♠ 18. Kapitel

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Mit mulmigen Gefühl an diesem Montag stand ich auf. Ich wollte nicht in die Schule. Ich wollte Aaron nicht sehen, nachdem er am Samstag nicht mehr da gewesen war. Als ich aufgewacht war, war von ihm keine Spur mehr gewesen und ich könnte mich dafür selbst hassen, dass ich ihn geküsst hatte! Wie dumm war ich eigentlich? Total naiv... Wieso habe ich ihm auch geglaubt? Natürlich hätte er sich früher oder später einfach aus dem Haus geschlichen! Tränen brannten in meinen Augen, die ich wütend zurückblinzelte. Und heute würde der zweite Teil des Projektes beginnen! Keine gute Voraussetzung dafür. Wie sollte ich ihm gegenübertreten? Den ganzen Sonntag und Samstag hatte ich damit verbracht, seine Anrufe abzulehnen und nicht auf seine Nachrichten zu antworten. Ich hatte ein Buch nach dem anderen verschlungen und hatte versucht, nicht daran zu denken. Ich dachte nicht einmal daran, ihn alles erklären zu lassen, denn ich würde es nur durchgehen lassen, wenn jemand aus seiner Familie einen schweren Unfall hatte. Sonst nicht. Meine Mutter redete mir ein, dass Aaron nicht so war, aber immer wenn ich sie daran erinnern wollte, dass er mich schon mal allein gelassen hat, fiel mir immer wieder ein, dass sie nicht wusste, was wirklich passiert war.

Träge schleppte ich mich ins Bad und betrachtete mich im Spiegel. Dort erblickte ich mir kein unbekanntes Mädchen. Dieses Mädchen hatte ich letzten Sommer mehr als gut kennengelernt. Ihre geschwollenen Augen kannte ich fast schon auswendig. Ihre blau-grünen Augen, die nicht mehr funkelten, sondern träge wirkten. Die Blässe ihrer Haut und die dunklen Augenringe waren mir ebenfalls nicht unbekannt. Das alles kannte ich mehr als zu gut. Schnell wandte ich den Blick wieder ab, da dieser Anblick mehr als nur schmerzte. Mit einer lustlosen Bewegung drehte ich den Wasserhahn auf und ließ Wasser in meine Hände laufen, um mir kurz darauf damit über das Gesicht zu fahren. Doch ich wurde nicht wacher und meine Augen brannten noch immer von dem wenigen Schlaf, den ich bekommen hatte. Seufzend nahm ich meine Zahnbrüste in die Hand und öffnete die Zahnpasta. Kurz darauf putzte ich mir auch schon die Zähne. Die Stille führte dazu, dass ich in Gedanken versank und die Wut mich überrannte. Immer fester und schneller fuhr ich mit der Zahnbürste über meine Zähne und dann schmeckte ich etwas Blut in meinem Mund. Erschrocken ließ ich die Brüste ins Waschbecken fallen und öffnete den Mund. Zwischen den Zähnen hatte ich etwas Zahnfleisch aufgerieben. Es war jetzt nicht so schlimm, aber trotzdem. Ich entschied, dass meine Zähne sauber genug waren und ging dazu über, mich einer kurzen Katzenwäsche zu unterziehen, da ich jetzt keine Nerven fürs Duschen fand. Ein paar Minuten später verließ ich mit frischer Kleidung das Zimmer. Obwohl viele sagten, dass es ihnen nach dem Waschen immer besser ging, stellte ich fest, dass es mir kein Stück besser ging. Es war nur etwas später als vorher, aber mein Gemütszustand hatte sich nicht gebessert.

Auch, als ich das leckere Frühstück sah, änderte sich meine Stimmung nicht. Außerdem verspürte ich den geringsten Wunsch nach etwas zu Essen. Meine Mutter musterte mich besorgt, als ich mir lediglich eine Banane schnappte und sie in meine Tasche steckte. Dazu noch einen Apfel.

»Tut mir leid, Mum. Ich habe keinen großen Hunger heute«, erklärte ich ihr schuldbewusst. Sie wischte sich ihre Hände an einem Tuch ab und sah mich traurig und besorgt an. »Du hattest die letzten beide Tage auch keinen großen Hunger.« Ich schluckte. Ich wollte ihr keine Sorgen bereiten, aber wenn ich jetzt etwas essen würde, würde ich es spätestens in der Schule wieder loswerden. Das war es auch nicht wert.

»Ich verspreche dir, dass ich diese Banane und den Apfel essen werde und etwas zum Mittag. Versprochen. Der Hunger kommt bestimmt bald wieder. Er macht nur gerade Urlaub in Ibiza«, versuchte ich sie aufzuheitern, was zwar etwas klappte, da sie bei meinem letzten Satz etwas schmunzelte, aber ich wusste, dass ihr das nicht richtig reichte.

»Bis heute Abend«, verabschiedete sie sich von mir und drückte einen Kuss auf meinen Kopf. Ich lächelte sie an, doch ich spürte, dass dieses Lächeln aufgesetzt war und meine Augen nicht erreichte. »Bis dann.« Damit lief ich in die Gang und zog meine Schuhe über. Meine grünen Boots. Ich liebte diese Schuhe. Schnell schlüpfte ich in meine Jacke, schnappte mir meine Schlüssel und verließ das Haus. Dann, als die Tür hinter mir zugefallen war, erblickte ich jemanden der am Bürgersteig an seine Maschine gelehnt wartete. Mitten in der Bewegung hielt ich inne und wünschte mir, dass das nicht wahr war. Mein Herz zog sich zusammen und senkte sofort den Blick. Er sollte verschwinden. So wie am Samstag. Wütend ballte ich die Hand zur Faust und tat so, als hätte ich ihn nicht gesehen. Mit schnellen Schritten eilte ich die kleine Treppe nach unten und lief den Gehweg entlang.

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