scheint sich dafür zu interessieren. In der Nacht, als ich sie nach Hause fuhr, meinte sie es wäre ihre Schuld. Wegen ihr seien sie spät dran gewesen und hätten sich beeilen müssen. Ava gibt sich die Schuld an den Tod ihrer Zwillingsschwester und ich kann nichts dagegen unternehmen." Jetzt bin ich derjenige, der in die Ferne schaut, weit hinaus in den blauen Ozean.

„Gib ihr Geborgenheit, einen Zufluchtsort, Ruhe und Normalität." Sie spielt an der silbernen Kette ihres Handgelenkes, ein Geschenk von Nathan. Bloss eine Kette, ohne Anhänger. Es hat irgendeine Bedeutung, welche bloss die zwei kennen.

„So wie du es Nathan gabst?"

„Er wurde benutzt, missbraucht. Ich musste ihm zeigen, dass obwohl wir uns schon seit Jahren kannten, ich ihn nie verlassen würde und dies langsam und Schritt für Schritt. Es ist wie laufen lernen."

The Girl I LoveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt