Kapitel 18 Kälte

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Ich liege seit zwölf Stunden in meinem Bett mit geöffneten Augen. Keine Sekunde habe ich geschlafen, anders als der Rotschopf neben mir.

Das Bild von meiner toten leiblichen Mutter auf einem kalten Tisch verfolgt mich. Aber was noch viel mehr schmerzt, ist das Bild von Jackies Gesichtsausdruck als auch sie im Krankenhaus ankam. Ich habe sie hintergangen, jahrelang und genau das sah ich. Enttäuschung.

Nichts desto trotz nahm sie mich in den Arm und ich durfte ihr meine Entschuldigungen in die Halsbeuge weinen.

Weinen, ich weinte, wie ein kleines Kind. Doch ich weinte nicht nur weil sie tot war. Weil sie sich letzten Endes doch umgebracht hat. Nicht nur weil ich die Chance verpasst habe ihr zu sagen das es okay ist, dass ich sie auch liebe aber das Leben nicht für jeden etwas ist.
Ich weinte weil die Mutter die ich hintergangen habe immer noch für mich da ist, immer noch meine Mutter ist, ich habe noch eine Mutter.
Und so hart es auch klingt aber ich weinte auch aus Erleichterung, es ist vorbei, jeder weiss es, ich bin frei, vielleicht sogar frei von meiner Vergangenheit. Sie ist da, wird immer da sein aber ich muss nie wieder an diesen Ort zurückkehren. Dieser Kampf ist vorbei. Es ist vorbei.

Der neue Kampf liegt neben mir. So froh ich auch bin, dass sie hier ist ,bei mir. Es wird nicht leicht. Es wird Arbeit geben.

Doch für den Moment möchte ich nur ihre Anwesenheit spüren.

Ich möchte an die Küsse auf meinen Hals denken und nicht die Stille, welche so krampfhaft im Hause Brown herrscht.

„Du musst nichts erklären", sagte Jackie, „Zachary wird alles klären."

Aber was, wenn ich es erklären möchte? Ich möchte ihr sagen wie ich mich fühle. Warum ich tat was ich tat. Warum ich mich um jemanden gekümmert habe, der es in anderen Augen nicht verdient hat.

Ich habe Angst sie wird mich nie wieder so ansehen können wie sie es tat, wie einen Sohn.

Aber es ist nicht nur Jackie die ich hintergangen habe, auch Zachary und alle meine Brüder, Suri und Grace.

Niemand wollte es sagen aber es ist die Wahrheit. Jeder meinte es wäre okay. Aber ist es das? Ist es wirklich okay?

Ich kann nicht schlafen, weil mich Schuldgefühle plagen. Ich habe Angst. Angst das es nie wieder so werden wird wie es einmal war. Ich sah es in Jackies Augen. Einen Teil ihres Sohnes hat sie verloren.

„Hast du überhaupt geschlafen?", fragt die verschlafene Stimme von Ava.

Sie rollt sich auf den Bauch und legt ihren Kopf auf meine Brust. Behutsam lege ich meine Hand auf ihren Hinterkopf.

„Ja", lüge ich.

Eine Lüge auf die ich keine Antwort bekomme.

„Wir sollten nicht den ganzen Tag im Bett liegen", sagt Ava und reibt sich den Schlaf aus ihren Augen.

Ja, aber ich weiss nicht wie ich aus diesem Zimmer soll.

„Hast du Hunger?", frage ich, weil ich weiss, dass sie recht hat. Irgendwann muss ich aufstehen und in enttäuschte Gesichter blicken und mein Bestes versuchen aus gebrochenem Vertrauen wieder Ganzes zu schaffen, egal wie lange es dauern wird.

Ava richtet sich etwas auf. Sie sieht mich an. Mich, keinen anderen.

Ihr Gesicht kommt immer näher, bis sich zuerst unsere Stirnen sanft berühren.

Ich darf sie endlich berühren. Ohne es gewusst zu haben wollte ich es immer, ihre Wärme zu fühlen.

„Sie sind deine Familie, sie werden es verstehen", beruhigt sie meine Ängste mit geschlossenen Augen bevor sie sanft ihre Lippen auf meine legt und für zwei Sekunden jedes Problem zu Staub zerfällt.

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